Der Sturm: Weltweite wirtschaftliche Abkühlung und dauerhaft hohe Inflation
Die fortlaufend steigenden Preise dämpfen Hoffnungen darauf, dass der Inflationsdruck angesichts der globalen Wachstumsverlangsamung sinken wird. Wenngleich die US-Notenbank und andere Zentralbanken kräftig an der Zinsschraube drehen, um die Inflation einzudämmen, liegen die meisten aktuellen Inflationstreiber außerhalb ihrer Kontrolle. Der Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie verursachen weiterhin Störungen in den Lieferketten für Treibstoff, Lebensmittel und Waren. Das treibt die Preise weiter nach oben und würgt die Konjunktur rund um den Globus ab.
Die dauerhaft hohe Inflation könnte die Zentralbanken zwingen, ihre Geldpolitik noch stärker zu straffen, wodurch sich das Risiko einer weltweiten Rezession weiter erhöhen würde. Aus Angst vor einer Rezession flüchten Anleger wiederum in den US-Dollar als globale Reservewährung. Andere Länder bekommen angesichts der Abwertung ihrer eigenen Währungen den starken Dollar und die höheren Zinsen schmerzhaft zu spüren. Besonders hart trifft dies Schwellenländer, die ihre Staatsanleihen häufig in US-Dollar begeben: Steigt der Dollar, erhöht sich ihre Schuldenlast.
Das Fazit: Die Turbulenzen an den Finanzmärkten werden vermutlich noch eine Weile anhalten.
Ein Silberstreif am Horizont: höhere Renditen
Das Risiko einer Rezession schürt die Marktvolatilität und kann zu kurzfristigen Liquiditätsengpässe führen. Es bieten sich in einem solchen Umfeld aber auch Chancen. Die Renditen von Investment-Grade-Unternehmensanleihen und die Spreads sind auf Mehrjahreshochs geklettert (Abbildung), und Hochzinsanleihen rentieren inzwischen mit durchschnittlich 9,5%.
Bei einer drohenden Rezession schrecken Anleger in der Regel vor Investitionen in Unternehmensanleihen zurück. Die Fundamentaldaten von Anleihen verschlechtern sich meist schon vor einer Konjunkturabkühlung. Die Emittenten geraten somit in eine Spirale von Herabstufungen und Ausfällen, wenn sich Wachstum und Nachfrage weiter verlangsamen. Dieses Mal ist es jedoch anders.
Die Emittenten von heute sind finanziell wesentlich besser aufgestellt als Emittenten in früheren Rezessionsphasen. Der Markt für Unternehmensanleihen durchlief erst vor zwei Jahren, als die Pandemie ausbrach, einen Ausfallzyklus. Überstanden haben ihn besonders starke Unternehmen. Sie haben ihre Bilanzen und ihre Liquidität in den vergangenen zwei Jahren sehr konservativ gemanagt, sogar als sich die Gewinne bereits erholten. Die Zahlungsausfälle und Herabstufungen dürften im nächsten Jahr daher aus unserer Sicht nur auf durchschnittliche Niveaus steigen.
Die aktuell höheren Renditen signalisieren höhere potenzielle Erträge in der Zukunft. Die Yield-to-Worst (Rendite im schlechtesten Fall) im High-Yield-Sektor ist beispielsweise ein zuverlässiger Indikator für die Erträge von Hochzinsanleihen in den nächsten fünf Jahren (Abbildung).
Während der globalen Finanzkrise, einer der schwersten Krisen für die Wirtschaft und die Märkte in der Geschichte, haben sich die Hochzinsanleihen tatsächlich vorhersehbar entwickelt. Während dieses Zeitraums blieb das Verhältnis zwischen Anfangsrendite und künftigen Fünfjahreserträgen konstant, was wesentlich den regelmäßigen Erträgen von Anleihen zu verdanken war.
Strategien für das aktuelle Umfeld
Hier erfahren Sie, wie aktive Anleger die Herausforderungen im aktuellen Umfeld meistern können.
Seien Sie flexibel. Wir rechnen mit einer anhaltend hohen Volatilität und knappen Liquidität. Aktive Manager sollten sich bereithalten, um von schnellen Bewertungsveränderungen und sich kurzfristig bietenden Chancen zu profitieren, während andere Anleger auf Schlagzeilen reagieren.
Sichern Sie sich (gegen die Inflation) ab. Da die Inflation voraussichtlich noch einige Zeit hoch bleiben wird, bevor sie wieder auf das Zielniveau sinkt, können Instrumente wie inflationsgeschützte Staatsanleihen und Consumer Price Index (CPI) Swaps, die einen expliziten Inflationsschutz bieten, eine wichtige Rolle in Portfolios spielen.
Setzen Sie auf höherverzinsliche Anleihen. Die Renditen von Risikoanlagen sind heute viel höher als noch vor einigen Jahren – eine Gelegenheit, auf die Anleger lange gewartet haben. „Spread-Sektoren“ wie Investment-Grade-Unternehmensanleihen, hochverzinsliche Unternehmensanleihen und verbriefte Wertpapiere, einschließlich durch Gewerbeimmobilien besicherter Wertpapiere (Commercial Mortgage-Backed Securities) und Kreditrisikotransferpapieren (Credit Risk-Transfer Securities), können dank der hohen Erträge ebenfalls als Puffer gegen die Inflation dienen.
Wählen Sie einen ausgewogenen Ansatz. Globale Multisektorstrategien sind optimal für ein sich schnell änderndes Anlageumfeld geeignet, da die Anleger die Bedingungen und Bewertungen genau beobachten und sich darauf vorbereiten können, das Portfolio umzustrukturieren, wenn die Bedingungen dies rechtfertigen. Zu den effektivsten aktiven Strategien gehören solche, die Staatsanleihen und andere zinssensitive Vermögenswerte mit wachstumsorientierten Kredittiteln in einem einzigen, dynamisch verwalteten Portfolio kombinieren.
Dank diesem Ansatz ist es für Manager einfacher, die Wechselwirkungen zwischen Zinssätzen und Kreditrisiken in den Griff zu bekommen und bessere Entscheidungen darüber zu treffen, welche Gewichtung jeweils verstärkt werden sollte. Die Möglichkeit, negativ korrelierte Vermögenswerte umzuschichten, trägt zur Generierung von Erträgen und potenziellen Renditen bei und begrenzt gleichzeitig das Ausmaß der Drawdowns, wenn Risikoanlagen abgestoßen werden.
Wir empfehlen den Anlegern am Anleihemarkt vorerst eine langfristige Perspektive. Bei einem längeren Horizont können Anleger eine Überreaktion auf die aktuellen Schlagzeilen vermeiden – selbst wenn sie taktische Anpassungen vornehmen, um Chancen zu nutzen, die sich dadurch ergeben, dass andere Anleger übertrieben korrigieren.
Scott DiMaggio, CFA, Co-Head Fixed Income; Director Global Fixed Income & Gershon M. Distenfeld CFA, Co-Head Fixed Income; Director Credit, Alliance Bernstein