In der Tat sieht es immer düsterer aus – und der Asset Manager hat seine Erwartungen an das Wirtschaftswachstum und die Inflation weitestgehend heruntergeschraubt. „Nirgends ist die Not so groß wie in Europa, das Wachstum anzukurbeln und die Inflation anzuheizen“, so der Experte. Im September war der kombinierte Einkaufsmanagerindex PMI auf dem tiefsten Stand seit Juni 2013 und entspricht einem annualisierten BIP-Wachstum von 0,5 Prozent – deutlich unter den jüngsten Erwartungen der Europäischen Zentralbank. Zwar ist der Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen immer noch stärker als der für das verarbeitende Gewerbe, doch auch dieser sei gefallen. „Das könnte ein erstes Zeichen dafür sein, dass die durch den Handelsstreit bedingte Wirtschaftsschwäche allmählich auch die Binnenwirtschaft infiziert“, warnt Williams. „Wir gehen davon aus, dass die rezessiven Bedingungen im verarbeitenden Gewerbe allmählich in ein schwächeres Beschäftigungs- und Investitionswachstum übergehen und dass die Politik zur Stimulierung von Wachstum und Inflation wirkungslos sein wird“, so der Chefvolkswirt.
Auch die US-Wirtschaft, die zuvor noch erfreuliche Signale sendete, sieht immer prekärer aus. Vor allem in handelsorientierten Wirtschaftssektoren mehren sich die Zeichen einer Verlangsamung. Die globale Konjunkturflaute begrenzt die Exporte der USA und verschärft die finanziellen Bedingungen im Inland, indem sie den US-Dollar nach oben drückt und die Volatilität der Finanzmärkte erhöht. „Mehr Sicherheit in der Handelspolitik wäre hilfreich“, sagt Williams. „Doch unserer Meinung nach wurde bereits genug Schaden angerichtet, so dass eine Verlangsamung der Wirtschaftsaktivität unvermeidlich ist.“ Dass es zu einer Rezession kommt, glaubt der AB-Chefvolkswirt allerdings nicht. „Wir rechnen mit einer gewissen Abschwächung des Arbeitsmarktes und damit des allgemeinen Wirtschaftswachstums. Um die Expansion zu verlängern, dürfte die Fed weitere Zinssenkungen vornehmen – und diese dürften die Konjunktur stützen. Ein Auslöser für eine Beschleunigung des Wachstums ist jedoch nicht in Sicht.“
Für China ist Williams dagegen zuversichtlich. „China besitzt bei der geldpolitischen Lockerung noch genug Spielraum“, ist der Experte überzeugt. Dazu gehören Senkungen des Mindestreservesatzes und des Kredit-Leitzinses, aber auch fiskalische Maßnahmen wie die Emission weiterer Staatsanleihen und Infrastrukturprojekte. „Sollte sich Chinas Wirtschaft in diesem Jahr stabilisieren – und davon gehen wir aus –, dürfte der Renminbi zu einem globalen Währungsstabilisator werden“, sagt der Chefvolkswirt. Große Sorgen bereitet jedoch der Handelsstreit, besonders falls dieser weiter eskalieren sollte. „Wenn die USA Zölle von 30 Prozent auf die 550 Milliarden US-Dollar an chinesischen Einfuhren erheben sollten, würden sich auch die Risiken für China und die Weltwirtschaft zuspitzen – und der US-Dollar-Yuan-Kurs könnte auf 7,5 steigen“, so Williams. „Wir sind aber weiterhin überzeugt, dass China die notwendigen Lockerungsmaßnahmen ergreifen wird, um eine abrupte Verlangsamung des Wachstums zu verhindern.“