Die Erholung der Schwellenländer von Anfang 2017 bis Anfang 2018 fiel mit einer steten Abschwächung des Dollars zusammen. Ob dies reiner Zufall war, ist zu bezweifeln. In der Tat sehen viele Analysten den Abschwung des Greenback als einen wesentlichen Faktor für die erstaunliche Wertentwicklung in den Schwellenländern.
Investoren ziehen Geld aus EM-Fonds ab
Als der Dollar jedoch zu Beginn dieses Jahres zulegte, gerieten EM-Assets unter Druck und insbesondere Anleihen verzeichneten erhebliche Rückgänge. Doch nicht nur sie: Bereits nach vier Monaten zogen nervöse Anleger Geld aus sowohl Anleihe- als auch Aktienfonds ab, die in den Schwellenländern investieren.
Nach gängiger Meinung ist ein stärkerer Dollar für EM-Schuldner problematisch, denn diese müssen ihre Verbindlichkeiten zu einem weniger günstigen Wechselkurs zurückzahlen. Viele Analysten sehen das Comeback des Dollars als Anzeichen für eine allgemeine Liquiditätsverknappung. Gleichzeitig ist es auch ein Anzeichen dafür, dass die Risikobereitschaft der Anleger nachlässt und diese Geld aus den risikoreicheren Schwellenländern abziehen – und das stellt Schwellenländer-Assets vor Herausforderungen.
Dollarstärke im Kontext
Das alles sind valide Punkte. Betrachtet man die gegenwärtige Situation jedoch im Gesamtkontext, ergibt sich ein anderes Bild. Obwohl sich der Dollar im April erholt hat, wird er immer noch um etwa 10 Prozent niedriger gegen andere wichtige Währungen gehandelt, als während seines Höchststands Anfang 2017. Seinen Fünfjahresdurchschnitt hat der Dollar nicht überstiegen. Aus diesem Grund ist der Wechselkursdruck für EM-Schuldner unserer Meinung nach durchaus tragbar.
Der Liquiditätsdruck könnte ebenfalls überbewertet sein. Zwar dürfte sich der Liquiditätsspielraum weltweit schmälern. Anleger sollten jedoch bedenken, dass dieser Schritt von einem extrem lockeren Niveau aus erfolgt. Gleichzeitig wird von den meisten großen Zentralbanken erwartet, dass sie ihre akkommodierende Politik zumindest für den Rest des Jahres beibehalten werden.
Währung ist nicht so wichtig
Währungsschwankungen spielen für EM-Unternehmen und die betreffenden Länder heute möglicherweise keine so große Rolle wie in der Vergangenheit. Viele EM-Unternehmen erwirtschaften jetzt den Großteil ihrer Gewinne in ihren Heimatmärkten und sind weniger in Dollar verschuldet. Hierzu gehören einige der größten Indexschwergewichte, wie etwa chinesische Internetunternehmen, die kaum auf Änderungen des Dollarkurses oder der Zinssätze reagieren. Exportabhängige Unternehmen dagegen profitieren von der Aufwertung des Dollar, was ihre Wettbewerbsfähigkeit insbesondere auf dem US-Markt verbessert.
Schwellenländer sind heute gegenüber einem starken Dollar bedeutend weniger anfällig als vor fünf Jahren. Denn: Sie haben nach der globalen Finanzkrise ihre Hausaufgaben gemacht und dafür gesorgt, dass ihre Außenbilanzen viel solider und weniger auf externe Finanzierung angewiesen sind. Hierbei gibt es selbstverständlich Ausnahmen, die schwächer erscheinen, wie zum Beispiel die bereits erwähnte Türkei. Daher müssen Anleger in einem von einem starken Dollar geprägten Umfeld selektiv sein, wenn sie sich EM-Anleihen nähern.
Selektive Währungsabsicherung ist unerlässlich
Selbst wenn ein stärkerer Dollar die langfristige EM-Erholung nicht bedroht, ist klar, dass er den Markt über kürzere Zeiträume beeinflussen kann. Aus diesem Grund ist es heute besonders wichtig, die Währung in den Portfolios aktiv zu verwalten.
Die teilweise Absicherung (Hedging) eines Portfolios, das in EM-Währungen gehalten wird, gegenüber dem US-Dollar bietet mehrere Vorteile. Sie erlaubt Investoren, sich auf Anlagen mit starken Fundamentaldaten zu konzentrieren und gleichzeitig die Volatilität zu dämpfen. Sollte der US-Dollar zudem erstarken, können sie sogar von der Absicherung profitieren.
Darüber hinaus befinden sich die Kosten für das Hedging gegenwärtig auf einem Zehnjahrestief. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass die Zinsen in den USA steigen, während sie in den Schwellenländern niedrig bleiben.
Natürlich sind EM-Assets von Änderungen der Risikobereitschaft betroffen. Zwar hat sich der Risikoappetit in diesem Jahr etwas abgeschwächt – das zeigen Indikatoren wie der CBOE Volatility Index (VIX), der die erwarteten Schwankungen am US-Aktienmarkt misst, oder die Futures-Positionierung. Jedoch sind die Anleger unserer Ansicht nach weiterhin risikofreudig. Zudem ist der VIX seit Anfang Februar bereits zu einem Drittel zurückgegangen, was Ausdruck geringerer Schwankungen ist.
Konjunktur und Gewinne steigen solide
Sieht man vom Faktor Währung ab, denken wir, dass die zugrundeliegenden Trends für Wirtschafts- und Gewinnwachstum in den meisten EM-Ländern stark bleiben. Dies sollte weitere Erträge in EM-Anleihen- und Aktienmärkten unterstützen.
EM-Vermögenswerte haben in letzter Zeit empfindlich auf Änderungen des US-Dollarkurses reagiert. Wir sind jedoch der Meinung, dass ein aktives Management der Währungs-, Aktien- und Anleiheauswahl Anlegern helfen kann, interessante langfristige Erträge aus einzelnen Wertpapieren zu erzielen und gleichzeitig die kurzfristige Volatilität zu dämpfen, die in Verbindung mit Dollarkursbewegungen entstehen kann.
Morgan Harting, Portfolio Manager Emerging Markets Multi-Asset, AllianceBernstein (AB)