Andere Zentralbanken haben ähnliche Schritte unternommen, wobei einige von ihnen das Tempo der Zinserhöhungen bereits verlangsamt haben, obwohl die Inflation immer noch sehr hoch ist. Warum? Das Vorgehen der Fed zur Inflationsbekämpfung liefert die Antwort – und es läuft in drei Phasen ab.
Phase eins: Den Leitzins schnell erhöhen
Die Zentralbanken überlegen zunächst, wie sie ihre Politik in Bezug auf den „neutralen“ Zinssatz festlegen. Alles, was unter dem „neutralen“ Zinssatz liegt, wird Wachstum und Inflation ankurbeln. Die Fed schätzt den „neutralen“ Zinssatz derzeit auf 2,5 % bis 3,0 %; da die Inflation zu Beginn des Jahres sprunghaft anstieg, waren die Leitzinsen unterhalb dieses Niveaus offensichtlich die falsche Einstellung. Je länger der Zinssatz auf diesem Niveau verharrte, desto wahrscheinlicher wurde eine Beschleunigung der Inflation und ein Anstieg der Erwartungen. Um das Problem zu lösen, schalteten die Fed und fast alle anderen Zentralbanken mit massiven Zinserhöhungen in den Notfallmodus.
Mit Leitzinsen, die nun deutlich über dem „neutralen“ Niveau liegen, ist die erste Phase des Straffungsprozesses abgeschlossen – und offenbar erfolgreich. Die Fed hat gezeigt, dass es ihr mit der Inflationsbekämpfung ernst ist, selbst wenn das zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führt. Die Inflationserwartungen sind nicht nur fest verankert geblieben, sondern sogar gesunken (Abbildung). Die Inflation ist immer noch sehr hoch, aber die Glaubwürdigkeit der Fed ist intakt – das ist entscheidend für ihre Fähigkeit, die Wirtschaft in Zukunft zu steuern.
Phase zwei: Fortgesetzte – aber langsamere – Zinserhöhungen
Da die Glaubwürdigkeit der Fed intakt ist, kann sie in eine neue Phase eintreten: weitere Zinserhöhungen, aber in einem langsameren Tempo. Der Leitzins liegt über dem „neutralen“ Wert, was ein guter Grund für eine Verlangsamung ist, und die stabilen Inflationserwartungen ermöglichen die Verlangsamung.
Die Geldpolitik arbeitet mit zeitlicher Verzögerung: Die heutigen Zinserhöhungen werden die Inflation morgen nicht verändern, sondern erst in neun bis zwölf Monaten. Die erste Zinserhöhung liegt erst acht Monate zurück, sodass die Fed erst einmal abwarten muss, wie sich die Gemengelage durch diese Maßnahmen verändert, bevor sie entscheidet, wie weit sie noch gehen will. Ohne diese Rückmeldung besteht die Gefahr, dass sie zu weit geht und eine unnötig schwere Rezession auslöst und nicht die mildere, von der wir glauben, dass sie ausreicht, um die Inflation mit der Zeit zu senken. Ein langsameres Vorgehen gegen Ende des Zyklus bedeutet, dass die Gefahr einer Übertreibung geringer ist.
Der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC) hat letzte Woche deutlich gemacht, dass er in diese zweite Phase übergeht, und darauf hingewiesen, dass er neben der Beobachtung der eingehenden Daten „die kumulative Straffung der Geldpolitik [und] die Verzögerungen, mit denen sich die Geldpolitik auf die Wirtschaftstätigkeit und die Inflation auswirkt, berücksichtigen wird“.
Diese Formulierung ist neu, und wir deuten sie als klaren Hinweis darauf, dass als Nächstes eine kleinere Zinserhöhung anstehen könnte. Wir prognostizieren eine Anhebung um 50 Basispunkte im Dezember, gefolgt von jeweils 25 Basispunkten in den ersten beiden Sitzungen des Jahres 2023, was eine Anhebung des Leitzinses auf 4,75 % bis 5,00 % bedeuten würde. Dieser Weg steht im Einklang mit unserer Erwartung, dass sich die Inflation bald abschwächen wird, doch sollten wir uns irren, halten wir es für wahrscheinlicher, dass höhere Inflationszahlen den Zinserhöhungszyklus eher in die Länge ziehen werden als ihn zu beschleunigen.
Andere Zentralbanken haben sich bereits auf diesen Weg begeben. Die Bank of Canada ging auf ihrer letzten Sitzung von 75 auf 50 Basispunkte zurück, und sowohl die Reserve Bank of Australia als auch die Norges Bank haben ihr Tempo bereits auf 25 Basispunkte pro Sitzung gesenkt. Wir gehen davon aus, dass andere Zentralbanken nachziehen werden, sobald die Fed ihr Tempo verlangsamt.
Phase drei: Länger restriktive Geldpolitik
Die Inflation startet von einem hohen Niveau aus, sodass es, selbst wenn sie sich wie erwartet abschwächt, noch sehr lange dauern wird, bis sie sich dem Zwei-Prozent-Ziel nähert. Daher gehen wir davon aus, dass die letzte Phase dieses Straffungszyklus eine längere Periode restriktiver Politik sein wird: Die Fed wird eine Pause einlegen, aber sie wird nicht so bald umschwenken. Selbst wenn die US-Wirtschaft in eine Rezession abrutscht, glauben wir nicht, dass die Fed es eilig haben wird, die Zinsen zu senken, und wir gehen davon aus, dass der Leitzins noch viele Monate, wenn nicht sogar Quartale, weit über dem „neutralen“ Wert liegen wird.
Das ist ein Unterschied zu den vergangenen Zyklen, in denen die Fed schnell auf ein langsameres Wachstum reagierte. Diesmal deutet jedoch das Ausmaß des Inflationsanstiegs auf einen anderen Weg hin. Eine moderatere Inflation wird ausreichen, um die Zinserhöhungen zu verlangsamen und schließlich zu stoppen, aber die Fed wird erst dann zu Zinssenkungen bereit sein, wenn die Inflation fast auf 2 % gesunken ist. Nur eine wesentlich schlechtere Konjunkturentwicklung und ein viel stärker als erwartet ausfallender Inflationsrückgang würden die Fed in den nächsten Quartalen zu Zinssenkungen veranlassen.
Im Großen und Ganzen könnten die Märkte von einer Verlangsamung der Zinserhöhungen profitieren, doch sollten die Anleger bedenken, dass dies nur das Ende der ersten Phase bedeutet. Bis zum Ende dieses Zyklus ist es noch ein weiter Weg.
Eric Winograd, Director—Developed Market Economic Research, AllianceBernstein