AllianceBernstein: Russland-Ukraine-Krieg hat weitreichende Folgen für Investments

Der Einfall Russlands in die Ukraine hat umfassende Fragen aufgeworfen. Im Folgenden finden Sie die ersten Einschätzungen unserer Anlageteams. AllianceBernstein | 21.03.2022 08:10 Uhr
© Photo by Maxim Hopman on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Als der russische Präsident Wladimir Putin Truppen in die Ukraine schickte, machte er die jahrzehntelangen Bemühungen zunichte, den Frieden in Europa nach dem Kalten Krieg zu festigen. Für Anleger hat die neue Situation eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die unsere Analyse von Anlageklassen und Wertpapieren bestimmen.

Die humanitäre Tragödie, die wir in der Ukraine erleben, hat die Welt erschüttert. Wir können den Frieden und die Sicherheit, die in Europa seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor über 30 Jahren weitgehend herrschten, nicht mehr als selbstverständlich ansehen. Aktien- und Anleiheninvestoren müssen nun neu darüber nachdenken, wie sich geopolitische Ereignisse auf die globale Wirtschaft auswirken und wie diese Entwicklungen einzelne Länder und Unternehmen und die Wertpapierauswahl beeinflussen. Zwar gibt es immer noch mehr Fragen als Antworten, aber hier sind einige der großen Themen, mit denen sich unsere Anlageteams zu beschäftigen beginnen.

Wie wird sich Europa verändern?

Europas Länder sind seit Jahren verstärkt auf Energieimporte aus Russland angewiesen. Vor der Invasion entfiel etwa ein Drittel der Erdgaseinfuhren der Europäischen Union auf Russland, wobei Deutschland, Italien, Ungarn und Polen am stärksten von einem Lieferstopp betroffen wären. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur importierte Europa auch etwa 60 % des russischen Erdöls. Jetzt überdenken die europäischen Länder ihre Energiestrategien. Das wird wahrscheinlich die Förderung erneuerbarer Energien beschleunigen, während kurzfristig alternative Quellen für fossile Brennstoffe benötigt werden. Wenn Russland von den europäischen Märkten ausgeschlossen wird, könnte es versuchen, seine Lieferungen auf China und andere asiatische Länder umzulenken.

Die Verteidigung ist plötzlich zu einer europäischen Priorität geworden. So hat Deutschland in seinem Haushalt 2022 100 Milliarden Euro für Militärausgaben vorgesehen – mehr als das Doppelte der für 2021 vorgesehenen Mittel –, ein in der Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg beispielloser Schritt. Selbst als die Börsen inmitten des Konflikts einbrachen, stiegen die Aktien einiger europäischer Rüstungskonzerne sprunghaft an.

Der Energie- und Verteidigungsbedarf beflügelt Europa. Am 9. und 10. März begannen die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Frankreich mit der Ausarbeitung einer Strategie zur Verringerung der Abhängigkeit von russischer Energie und zur Koordinierung der Pläne für Verteidigungsausgaben. Medienberichten zufolge könnte die Europäische Union gemeinsame Anleihen ausgeben, um diesen Bedarf zu finanzieren. Diese Entwicklungen stellen einen grundlegenden Wandel in der politischen und wirtschaftlichen Integration Europas dar, der große Auswirkungen auf die Anleger aller Anlageklassen haben könnte.

Was bedeutet das für die Rohstoffe?

Die steigenden Preise für Energie, Metalle und andere Rohstoffe scheinen die Trends von vor zwei Jahrzehnten widerzuspiegeln. Aber die Bedingungen sind heute ganz anders als in den 2000er-Jahren, als ein Rohstoff-Superzyklus von der Nachfrage angetrieben wurde. Diesmal ist es ein Angebotsschock.

Russland und die Ukraine liefern etwa ein Viertel des weltweiten Weizenbedarfs. Düngemittel sind ein weiteres wichtiges russisches Exportgut. Wenn die Preise für Lebensmittel und Brennstoffe steigen, könnten die Schwellenländer, die besonders große Importeure aus Russland und der Ukraine sind, durch wirtschaftliche Schäden, soziale Unruhen und eine verzögerte Haushaltskonsolidierung gefährdet sein. Neue Energiequellen brauchen Zeit, bis sie in Betrieb genommen werden. Bis dahin könnte die einzige Möglichkeit, die Nachfrage auszugleichen, darin bestehen, dass die Preise so hoch sind, dass sie die Nachfrage zerstören und möglicherweise eine Rezession in Teilen der Welt auslösen.

Die Rohstoffmärkte beginnen gerade erst, die Auswirkungen der Sanktionen zu verdauen. Im Laufe der Zeit könnten diese Märkte jedoch ganz anders aussehen als heute, mit potenziell großen Veränderungen bei den Produktionsquellen sowie bei den Transport- und Raffineriekapazitäten. Wir werden auch auf verstärkte Investitionen in alternative Energiequellen, Energieeffizienz und neue Materialien achten, um die in Russland und der Ukraine gestrandeten Lieferungen zu ersetzen.

