Anfang dieses Monats unterzeichneten 181 amerikanische CEOs eine Erklärung, in der sie ausführen, dass ihre Aktiengesellschaften die Belange aller Interessengruppen, nicht nur der Aktionäre berücksichtigen wollen. In einer Erklärung des „Business Roundtable“ bekräftigten Unternehmensführer von Amazon bis Xerox ihr Engagement, die ökologische und soziale Gesundheit der Gemeinwesen, in denen sie tätig sind, zu unterstützen und nachhaltige Praktiken in ihren Unternehmen zu übernehmen. Die Führungskräfte erkennen zunehmend an, dass dieser Ansatz der beste Weg ist, um langfristig eine höhere wirtschaftliche Wertschöpfung zu erzielen.
Gutes tun – und davon profitieren
Doch die Skepsis ist groß. Kritiker argumentieren, dass Führungskräfte Rechenschaft ablegen müssen, um zu beweisen, dass ihre Absichten wahr sind. Und das Konzept ist nicht neu. Vor fast einem Jahrzehnt hat Michael Porter, ein prominenter Professor der Harvard Business School, das Konzept des „Corporate Shared Value“ entwickelt. Sein Ansatz unterschied zwischen einfacher unternehmerischer Wohltätigkeit und der direkten Einbindung nachhaltiger Praktiken in das Kerngeschäft, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen.
Im Prinzip stimmen wir sowohl mit dem Ansatz von Porter und der Erklärung des „Business Roundtable“ als auch mit den Skeptikern überein. Wirtschaftlicher und sozialer Erfolg schließen sich aus unserer Sicht nicht aus, sondern verstärken sich gegenseitig. Die Verfolgung einer nachhaltigen Agenda, die die Bedürfnisse aller Interessengruppen in Einklang bringt, kann Unternehmen langfristige Wachstumschancen sichern, zur Verbesserung der Profitabilität beitragen und Risiken reduzieren. Aber die Umsetzung in die Praxis ist die größere Herausforderung, und Anleger brauchen bessere Methoden, um die Auswirkungen der Maßnahmen zu messen.
Wie misst man soziale Wertschöpfung?
Wie viel sozialen Mehrwert ein Unternehmen generiert, ist außerordentlich schwierig zu messen. Es fehlen Daten und die Berichtsstandards sind fehlerhaft. Darüber hinaus ist es bei der Beurteilung sozialer Veränderungen bekanntlich schwierig, Ursache und Wirkung zu trennen. Aber mit einem klareren Verständnis dafür, wie Unternehmen zur Schaffung von sozialem Mehrwert beitragen, können verantwortungsbewusste Anleger diese Unternehmen besser anhand ihrer neu definierten Mission bewerten.
Unternehmen beeinflussen die Gesellschaft vor allem auf zwei Arten: durch die Produkte, die sie verkaufen, und durch ihr operatives Verhalten. Unternehmen können Produkte verkaufen, die der Gesellschaft helfen (Impfstoffe) oder ihr schaden (Tabak). Ihr Verhalten kann positiv (gleicher Lohn für alle Geschlechter) oder negativ (Korruption) sein. Anleger können unserer Meinung nach alle Unternehmen und Portfolios anhand dieser beiden Wirkungsdimensionen bewerten.
Unternehmen in der oberen rechten Ecke der unten stehenden Abbildung verkaufen Produkte mit positiveren sozialen Auswirkungen und haben generell bessere Geschäftspraktiken. Diese Unternehmen schaffen derzeit mehr sozialen Wert für die Interessengruppen als die Konkurrenz unten links. Mit der Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie signalisiert die Bewegung nach rechts (verbessertes Verhalten) oder nach oben (verbesserter Produktmix) auch soziale Wertschöpfung.
Diese einfache schematische Analyse enthält eine wichtige Implikation: Jedes Unternehmen kann sozialen Mehrwert für die Interessengruppen schaffen. Zu den Unterzeichnern der Erklärung des „Business Roundtable“ gehören beispielsweise Unternehmen, die Kohle, Waffen und Süßigkeiten verkaufen – Branchen, die nachhaltig orientierte Anleger eher meiden. Zwar können diese Unternehmen nicht viel tun, um die soziale Wirkung ihrer Produkte zu verbessern, aber sie können ihr eigenes Verhalten verbessern.
Nachhaltige Parameter schaffen
Für Anleger sind diese Richtlinien der erste Schritt zum Aufbau nachhaltiger Portfolios. So können beispielsweise die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (kurz UN-Ziele) verwendet werden, um die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Produkte eines Unternehmens zu messen. Indem wir das Produktangebot eines Unternehmens den UN-Zielen zuordnen, können wir den Prozentsatz seines Umsatzes messen, der von Produkten stammt, die mit den UN-Zielen kompatibel sind oder eben nicht. Unternehmen können dann basierend auf ihren UN-Ziel-konformen Gewinnanteil eingeordnet werden.
Indem wir uns auf Unternehmen konzentrieren, die profitable Lösungen für wichtige soziale Herausforderungen wie Gesundheit und Wohlbefinden, saubere Energie und Gleichberechtigung liefern, glauben wir, dass Portfolios mit attraktivem Wachstum, Profitabilität und Qualitätsmerkmalen aufgebaut werden können.
Das Unternehmensverhalten kann ebenso auf verschiedene Weise gemessen werden. Unsere Wertpapierauswahlverfahren basieren auf firmeneigenen Nachhaltigkeits-Ratings (ESG). Man kann jedoch auch schon mit MSCI-ESG-Ratings das Verhalten eines Unternehmens im Vergleich zu seinen Mitbewerbern sowie Änderungen im Zeitverlauf verfolgen. Das kann ein effektiver Weg sein, um festzustellen, ob das Portfolio den Anlegeranforderungen entspricht.
Die Alpha-Connection
Selbst nachdem Unternehmen mit nachhaltigen Produkten und Verhaltensweisen identifiziert wurden, gibt es viele Möglichkeiten, Aktien- und Anleihenportfolios aufzubauen, die Risiko, Ertrag und Verantwortung in Einklang bringen. Verschiedene Arten von Portfolios versuchen, Alpha auf unterschiedliche Weise zu liefern, je nach ihren Zielen. So können beispielsweise Portfolios, die in bestimmte nachhaltige Produkte investieren, von einem starken langfristigen Wachstumspotenzial profitieren, das vom Markt unterschätzt wird. Anlagen in Unternehmen mit verbessertem Geschäftsverhalten können zu reduzierten Kosten, höherer Profitabilität und einem geringeren regulatorischen Risiko führen.
Da verschiedene Strategien diese Ziele unterschiedlich gewichten, gelten nicht für alle Portfolios die gleichen Parameter. Aber wenn wir verstehen, wie ein Unternehmen sozialen Wert schaffen will (bewegt sich das Unternehmen nach rechts, nach oben oder beides?), können wir konkret nach geeigneten Parametern suchen. Bessere Parameter können auch dazu beitragen, eine konstruktivere Zusammenarbeit mit Managementteams zu erreichen, um Unternehmen bei der Suche nach sozialer Wertschöpfung auf Kurs zu halten.
Viele CEOs haben erkannt, dass sich die Rolle des modernen Unternehmens weiterentwickelt hat. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Anleger effektivere Methoden entwickeln, um die Umsetzung einer ehrgeizigen Agenda zu messen, die die Art und Weise, wie Unternehmen im 21. Jahrhundert arbeiten, neu definieren wird.
Dan Roarty,Chief Investment Officer & Shawn Keegan, Credit Portfolio Manager, AllianceBernstein