DWS über Aktien – was ist aus unserer Liebe geworden?

Zu Aktien gibt es kaum Alternativen. Mittlerweile sollte man aber laut DWS durchaus wählerisch sein. DWS | 18.09.2019 09:40 Uhr
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Seit unserem CIO Day[1] im August sehen wir Aktien etwas positiver. Ein Grund dafür sind ermutigende politische Entwicklungen der letzten Wochen: Ein ungeregelter Brexit scheint nicht mehr unausweichlich. Italien hat eine neue Regierung. Im Handelskonflikt zwischen den USA und China wird zumindest wieder verhandelt. Die Proteste in Hongkong scheinen wenigstens nicht weiter zu eskalieren. Das alles genügt natürlich nicht, um bezüglich Aktien optimistisch zu werden. Der politische Rückenwind könnte schnell wieder drehen.

Ein Blick in die Vergangenheit ist hier hilfreich, um unseren moderaten Optimismus zu erklären. Die Hausse an den globalen Aktienmärkten geht in das zehnte Jahr. Vor allem zu Beginn wurde häufig vom "unbeliebtesten Bullenmarkt aller Zeiten" gesprochen. Nach den ernüchternden Erfahrungen der globalen Finanzkrise zögerten Investoren lange, ihre Risikopositionen zu erhöhen. Völlig unkonventionelle Zentralbankmaßnahmen verhalfen TINA zum Durchbruch: Nach dem TINA-Prinzip ("There Is No Alternative") sind Aktien in einem Ultraniedrigzinsumfeld "alternativlos".

Kurz und gut: Die Aktienmärkte dürften noch eine ganze Weile nach der TINA-Pfeife tanzen. Von Tag zu Tag vergrößert sich die Schar der Staatsanleihen mit negativen nominalen Zinsen. Problematisch bei TINA ist allerdings, dass niedrigere Anleiherenditen häufig Vorboten einer Rezession sind, mit niedrigerem Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinnen. Wie unsere Ökonomen sehen wir die inverse US-Zinskurve nicht unbedingt als Anzeichen einer drohenden globalen Rezession. Niedrige Zinsen können höhere Bewertungen aber nur so lange rechtfertigen wie die Gewinnerwartungen stabil bleiben. Und genau dies war einer der Gründe für unsere erhöhte Vorsicht zu Beginn des Sommers – wir hielten die Gewinnwachstumserwartungen über weite Strecken dieses Jahres für zu hoch. Negative nominale oder reale Zinsen könnten in bestimmten Sektoren, wie bei Finanzdienstleistern, unbeabsichtigte negative Konsequenzen auslösen.

Zwei weitere Gründe boten Anlass zur Vorsicht: Sorgen bereiteten sowohl die längerfristigen Gewinnaussichten besonders in den USA als auch die Qualität des Gewinnwachstums der letzten Jahre. Ereignisse wie die jüngsten US-Zollerhöhungen auf Importe aus China und ihre Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne lassen sich nicht mehr als vorübergehende Erscheinungen abtun. Sie könnten vielmehr der Anfang vom Ende mehrerer wichtiger Treiber für die höheren Nettomargen des S&P 500 in den letzten 25 Jahren sein. Rentabilitätssteigerungen sind teils der jahrzehntelangen Globalisierung zu verdanken, durch die multinationale Unternehmen schnell weltweit expandierten. Im Gegensatz dazu müssen Unternehmen jetzt nach jeder Äußerung des US-Präsidenten oder Vergeltungsmaßnahme Chinas erwägen, ihre globalen Lieferketten anzupassen. Da diese Anpassungen teuer sind, dürften sie auch bei einer Aufhebung der Zölle kaum wieder schnell rückgängig gemacht werden.

Darüber hinaus befürchten wir auch eine Verschlechterung der Qualität der US-Gewinne gegenüber den vergangenen Jahren. Die drohende Störung globaler Lieferketten und die Unternehmensstimmung sind nicht die alleinigen Gründe, warum der Aufwärtstrend der letzten Jahrzehnte in den USA und in anderen Ländern enden könnte. Insbesondere große multinationale US-Unternehmen konnten ihre Rentabilität durch ihre globale Expansion und damit einhergehenden niedrigeren effektiven Steuern steigern. Für weitere Impulse sorgte die Senkung der Unternehmenssteuern unter Präsident Trump 2018. Allerdings scheinen jetzt auf beiden Seiten des Atlantiks die Zeiten großzügiger Steuergeschenke für Großunternehmen vorbei zu sein. Zudem profitierten Unternehmen lange Zeit von niedrigeren Zinsaufwendungen aufgrund niedrigerer Nettoverschuldung und Zinsen. Trotz des jüngsten Zinsverfalls dürften die zusätzlichen Einsparungen bestenfalls marginal sein. Aktienrückkäufe könnten aufgrund der aktueller Bewertungen und des langsameren Gewinnwachstums zugunsten höherer Dividendenzahlungen zurückgehen.

