Aktienanleger in Schwellenländern (Emerging Markets, EM) konzentrieren sich in der Regel auf Standardwerte. Kleinere Unternehmen können jedoch dazu beitragen, eine EM-Allokation zu erweitern, indem sie eine unterschiedliche Mischung von Engagements über Länder und Sektoren hinweg anbieten – und sie können Potenzial für einen höheren Mehrwert bieten.
EM-Aktienanleger sind mit einer sich rasch verändernden Marktlandschaft konfrontiert. Einige Länder kommen mit den Auswirkungen von COVID-19 besser zurecht als andere. Angesichts der Pandemie- und Entglobalisierungstrends sind Unternehmen dabei, ihre Lieferketten neu zu konfigurieren. Und die Bemühungen zur Modernisierung der Volkswirtschaften eröffnen vielen Unternehmen neue Wachstumsperspektiven. Diese Trends schaffen einen fruchtbaren Boden für weniger bekannte EM-Aktien mit kleinerer Marktkapitalisierung, die Anlegern andere Performancemuster und Risikostrukturen bieten.
Nebenwerte führen zu anderen EM-Engagements
Das EM-Nebenwerteuniversum unterscheidet sich stark von dem der EM-Standardwerte (Abbildung, unten). Es wird nicht von China dominiert, und die Sektorkonzentration in zyklischen Branchen wie Finanzen, Konsumgüter und Energie ist geringer. Alibaba, Tencent und TSMC machen allein 20 % des Indexes aus, und die fünf größten Namen (darunter auch Samsung und Meituan) 25 %. Die breitere Streuung von EM-Nebenwerten mit einer größeren Anzahl von Unternehmen mit einzigartigen Geschäftsfaktoren bietet Möglichkeiten sowohl für eine verbesserte Diversifikation als auch für die Suche nach überzeugenden wertsteigernden Ideen durch weniger bekannte Aktien mit großem Potenzial.
Der Zusatzertrags-Vorteil
Über einen Zeitraum von 20 Jahren haben beide EM-Aktiensegmente die Standardwerte der Industrieländer deutlich übertroffen (Abbildung, unten links). In den letzten 10 Jahren sind die Zusatzerträge des Median-Standardwerte-Managers zurückgegangen. EM-Nebenwerte-Manager haben jedoch immer noch beträchtliche Zusatzerträge erzielt (Abbildung, unten rechts).
Standardwerte werden meist breiter analysiert, was die schrumpfende Outperformance erklären könnte. Abgesehen von dem Vorteil einer begrenzteren Analysten-Abdeckung für Nebenwerte gibt es unserer Meinung nach gute Gründe, warum sorgfältig ausgewählte kleinere EM-Unternehmen auch in Zukunft ihre starke historische Leistungsbilanz ausbauen sollten.
Warum bieten EM-Nebenwerte hohes Potenzial?
Kleinere Unternehmen bieten in einigen der dynamischsten Schwellenländer der Welt ein enormes Spektrum an Möglichkeiten. Drei Bereiche verdienen besondere Aufmerksamkeit:
- Modernisierung der Wirtschaft:
Während die Schwellenländer ihre Arbeitsweise modernisieren und formalisieren, werden Unternehmen, die diesen Übergang mitgestalten, davon profitieren. So konzentriert sich beispielsweise Sunny Friend Environmental Technology Ltd. auf die Sammlung und Entsorgung von biomedizinischem und gefährlichem Abfall. Durch die Einführung von Entsorgungsnormen auf Industrieländerniveau in Taiwan und China hilft das Unternehmen diesen Ländern, die Umwelt besser zu schützen und gleichzeitig die Industrialisierung fortzusetzen.
