Vier strukturelle Entwicklungen, die in den letzten drei Jahrzehnten das Wachstum begünstigt hatten, verkehren sich laut Williams nun ins Gegenteil:
- Die Anzahl der Arbeitnehmer sinkt: Zwischen 1950 und 2010 wuchs die Zahl von Menschen im arbeitsfähigen Alter in den entwickelten Staaten um 0,8 Prozent jährlich. Diese trugen dazu bei, die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflation zu senken. Nun sinkt jedoch die Anzahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sowohl in den Industrieländern als auch in China – und der Welt droht ein negativer Angebotsschock.
- Die Verschuldung holt uns ein: Vor der Finanzkrise begünstigten die Notenbanken die Verschuldung und konnten so erfolgreich die Verbraucherpreisinflation unter Kontrolle halten. Gleichzeitig gab es jedoch ein enormes Wachstum der Geld-, Kredit- und Vermögenspreise. Die Politik förderte das Wirtschaftswachstum, welches aber möglicherweise eine strukturelle Verschlechterung verdeckte. Das Ergebnis war die schlimmste Wirtschaftskrise seit der großen Depression sowie eine lähmende Verschuldung.
- Die Arbeiter schlagen zurück: In Zeiten starker Gewerkschaften, viel Staatseigentum und Preisregulierung wirkten Liberalisierung und staatliche Begünstigung von Unternehmen wachstumsfördernd. Heute wächst Kapital in Form von Unternehmensprofiten disproportional, während Gehälter stagnieren und die Einkommens- und Wohlstandsschere immer größer wird. Das fördert den Populismus – und dieser könnte dazu führen, dass Wachstumsförderung und die Maximierung der Unternehmensgewinne auf der Regierungsagenda in den Hintergrund treten.
- Nationale Interessen dominieren: In den vergangenen 30 Jahren sah die Welt ein beispielloses Ausmaß internationaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Integration. Diese trugen dazu bei, den Industrialisierungsprozess Chinas zu beschleunigen. Nun holt das Land den Westen jedoch auf und das Machtgefälle verschiebt sich zugunsten von Ländern wie China und Indien – auch im Hinblick auf ihre militärische Stärke. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist eine der Folgen dieser Machtverschiebung, zeigt aber auch: Die Zeit der Zusammenarbeit, von der alle Parteien profitierten, ist vorbei.
Können politische Maßnahmen dazu beitragen, die Welt aus der Wachstumsflaute zu holen? „Für die überstrapazierte Geldpolitik lautet die Antwort mit ziemlicher Sicherheit nein“, sagt Darren Williams. „Niedrigzinsen können jedoch helfen, die fiskalische Expansion zu erleichtern“. Allerdings seien nur wenige Regierungen gewillt, den größeren steuerpolitischen Spielraum zu nutzen. „Zwar ringen sich Staaten allmählich zu steuerpolitischen Stimulationsmaßnahmen durch; doch viel zu langsam, um unseren Ausblick positiv zu ändern“, so Williams.
Näheres zu den vier strukturellen Trends, was der Chefökonom von AB für die Weltwirtschaft erwartet und wie er die zukünftige Geld- und Fiskalpolitik einschätzt, lesen Sie im vollständigen Ausblick in englischer Sprache.