Nach drei überragenden Jahren für US-Aktien fragen sich viele Anleger, ob der Markt noch Potenzial für 2022 hat. Obwohl die höheren Bewertungen zur Vorsicht mahnen, sind wir der Meinung, dass eine sorgfältig gewählte Allokation die dem US-Markt innewohnenden Vorteile nutzen kann, die ein solides langfristiges Ertragspotenzial untermauern.
Nur wenige Anleger haben erwartet, dass die US-Aktien im vergangenen Jahr so hohe Erträge erzielen würden. Der S&P 500 Index stieg im Jahr 2021 um 28,7 % und erreichte damit einen Dreijahresgewinn von kumuliert 100,4 %. Die anhaltende Hausse trieb die Bewertungen in die Höhe, und das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 Index lag zum Jahresende bei 21,3 und damit deutlich über dem anderer Industrieländer.
Im Januar hat die Volatilität der US-Aktien – und insbesondere des Technologiesektors – die Bedenken der Anleger noch verstärkt. Doch trotz der Risiken sind wir der Meinung, dass US-Aktien für langfristig orientierte Anleger überzeugende Attribute aufweisen. Erstens wird erwartet, dass die US-Unternehmen weiterhin ein gesundes Gewinnwachstum und eine solide Profitabilität aufweisen werden. Zweitens werden über die fünf größten Aktien hinaus viele hochwertige Unternehmen zu attraktiveren Bewertungen gehandelt. Drittens verfügen die US-Unternehmen über Barmittel in Rekordhöhe, die sie für Aktienrückkäufe einsetzen können.
Höhere Gewinne und Profitabilität
Im Jahr 2021 wurde die Performance der US-Aktien in erster Linie von den Gewinnen bestimmt. US-Unternehmen erzielten höhere Gewinne als erwartet, was die Bewertungen fundamental stützte. Darüber hinaus haben amerikanische Unternehmen ein viel höheres Gewinnwachstum und eine höhere Profitabilität als ihre ausländischen Konkurrenten erzielt, gemessen an Kennzahlen wie operativen Margen und Eigenkapitalrendite (Abbildung).
Mit weltweit führenden Forschungseinrichtungen und dem größten Markt für Risikokapitalfinanzierung und Start-ups sind die USA eine Brutstätte der Innovation. Viele börsennotierte US-Unternehmen sind Technologiepioniere, die die digitale Revolution ermöglichen und anführen, die sich während der Pandemie mit der explosionsartigen Zunahme von Telearbeit, Shopping und Freizeitaktivitäten beschleunigt hat.
Innovation stärkt hochwertige Unternehmen. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass 64 % der weltweit profitablen Wachstumsunternehmen mit einem Wert von mindestens 15 Milliarden US-Dollar in den USA ansässig sind. Und viele US-Unternehmen profitieren von einer soliden Unternehmensführung, was bei der Bewältigung der durch die Pandemie entstandenen geschäftlichen Herausforderungen von Vorteil war.
Wachstum zum richtigen Preis finden
Dieses Ökosystem hat auch die Megacap-Wachstumsunternehmen hervorgebracht, die die Entwicklung des US-Marktes in den letzten Jahren angetrieben haben. Die in die Höhe schießenden Aktienkurse von Unternehmen wie Amazon.com und Apple haben gigantische Konzerne mit Marktkapitalisierungen in Billionenhöhe hervorgebracht und eine extreme Marktkonzentration begünstigt. Ende 2021 machten die fünf größten US-Unternehmen 38,1 % des Russell 1000 Growth Index und 23 % des S&P 500 Index aus. Passive Portfolios profitierten von den enormen Gewinnen, sind aber auch einer kleinen Gruppe von Riesenunternehmen ausgesetzt. Auch wenn jeder Megacap seine Vorzüge hat, halten wir es für eine riskante Strategie, zu viel von der gesamten Gruppe im Depot zu halten, weil das bei einem Stimmungsumschwung nach hinten losgehen könnte.
Stattdessen sollten Anleger aktiv nach anderen Unternehmen suchen, deren Profitabilitäts- und Wachstumsprofil noch attraktiv ist. Unter Ausschluss der fünf größten Unternehmen werden der S&P 500 Index und der Russell 1000 Growth Index auf der Grundlage des Verhältnisses von Preis zu freiem Cashflow zu wesentlich vernünftigeren Bewertungen gehandelt (Abbildung).
Während sich die US-Wirtschaft nach der drastischen Rezession und der darauffolgenden Erholung normalisiert, wird es für die Unternehmen schwieriger sein, das Wachstum aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund sollten Anleger unserer Ansicht nach auf qualitativ hochwertige Unternehmen setzen, die über ausreichende Möglichkeiten zur Reinvestition von Gewinnen verfügen, um das künftige Wachstum zu fördern. Die Bewertung der einzelnen Aktien sollte auf der Grundlage einer angemessenen Einschätzung der normalen Ertragskraft des Unternehmens nach dem Abklingen vorübergehender Faktoren analysiert werden.
Aktionäre mit Rückkäufen belohnen
Selbst in einem schwierigeren Umfeld mit geringerem Wirtschaftswachstum verfügen die US-Unternehmen über eine beeindruckende Liquiditätsausstattung. Mit rekordverdächtigen Bargeldbeständen in den Bilanzen werden die US-Unternehmen im Jahr 2022 Aktien im Wert von 872 Milliarden US-Dollar zurückkaufen (Abbildung). Zusammen mit den erwarteten Dividendenzahlungen in Höhe von 590 Milliarden US-Dollar bedeutet das, dass die Unternehmen in diesem Jahr viele Möglichkeiten haben, ihre Aktionäre zu belohnen. Da die US-Notenbank ihr Programm zur quantitativen Lockerung in diesem Jahr auslaufen lässt, sind wir der Meinung, dass Aktienrückkäufe als Ersatzquelle für frische Liquidität für den Markt dienen können.
Sicherlich gibt es viele Risiken. Insbesondere die Pläne der US-Notenbank, das Tempo der Zinserhöhungen zu beschleunigen, lässt einige Anleger befürchten, dass die außergewöhnliche Gewinnsträhne des US-Marktes bald zu Ende ist. Die Historie zeigt, dass die letzten fünf Zinserhöhungszyklen nur eine vorübergehende Verlangsamung der Aktienerträge auslösten, auf die in der Regel eine zweijährige starke Performance folgte (Abbildung). Da die Bewertungen heute relativ hoch sind und die steigende Inflation eine noch restriktivere Geldpolitik auszulösen droht, ist es eine offene Frage, ob US-Aktien den historischen Mustern folgen werden. Vieles wird davon abhängen, ob die einzelnen Unternehmen in der Lage sind, ihre Geschäftsvorteile in beständiges Ertrags- und Gewinnwachstum umzusetzen.
Da es fast unmöglich ist, Wendepunkte an den Märkten genau zu erkennen, sind wir der Meinung, dass ein Engagement in US-Aktien zu jeder Zeit eine wichtige strategische Komponente einer Aktienallokation darstellen sollte. Durch die Auswahl amerikanischer Aktien, die die Vorteile des Marktes verkörpern, kann ein qualitativ hochwertiges Portfolio unserer Meinung nach strategische Vorteile erzielen, die sich auch unter wechselnden Markt- und Konjunkturbedingungen bewähren.
James T. Tierney, Jr. ist Chief Investment Officer für Concentrated US Growth bei AllianceBernstein (AB).
Kurt Feuerman ist Chief Investment Officer für Select US Equity Portfolios bei AllianceBernstein (AB).