Liquiditätsengpässe zeigen sich verstärkt seit der Globalen Finanzkrise (GFK). Infolge dieser wurde die Regulierung verschärft und die Banken mussten ihre Bilanzen stärken und ihr Eigenkapitalengagement im Wertpapiergeschäft verringern. Das Ergebnis: Der Primärhandel der Banken stellt den Märkten keine ausreichende Liquidität mehr zur Verfügung, sodass das Liquiditätsrisiko von den Banken auf die Aktien- und Anleiheeigner übergegangen ist. Wir sind der Meinung, dass Anleger über rigorose Governance, modernste Technologie und risikobewusste Portfoliokonstruktion verfügen müssen – nur so können sie das Liquiditätsrisiko verringern.
Nummer 1: Strikte Governance
Der erste Schutzwall vor Risiken ist eine gute Governance. Für das Liquiditätsrisiko bedeutet das, dass die Portfoliomanager die Wertpapierkurse und die Zuordnung zu verschiedenen Wertpapierarten ständig überwachen müssen. Kurse, die stark von vergleichbaren Wertpapieren abweichen, oder „alte“ Preise, die über einen längeren Zeitraum konstant bleiben, können Anzeichen von Risiken sein – Liquiditätsrisiken mit eingeschlossen.
Ein effektiver Governance-Prozess sollte beinhalten, dass interne Kursabweichungen und Ausnahmeberichte überprüft werden. Auf einer etwas weniger häufigen (etwa fünftägigen) Basis sollten diese Kursüberprüfungen mit externen Anbietern abgeglichen werden. Und mindestens monatlich sollte das Governance-Team die Kurs- und Liquiditätsdaten analysieren und mit dem Portfoliomanagement-Team diskutieren. Im Rahmen dieser Überprüfungen sollte die Portfolioliquidität anhand von Stresstests mit verschiedenen Szenarien überprüft werden.
Nummer 2: Technologische Innovation
Vorausschauende Anleihemanager haben Research und Handel bereits transformiert und sind von hochgradig manuellen Ansätzen zu digitalisierten, automatisierten Prozessen übergegangen. Research-Ergebnisse können nun automatisch abgerufen und gefiltert werden, und Aufträge zum Kauf oder Verkauf, deren Vorbereitung zuvor oft viele Stunden in Anspruch nahm, können mithilfe von digitalen Assistenten zusammengestellt werden. Diese Aufgabe erledigen Chatbots, die von Computeralgorithmen gesteuert werden. In schnelllebigen Anleihenmärkten, die in viele kleine Liquiditätsinseln zersplittert sind, schafft dieser Technologiesprung bereits einen deutlichen Vorteil, der noch wichtiger wird, wenn die Liquidität weiter sinkt.
Nummer 3: Risikostreuung
In den aktuellen Märkten ist es von größter Bedeutung, Konzentrationsrisiken zu vermeiden, denn diese können zu Liquiditätsengpässen führen. In weniger liquiden Segmenten des Anleihenmarkts können die Handelskosten hoch sein und bei größeren Handelsgeschäften stark ansteigen. Durch einen breiter diversifizierten Wertpapierkorb können Anleger flexibler und kostengünstiger handeln. Ein risikobewusster Portfoliokonstruktionsprozess sollte einen rigorosen Ansatz zur Kosten- und Risikokontrolle beinhalten, indem einzelne Engagements minimiert werden und man über mehrere Emittenten diversifiziert. Gute Management-Kontrollsysteme sollten auf einen Blick Zugang zu diesen Informationen bieten, wie beispielsweise beim Portfolio in der untenstehenden Abbildung.
Ausgefeilte Techniken zur Portfoliokonstruktion zielen darauf ab, sowohl Risiken als auch Kosten zu reduzieren. Zum Beispiel:
- Der Handel mit Derivaten wie Credit Default Swaps kann sowohl ein kostengünstigerer als auch liquiderer Ansatz zur Umsetzung einer Anlageidee sein als der Handel mit dem Basiswert.
- Anleihen mit optisch vielversprechenden Renditen können weniger liquide sein. Es ist wichtig zu beurteilen, ob die Rendite eines bestimmten Wertpapiers das Liquiditätsrisiko angemessen kompensiert.
- Die Diversifikation kann dazu beitragen, die Gesamtrisiko- und Ertragsziele zu erreichen, indem man dem Portfolio beispielsweise Barmittel und/oder hochliquide Staatsanleihen hinzufügt, um flexibel zu bleiben.
Anleger mit begrenzter Risikobereitschaft können von dynamisch verwalteten, risikobewussten Portfoliomanagementansätzen profitieren. Strategien etwa, die die Stabilität von Staatsanleihen mit den renditegenerierenden Eigenschaften von Unternehmensanleihen kombinieren, können attraktive Renditen erzielen und gleichzeitig Liquiditätsrisiken reduzieren. Zwar bieten Staatsanleihen nur wenig Einkommen, können jedoch die Liquidität der Gesamtstrategie verbessern.
Bei Anleihen-ETFs sind wir dagegen der Meinung, dass risikobewusste Anleger Vorsicht walten lassen sollten. Tatsächlich hat die britische Financial Conduct Authority kürzlich angekündigt zu untersuchen, wie widerstandsfähig ETFs in Zeiten von Marktstress sind und inwiefern sie die erwartete Liquidität gewährleisten können – nachdem AB und andere führende Vermögensverwalter auf die möglichen Risiken hingewiesen hatten.
Der Grund für unsere Skepsis: Die Anleihenmärkte sind zu groß und vielfältig, um sie präzise zu replizieren. ETFs verwenden daher typischerweise Stichprobenmethoden, um ein repräsentatives Engagement gegenüber den von ihnen ausgewählten Basismärkten zu schaffen. Das kann sie anfällig machen, wenn große Rücknahmen Verkaufsaufträge auslösen, bei denen keine Liquidität vorhanden ist – insbesondere in risikoreicheren Märkten wie Hochzins- oder Schwellenländer-Unternehmensanleihen. Auch häufiges Rebalancing kann den Ertrag des ETF beeinträchtigen, insbesondere in Zeiten mit hohen Handelskosten.
Hohe Anforderungen
Die Umsetzung und Verfeinerung der drei oben beschriebenen Ansätze erfordert Zeit, Geld und umfangreiche Ressourcen. Nicht jede Fondsgesellschaft ist dieser Aufgabe gewachsen. Wir sind der Meinung, dass Anleger das Liquiditätsrisiko sehr ernst nehmen und sicherstellen sollten, dass sie über alle notwendigen Ressourcen verfügen, um es zu bewältigen.
Markus Peters, Senior Investment Strategist Fixed Income, AllianceBernstein (AB)