Die Privatisierung ist ein weiterer Bereich, in dem die EM-Länder rasch aufholen. In Chinas Bestattungsindustrie entwickelt sich Fu Shou Yuan zum größten privaten Betreiber. Da sich 90 % der Bestattungsunternehmen immer noch in kommunalem Besitz befinden, verfügt Fu Shou Yuan über ein erhebliches Wachstumspotenzial. - Bausteine globaler Technologieinnovation:
Obwohl US-Technologieunternehmen besser bekannt sind als ihre EM-Pendants, spielen viele EM-Mittelstandsunternehmen eine Schlüsselrolle bei der Förderung globaler Technologietrends. Server etwa sind das Rückgrat des modernen Internets und erfreuen sich einer starken Nachfrage, da die Welt Cloud-Computing und Videokonferenzen im Rahmen der Corona-Krise benötigt. Aspeed Technology, mit Sitz in Taiwan, ist Marktführer bei Server-Management-Chips durch ein Produkt, das man unter dem Namen „Baseboard Management Controller“ (BMC) entwickelt hat. Die im Verhältnis zu seinen Vorteilen niedrigen Kosten eines BMC-Chips verleihen dem Unternehmen eine starke Preissetzungsmacht und eine hohe Kapitalrendite.
Ein weiteres Unternehmen ist ein wenig bekanntes argentinisches IT-Outsourcing-Unternehmen namens Globant. Dort entwickelt man mobile Anwendungen, Analyse-Tools und vieles mehr für zahlreiche Großkonzerne wie Disney, das das Unternehmen kürzlich ausgewählt hat, um die mobile Erfahrung in seinen Parks und Resorts neu zu erfinden. - Bedienung lokaler Nachfrage:
EM-Nebenwerte sind oft am besten in der Lage, lokale Bedürfnisse in aufstrebenden Märkten zu erkennen und zu nutzen. Wir sehen oft, dass westliche Unternehmen ihren Erfolg in Ländern wie Indien, China oder Brasilien nicht wiederholen können. Kleinere einheimische Unternehmen hingegen verfügen in diesen Märkten über die lokalen Netzwerke und das kulturelle Verständnis, die erforderlich sind, um erfolgreich zu sein. Die Bank BTPN Syariah zum Beispiel bietet Kleinunternehmen in Indonesien Mikrofinanzierungen an. Die Bank bietet auch lokal relevante Produkte wie das Scharia-Bankwesen an und ist besser in der Lage, das Kreditrisiko bei Kreditnehmern mit geringerem Einkommen einzuschätzen als eine größere Institution.
Auf der anderen Seite der Welt in Brasilien betreibt NotreDame Intermédica Gesundheits- und Zahnvorsorgepläne. Angesichts der rapiden Kosteninflation im Gesundheitswesen in Brasilien hat sich NotreDame Intermédica durch den Erwerb von Krankenhäusern, den Bau von ambulanten Notaufnahmen und zusätzliche Labordienstleistungen vertikal integriert. Durch diese Bemühungen senkt das Unternehmen Kosten und Prämien, verbessert die Qualität der Dienstleistungen und erobert Marktanteile.
Bei der Suche nach kleineren EM-Unternehmen mit hohem Potenzial sollten Anleger unserer Meinung nach Unternehmen suchen, die sich am Scheideweg zu positiven Veränderungen befinden. Dazu gehören Wettbewerbsvorteile in einem großen adressierbaren Markt, die hohes Umsatzwachstum und eine Margenausweitung für die kommenden Jahre ermöglichen (Abbildung).
Sind kleinere EM-Unternehmen risikoreicher? Nicht unbedingt. Wir glauben, dass Anleger die Risiken verringern können, wenn sie der Qualität des Managements große Aufmerksamkeit schenken. Und wenn ökologische, soziale und Governance-Faktoren als integraler Bestandteil eines Researchprozesses betrachtet werden, können Anleger Unternehmen mit verantwortungsbewusstem Verhalten und nachhaltigem Wachstum identifizieren. Das Befolgen eines klaren Anlageprozesses kann eine diversifiziertere EM-Allokation schaffen, indem neue Quellen langfristigen Potenzials in kleineren Unternehmen genutzt werden, die Auslöser für große Veränderungen in den Entwicklungsländern und darüber hinaus sind.
Sergey Davalchenko ist Portfoliomanager für Emerging Markets Small-Cap Equity und Emerging Markets Growth bei AllianceBernstein (AB).
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