Wie wird sich dies alles überhaupt auf die Märkte auswirken? Auf kurze Sicht vielleicht gar nicht so stark. Sich mehrende Anzeichen für eine Bodenbildung bei zyklischen Firmengewinnen stärkten zuletzt unseren Optimismus: So stabilisieren sich zum Beispiel bei mehreren japanischen Unternehmen für Investitionsgüter die Auftragseingänge. Das lässt für das vierte Quartal auf stabilere wirtschaftliche Frühindikatoren hoffen. Somit bleibt unsere Prognose eines globalen Gewinnwachstums pro Aktie von 5 Prozent für 2020 realistisch. Wie sagte doch 2007 Chuck Prince, damals Vorsitzender der Citigroup, ehrlich, wenn vielleicht auch etwas unbedacht: "Solange die Musik spielt, musst du aufstehen und tanzen. Noch tanzen wir."[2]

Längerfristig orientierte Anleger müssten sich also durchaus Sorgen machen, wären die Aktienrenditen der letzten Jahre einzig und allein TINA zu verdanken. Dies ist glücklicherweise nicht der Fall. Treiber der globalen Aktienkurse in den letzten zehn Jahren war hauptsächlich der US-Markt. Aktien außerhalb der USA handeln heute noch – in Dollar gerechnet – unter dem Niveau von Januar 2008. Einer der Gründe ist, dass in US-Aktienindizes Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich und besonders mit Schwerpunkt auf digitalen Technologien wesentlich stärker vertreten sind als beispielsweise in europäischen Indizes. Es mag nur wenige Alternativen zu Aktien geben, aber viele Auswahlmöglichkeiten innerhalb des globalen Aktienuniversums.

In vergangenen Wirtschaftszyklen wurde eine Inversion der US-Zinskurve normalerweise von steigenden Aktienkursen begleitet. Dies wurde begünstigt von einem Umschichten aktiv gemanagter Fonds, weg von zyklischen und Substanzaktien hin zu defensiven und Wachstumstiteln. Nach dem schnellen Anstieg des Bewertungsaufschlags von Wachstums- gegenüber Substanzaktien in den beiden letzten Jahren zu urteilen (etwa 70 Prozent KGV-Aufschlag), haben Investoren diese Sektorrotation bereits vorweggenommen. Die genaue Beachtung von Sektorgewichtungen dürfte daher in Zukunft eine große Rolle spielen. Für's Erste sollte das Niedrigszinsumfeld Technologie und Wachstum weiterhin begünstigen. Je niedriger die Zinsen, desto niedriger der Faktor, mit dem die künftigen Gewinne diskontiert werden. Das erhöht den Barwert von Wachstumstiteln, solange sich sonst nichts ändert. Allerdings reagieren Wachstumstitel auch stärker, falls beispielsweise die Gewinne weniger nachhaltig als erwartet ausfallen sollten. Auch Wachstumstitel sind also nicht ohne Risiko, wie die Entwicklung seit Anfang September gezeigt hat. Da ging ein deutlicher Anstieg der Renditen deutscher und US-amerikanischer Staatsanleihen mit einer wesentlichen Outperformance von Substanz- gegenüber Wachstumsaktien einher.  

Um für solche Entwicklungen gerüstet zu sein, haben wir zuletzt auch den Finanzsektor übergewichtet, der niedrige Bewertungen bietet und von einem stabileren makroökonomischen Umfeld profitieren dürfte. Taktisch haben wir vor kurzem Industriewerte wieder auf neutral hochgestuft. Seit der Herabstufung Anfang Juli ist hier trotz zunehmender Handelsspannungen nur eine leichte Underperformance zu verzeichnen. Dagegen untergewichten wir Versorger, die seit dem weltweiten Kollaps der Zinsen im Juli einen guten Lauf hatten. Unterm Strich dürften Anleger in den nächsten zwölf Monaten Erträge aus Dividenden und Aktienrückkäufen einfahren können. Erweist sich zudem unsere Einschätzung der Stabilisierung gesamtwirtschaftlicher Frühindikatoren als berechtigt, werden wir wohl auch unsere Indexziele nach oben korrigieren können.

