„Nach einem deutlichen Rückgang im zweiten Quartal hat sich das chinesische Wirtschaftswachstum im dritten Quartal wieder erholt – der Aufschwung fiel aber bisher schwächer aus als erwartet. Zurückzuführen ist das in erster Linie auf die langsamere Erholung der privaten Nachfrage aufgrund mehrerer Erschütterungen, darunter das Wiederaufleben von Covid-19, das heiße Wetter, die Einstellungen von Hypothekenzahlungen und Stromengpässe.
Ein wesentlicher Unterschied zum Aufschwung nach Covid-19 im Jahr 2020 (als der Aufwärtstrend im Wohnungsbau mit anderen Antriebskräften synchron verlief) bestand darin, dass die Wohnungsbauinvestitionen nach dem Schock im April nicht wieder anzogen, sondern sogar noch weiter deutlich abnahmen. Auch die Erholung der privaten Investitionen im verarbeitenden Gewerbe fiel schwächer aus. Auf der anderen Seite fielen die staatlich geförderten Investitionen beispielsweise in die Infrastruktur und in hochwertige Fertigung stark aus und haben in den vergangenen Monaten nochmals angezogen. Dieses Tauziehen zwischen der immer noch schleppenden privaten und der stärkeren öffentlichen Nachfrage hat zuletzt die Wachstumsdynamik bestimmt.
Deshalb ist es im Sinne eines nachhaltigen Aufschwungs von hoher Bedeutung, dass die Regierung die private Nachfrage so weit wie möglich stützt und insbesondere die Wohnbautätigkeit stabilisiert. In der Zwischenzeit ist eine weiterhin starke fiskalische Unterstützung ebenso dringend erforderlich.
Nach der Unterstützung der Politik durch die erste Tranche der Infrastrukturfinanzierung in Höhe von 300 Milliarden Renminbi und der Beschleunigung der Ausgabe kommunaler Sonderanleihen ist für September eine weitere Tranche von mindestens 300 Milliarden Renminbi für die Infrastrukturfinanzierung vorgesehen. Dazu kommen 500 Milliarden Renminbi für kommunale Sonderanleihen, die bis Oktober ausgegeben werden sollen. Darüber hinaus wird die People's Bank of China im vierten Quartal weitere 200 Milliarden Renminbi zur Unterstützung von Investitionen in die Modernisierung von Anlagen bereitstellen.
Seit dem vierten Quartal des vergangenen Jahres hat sich der Wohnungsbau trotz der im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Erholungszyklus in den Jahren 2014 bis 2016 deutlich umfangreicheren politischen Maßnahmen nicht nennenswert belebt. Zu den wichtigsten Faktoren könnten neben dem Covid-19-Schock auch die schlechteren Erwartungen in Bezug auf Immobilienpreise sowie die Einkommens- und Beschäftigungssituation, ein weniger akkommodierendes Hypothekenangebot und ein Missverhältnis zwischen lokaler politischer Lockerung und stärkeren Restriktionen in den Städten gehören. Eine nachhaltige Stabilisierung des Wohnungsmarktes erfordert Verbesserungen bei all diesen Variablen.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Wohnungspolitik weiter gelockert wird. Die Auswirkungen auf die Stimmung im Wohnungsbau bleiben jedoch unklar. Dabei ist die Stabilisierung der Erwartungen für die Hauspreisentwicklung und den Wohnungssektor wichtig: Diese wurden durch die Verzögerungen bei der Fertigstellung von Häusern und die jüngste Aussetzung von Hypothekenzahlungen belastet. Das könnte zu einer negativen Rückkopplungsschleife führen. Daher ist die Sicherstellung des Abschlusses von Bauvorhaben – und damit die Vermeidung einer solchen Rückkopplungsschleife – derzeit eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung.“
Zhennan Li, Chief Economist for China beim Asset Manager AllianceBernstein