Anfang 2020 gab es reichlich gute Nachrichten für Anleger in US-Aktien. Die Zentralbank Fed bleibt mit ihrer Geldpolitik unterstützend. Handelsabkommen mit China, Mexiko und Kanada wurden abgeschlossen. Das Parlament hat einen Haushalt verabschiedet. Selbst vor dem Hintergrund der anstehenden Wahl und des Amtsenthebungsverfahrens bleibt das konjunkturelle Umfeld positiv.
Marktbewertung neu betrachten
Doch sind die guten Nachrichten bereits eingepreist? Angesichts von einem Voraus-Kurs-Gewinnverhältnis für 2020 von 18,6 per 31. Januar kann man sicher diesen Eindruck gewinnen (Abbildung, unten). Der Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre liegt bei nur etwa 16.
Aktienbewertungen sollten jedoch nicht in Isolation betrachtet werden. Das aktuelle Zinsumfeld macht global neue Perspektiven notwendig. Die 10-Jahres-Rendite von US-Treasuries liegt aktuell unter zwei Prozent, weit niedriger als der langfristige Durchschnitt von vier Prozent. Bei niedrigeren Zinsen sollten Aktienbewertungen höher sein, weil die Anleger die zukünftigen Cashflows zu einem niedrigeren Satz abzinsen, was höhere Aktienkurse stützt.
In Anbetracht dessen sehen wir die aktuellen Bewertungsniveaus nicht als problematisch an. Falls jedoch die Gewinne in 2020 einbrechen sollten, oder die Inflation signifikant steigen würde, müssten wir die Situation neu bewerten. Doch unter der Annahme, dass die aktuellen Rahmenbedingungen weiter bestehen werden, sind weitere Bewertungssteigerungen zweifelhaft. Die Aktienkurse dürften sich nur noch im Gleichschritt mit den Gewinnen steigern lassen.
Die Signale des breiten US-Markts sind diesbezüglich wenig ermutigend. Die Konsens-Gewinnschätzungen sind seit einem Jahr stark gesunken. Für 2019 lagen sie noch bei 14 Prozent, aktuell werden etwa vier Prozent erwartet (Abbildung, unten).
Durchschnittsgewinne sind kein akkurater Wegweiser für die Börsenperformance auf reiner Kalenderjahrbasis. Gute Gewinnjahre gehen manchmal mit schlechten Erträgen einher, und umgekehrt. Im Jahr 2018 lieferte der S&P 500 hohes Gewinnwachstum, aber die Erträge waren negativ. Im vergangenen Jahr hingegen war das Gewinnwachstum moderat, dennoch stiegen die Kurse um 31 Prozent (Abbildung, unten).
Was ist 2020 anders? Höhere Ausgangsbewertungen steigern das Risiko. Die Unternehmen wandeln stets auf einem schmalen Grat, aber bei niedrigen Bewertungen ist die Fallhöhe geringer. Wenn Unternehmen jedoch auf hohem Bewertungsniveau bei den Gewinnen enttäuschen, kann der folgende Kursverlust schmerzlich ausfallen.
Geschäftsgrundlagen werden den Unterschied ausmachen
Der beste Weg, um derlei Schocks zu vermeiden, ist die Fokussierung auf die Grundlagen. Unternehmen mit langfristigen Wachstumstreibern und klaren Wettbewerbsvorteilen, niedrigem Verschuldungsgrad und erfahrenen Führungsteams sind besser ausgestattet, um dauerhaftes Gewinnwachstum zu liefern, sogar in schwierigen Markt- und Konjunkturumfeldern.
Nach einem Jahr breiter Marktgewinne könnten Anleger jedoch leicht in eine trügerische Sorglosigkeit verfallen. Umso wichtiger ist es, bei der Aktienauswahl noch stärker den Fokus auf Unternehmen u legen, die auch in schwierigen Zeiten wachsen, um im heutigen, herausfordernden Anlageumfeld Erfolg zu haben.
James T. Tierney, Jr. ist Chief Investment Officer für Concentrated US Growth bei AllianceBernstein (AB)