Wer den US-Kongress (also Repräsentantenhaus und Senat) kontrolliert, kann bedeutende politische und regulatorische Entscheidungen beeinflussen – ein Faktor, der für Anleger und Portfoliomanager nicht unbedeutend ist. Zudem können sich Wahlergebnisse auf bestimmte Sektoren des Aktienmarktes auswirken, indem sie beispielsweise einzelne Industriezweige begünstigen, etwa durch Staatsinvestitionen in Bau und Infrastruktur oder regulatorische Auflagen.
Aber ob die parteiliche Färbung des Kongresses Anlagenerträge auch langfristig bestimmen kann, ist eher anzuzweifeln. Letztendlich steht die politische Bedeutung der US-Präsidentschaftswahlen im Vordergrund. Eine Fülle von Analysen zeigt: Es gibt keine erhebliche Korrelation zwischen der Partei, die im Weißen Haus die Kontrolle hat, und der Höhe der Aktienerträge.
Wir haben drei Szenarien für die Wahlausgänge im November erstellt und ihre potenziellen Auswirkungen auf die US-Kapitalmärkte analysiert. Folgende Möglichkeiten ergeben sich aus den unterschiedlichen Konstellationen:
1. Szenario: Ein gespaltener Kongress
Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Partei eines amtierenden US-Präsidenten bei den Zwischenwahlen Sitze verliert. Bei jedem der letzten drei Urnengänge – in den Jahren 2006, 2010 und 2014 – eroberte die Oppositionspartei eine oder beide Kammern des Kongresses.
Jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass dieser Trend sich in diesem Jahr fortsetzen wird. Historisch gesehen hat sich der US-Aktienmarkt stets gut gehalten, wenn sich zwei Parteien die Macht im Kongress in Washington teilten (Abbildung 1). Daher besteht Grund zu der Annahme, dass die Märkte aufatmen würden, wenn die Wahl zu einem gespaltenen Kongress führen sollte.
Denn: Ein gespaltener Kongress würde wahrscheinlich bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 keine nennenswerte Gesetzgebung verabschieden. Angesichts der starken US-Konjunktur und der bislang relativ robusten Börse können wir damit rechnen, dass die Märkte gut auf dieses Ergebnis reagieren.
Besonders Aktien aus dem Gesundheitssektor dürften sich im Falle einer Machtteilung gut entwickeln. Grund: Bei dieser Konstellation ist es nicht wahrscheinlich, dass an der Gesetzgebung zum „Affordable Care Act“ oder zur Preisgestaltung für Arzneimittel wesentliche Änderungen vorgenommen werden. Zudem würde eine geteilte Regierung vermutlich auch die Steuerausgaben, zum Beispiel bei Infrastrukturausgaben, bremsen und geplante weitere Steuersenkungen verzögern. Das könnte die Renditen der US-Treasuries unter Druck setzen.
2. Szenario: Demokraten erobern beide Häuser
Ein demokratischer Sieg in beiden Häusern des US-Kongresses ist zwar weniger wahrscheinlich, könnte aber im Fall des Eintretens größere Auswirkungen haben. Eine totale Kontrolle würde den Demokraten die Macht geben, personelle Entscheidungen des Präsidenten zu blockieren und Stellenbesetzungen wie etwa die Ernennung von Richtern für den Obersten Gerichtshof durch Trump zu verhindern. Außerdem würde eine demokratische Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus die Chancen erhöhen, dass im Jahr 2020 ein demokratischer Kandidat ins Weiße Haus einzieht. Das könnte einige Schlüsselelemente der Steuerreform gefährden, einschließlich der Senkung der Unternehmenssteuern und der Einkommenssteuer für Wohlhabende. Wir erwarten daher, dass dieses Ergebnis zu höherer Volatilität am US-Aktienmarkt führt. Seit der Wahl von Trump hat die Börse deutlich zugelegt und die US-Steuerreform war dabei sicherlich auch ein wichtiger Faktor.
Jeder Versuch eines demokratischen Kongresses, Trump des Amtes zu entheben, könnte die Märkte nervös machen – obwohl die Chancen, dass Trump tatsächlich wegen Amtsvergehen angeklagt und verurteilt wird, gering erscheinen. Selbst wenn die Demokraten den Senat übernehmen sollten, werden sie nicht die Zweidrittelmehrheit besitzen, die dafür nötig ist.
Auf der politischen Seite würde ein demokratischer Doppelsieg wahrscheinlich den Ausblick für die Staatsausgaben ändern. Infrastrukturausgaben könnten dabei zur Priorität werden – eine gute Nachricht für die Aktien in den Sektoren Industrie und Rohstoffe. Und auch die Anleiherenditen könnten dadurch positiv beeinflusst werden: wenn der Kongress Steuern erhebt, um die Ausgaben für die Infrastrukturmaßnahmen zu decken.
3. Szenario: Republikaner in beiden Kammern
Sollten die Republikaner beide Kammern halten, wäre das erfreulich für die Aktienmärkte, denn es würde den Weg für weitere Steuersenkungen der Trump-Regierung ebnen, die sich positiv auf Unternehmen auswirken würden. Den Anleiherenditen würde ein solches Ergebnis jedoch schaden, da es das Haushaltsdefizit weiter verschärfen würde.
Für alle, die sich fragen, was die Ergebnisse für den Handel bedeuten werden: Wahrscheinlich nicht sehr viel. Als US-Präsident behält Trump die Kontrolle über die Handelspolitik – ganz gleich, wer im Kongress die Oberhand hat. Die Legislative müsste zwar über ein formales Handelsabkommen abstimmen, aber bis dahin ist die Handelspolitik dem US-Präsidenten überlassen.
Was man auch nicht vergessen sollte: Vieles von dem, was Trump bisher getan hat, beruhte eher auf Exekutivbefehlen, als auf enger Zusammenarbeit mit dem Kongress. Die einzige große Ausnahme stellt die Gesetzgebung zur Steuerreform dar. Das wird sich in den kommenden Jahren kaum ändern – besonders wenn die Demokraten einen Teil des Kongresses oder den gesamten Kongress übernehmen.
Mit Volatilität umgehen
Wer als Anleger an den US-Kapitalmärkten langfristig ausgelegt ist, braucht sich nicht allzu viele Sorgen über Wahlausgänge zu machen. Denn eine Analyse von Daten, die bis ins Jahr 1950 zurückreichen, zeigt: Während und nach den Zwischenwahlen schnitten jene Aktiensektoren am besten ab, die am ehesten mit langfristigem Wachstum in Verbindung gebracht werden (Abbildung 2). Zu diesen Sektoren gehören unter anderem Technologie, Gebrauchsgüter und das Gesundheitswesen.
Die Politik ist wichtig; Anleger, die in US-Wertpapiere investiert sind, achten zu Recht darauf, wer in Washington an der Macht ist. Langfristig bezweifeln wir jedoch, dass die regierende Partei einen bedeutenden Einfluss auf die Anlagenerträge hat. Denn: In der Regel passen sich die Märkte an – egal, wer gerade an der Macht ist.