Beschleunigt sich die Deglobalisierung? 

Während der Pandemie drohten Unterbrechungen der Versorgungskette die jahrzehntelange Globalisierung zu demontieren, die bereits durch den zunehmenden Populismus bedroht war. Wird sich die Deglobalisierung jetzt, da Russland von vielen Märkten ausgesperrt ist, beschleunigen? Es ist zu früh, das zu sagen. Wir sollten jedoch die Exportdaten und die Indikatoren für neue Projektinvestitionen beobachten, um zu erkennen, ob die Deglobalisierung an Fahrt gewinnt.

Was passiert, wenn mehr Unternehmen ihre Produktion auf ihre Heimatmärkte zurückverlagern? Möglicherweise eine höhere Inflation, da die Unternehmen nicht unbedingt am effizientesten Standort produzieren werden. Die Rückverlagerung könnte jedoch auch zu einer Welle inländischer Investitionen und möglicherweise zu höheren Löhnen führen, die die Binnennachfrage ankurbeln könnten.

Wie können wir das geopolitische Risiko in unseren Portfolios steuern?

Von Wahlen bis hin zu Kriegen ist es naturgemäß schwierig, verlässliche Wahrscheinlichkeiten für geopolitische Entwicklungen zu bestimmen. Anleger beobachten in der Regel die politischen Trends, aber die Fundamentalanalyse von Aktien und Unternehmensanleihen konzentriert sich mehr auf die wirtschaftlichen Faktoren, die Ertrag und Risiko bestimmen. Der Krieg in der Ukraine und das Ausmaß der Sanktionen des Westens haben die Anleger daran erinnert, dass geopolitische Ereignisse mit geringer Wahrscheinlichkeit und großen Auswirkungen eintreten können – mit massiven Folgen für Unternehmen und Kapitalmärkte.

Wir müssen möglicherweise überdenken, wie wir Risikoprämien für große geopolitische Ereignisse ansetzen. In einigen Fällen könnten wir zu dem Schluss kommen, dass Risiken mit geringer Wahrscheinlichkeit zu schwer einzuschätzen sind und von Anlegern einfach ignoriert werden sollten (was bei wirklich katastrophalen Ereignissen der richtige Ansatz sein könnte). In anderen Fällen werden potenzielle Ereignisse, die zuvor als unwahrscheinlich galten, einige risikoreiche Anlagen uninvestierbar machen oder zumindest mit deutlich höheren Risikoprämien versehen.

Müssen wir ESG-Themen neu überdenken?

Die Energiekrise hat große Fragen über den globalen Vorstoß in Richtung Klimaneutralität aufgeworfen. Schon vor der Invasion waren wir der Meinung, dass die Welt einen glaubwürdigen Übergangsplan braucht, der in den nächsten zehn Jahren eine ausreichende Energieversorgung auf dem Weg zu einer mit erneuerbaren Energien betriebenen Welt gewährleistet. Diese Fragen haben sich nun weiter zugespitzt.

Engpässe bei Weizen und anderem Getreide könnten dazu führen, dass in Ländern wie Brasilien mehr produziert wird, was die Bemühungen, die Abholzung des Amazonas zu stoppen, erschwert. Wie können wir in solchen Fällen die sozialen Bedürfnisse nach erschwinglichen Lebensmitteln mit den ökologischen Bedürfnissen in Einklang bringen?

Wird der Krieg die Art und Weise ändern, wie ESG-orientierte Anleger über Rüstungsunternehmen denken? Viele ESG-orientierte Anleger haben Rüstungsunternehmen gemieden, aber wenn diese Unternehmen als entscheidend für die Sicherung von Freiheit und Demokratie in der Ukraine, ihren Nachbarländern und Europa insgesamt angesehen werden, könnte sich auch das ändern. Und sollte das Verhalten der nationalen Regierungen bei der ESG-Analyse stärker berücksichtigt werden? Wenn ja, wie? Die Auseinandersetzung mit diesen ESG-bezogenen Fragen erfordert einen durchdachten Ansatz. Wir werden Fundamentalresearch und aktives Engagement einsetzen, um alle Aspekte dieser komplexen Themen zu verstehen und zu einer ausgewogenen Sichtweise zu gelangen, die bessere ESG- und Finanzergebnisse fördert.

Im Nebel des Krieges ist es schwer, sich klar darauf zu konzentrieren, wie der Konflikt die Welt, in der wir leben und investieren, verändern wird. Aber es ist nicht zu früh für Anleger, sich mit den Themen zu befassen, die zweifellos die Art und Weise verändern werden, wie wir Länder und Unternehmen analysieren und Portfolios für die kommenden Jahre aufbauen.

Chris Hogbin ist Head of Equities bei AllianceBernstein (AB).

Scott DiMaggio und Gershon Distenfeld sind Co-Heads of Fixed Income bei AllianceBernstein (AB).

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden. 

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