Der Bewertungsaufschlag von Wachstumsaktien steigt weiter

Wachstumstitel profitieren unverändert von steigenden Bewertungskennzahlen. Gleichzeitig steigt ihr Wert, wenn dieser als Abschlag zum Markt definiert wird. So wird es nicht ewig weitergehen.

*ausgehend von den Konsensgewinnprognosen für die nächsten 12 Monate **MSCI ACWI Growth Index ***MSCI ACWI Value Index Quellen: Refinitiv, DWS Investment GmbH, Stand: 10.09.2019

America First

Frappierende Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt bei den Aktienerträgen der letzten elf Jahre.

*MSCI USA Index **MSCI AC World ex USA Index Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH, Stand: 06.09.2019

Bewertungen im Überblick

USA: Neutral (Neutral)*

Bei US-Aktien bleiben wir eher vorsichtig. In den kommenden Wochen und Monaten könnte es zu Kursrückschlägen kommen, nicht zuletzt wegen der nach wie vor hohen Gewinnerwartungen in einigen Schlüsselsektoren. Sicherlich würden die Märkte weitere Fortschritte bei der Lösung des Handelskonflikts freudig begrüßen – ebenso wie deutliche Zinsüberraschungen der US-Notenbank (Fed). Wir halten jedoch beide Szenarien für eher unwahrscheinlich.

**S&P 500 ***MSCI AC World Index

Europa: Neutral (Neutral)*

In Europa gehen die politischen Risiken leicht zurück. Italien hat eine neue, vergleichsweise europafreundliche Regierung. Das Vereinigte Königreich scheint einen chaotischen Brexit bis auf weiteres zu vermeiden. Trotzdem ziehen düstere Wolken am Wirtschaftshimmel auf, die vor allem für exportorientierte Länder wie Deutschland bedrohlich werden könnten. Die relativ schwache Entwicklung europäischer Aktien seit 2008 lässt allerdings vermuten, dass viele schlechte Nachrichten schon eingepreist sind.

**Stoxx Europe 600 ***MSCI AC World Index

Japan: Neutral (Neutral)*

Japanische Aktien bleiben vergleichsweise günstig. Leider sind aber auch keine offensichtlichen Gründe für eine Neubewertung in den nächsten Monaten in Sicht. Die Handelskonflikte haben für Druck bei den Unternehmensgewinnen gesorgt. Ein Handelsabkommen mit den USA könnte die Stimmung wieder bessern. Allerdings spielen hier auch Inhalt und Umfang eines derartigen Abkommens eine Rolle sowie der Verlauf des Handelskonflikts zwischen Japan und Südkorea.

**MSCI Japan ***MSCI AC World Index

Schwellenländer: Neutral (Neutral)*

Die Schwellenländer leiden weiterhin schwer unter den verschiedenen Handelsstreitigkeiten, die für mittelfristige Risiken sorgen. Auf längere Sicht dürften sie aber von abflauenden Gegenwinden profitieren – nicht zuletzt weil die Fed Ende letzten Jahres eine Zinswende eingeleitet hat. Mehrere wichtige Schwellenländer profitieren zudem von Strukturreformen. Im Vergleich zu dem in den Industriestaaten dürfte das Ertragswachstum von Aktien in Schwellenländern 2020 recht solide ausfallen.

**MSCI Emerging Markets Index ***MSCI AC World Index

* Als Bezugspunkt unserer Einschätzung dient der MSCI AC World Index, dieEinschätzung aus dem Vorquartal steht in Klammern.

Quellen: FactSet Research Systems Inc., DWS Investment GmbH; Stand: 06.09.2019

 

1. Bei diesem vierteljährlichen globalen Meeting werden unsere Konjunktur- und Marktprognosen für alle Anlageklassen für die nächsten zwölf Monate festgelegt.

2. Financial Times, 9. Juli 2007 „Citigroup chief stays bullish on buy-outs“, https://www.ft.com/content/80e2987a-2e50-11dc-821c-0000779fd2ac

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