Die Volatilität an den US-Börsen hält an, selbst nach den jüngsten Hoffnungsschimmern. Trotz der jüngsten Kursgewinne ist der S&P 500 in diesem Jahr per 15. November um 15,1 % gesunken. Außerhalb des Energiesektors gab es nur wenige Zufluchtsorte, wenngleich der starke US-Dollar den Schmerz für Euro-basierte Anleger milderte.
Weichenstellung für eine solidere Erholung
Gravierende Kurseinbrüche an der Börse sind immer beunruhigend. Aber sie bilden oft die Grundlage für eine solidere Erholung. Marktabschwünge werden daher gemeinhin als „Korrekturen“ bezeichnet. Die Aktienwerte werden neu bewertet, um die langfristigen Gewinnerwartungen eines Unternehmens besser widerzuspiegeln. Dieser Prozess kann unberechenbar sein, insbesondere wenn die Aktienkurse in Teilen des Marktes unangemessen hoch und die Gewinnaussichten extrem unsicher sind. Beide Bedingungen waren in diesem Jahr gegeben.
Doch was nach einem Kurssturz geschieht, ist ermutigend. Nach starken Einbrüchen an den US-Börsen seit 1950 erholten sich die Aktien in der Regel rasch wieder. Nach dem Tiefpunkt von acht US-Marktabschwüngen von mehr als 20 % erzielten Aktien nach einem Jahr im Durchschnitt einen Ertrag von 51,1 % und nach drei Jahren einen Ertrag von 82 % (Abbildung). Fünf und zehn Jahre später konnten sich die Anleger ebenfalls über stattliche Gewinne freuen.
Skeptiker könnten einwenden, dass die Bedingungen heute außerordentlich schlecht sind. Zwar stimmen wir zu, dass es viel Unsicherheit gibt, aber schlechte Bedingungen sind die Ursache für Korrekturen, und die zugrunde liegenden Umstände variieren. Derzeit stellen die Inflation und ihre Folgewirkungen eine konjunkturelle Belastung dar. Höhere Energiepreise, steigende globale Zinsen und die Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken seit etwa zwei Jahren wirken sich mit Verzögerung auf die Wirtschaftstätigkeit aus. Es wäre töricht zu sagen, dass die Luft rein ist.
Nicht der erste massive Marktschock
Doch schauen wir uns die oben genannten Episoden einmal genauer an. Das Platzen der Dotcom-Blase in den Jahren 2000 bis 2002 und die globale Finanzkrise in den Jahren 2007 bis 2009 zum Beispiel haben die Märkte und Volkswirtschaften massiv erschüttert. Dennoch wurden Anleger, die ein angemessenes Aktienengagement in ihren Portfolios beibehielten, letztlich belohnt. Es gibt immer noch viele gute Gründe, in Aktien investiert zu bleiben.
Allerdings ist der Angstfaktor immer präsent. Deshalb haben wir uns die Wertentwicklung von Aktien nach Momenten des extremen Pessimismus angesehen, gemessen am Verbraucherstimmungsindex der Universität Michigan. Auch hier gilt: Wenn die Verbraucherstimmung auf einen Tiefpunkt fiel, entwickelten sich die Aktien danach gut. Im November 2008 wurden die Verbraucher durch den Zusammenbruch der Aktienmärkte, die US-Hypothekenkrise und den Zusammenbruch großer Finanzinstitute verunsichert. Dennoch wäre es eine schlechte Entscheidung gewesen, sich aus US-Aktien zurückzuziehen. Der S&P 500 stieg im folgenden Jahr um 25 % und in den folgenden drei Jahren um 49 % (Abbildung). Heute liegt der Verbraucherstimmungsindex bei 59 – und damit noch unter dem durchschnittlichen Tiefstand früherer Krisen.
Tatsächlich erwiesen sich Momente extremen Pessimismus oft als günstige Einstiegspunkte für Anleger mit längerem Zeithorizont. Ausgehend von unserer Analyse des Verhältnisses zwischen den US-Aktienmultiplikatoren und den Zinsen könnten sich die Bewertungen aktuell einem Tiefpunkt nähern. Und während wir mehr Klarheit darüber gewinnen, wie sich die Gewinne inmitten der eskalierenden wirtschaftlichen Spannungen entwickeln, können Portfoliomanager Unternehmen mit höherem Erholungspotenzial identifizieren. Unserer Ansicht nach lassen sich an den US-Börsen – und nicht nur dort – unabhängig von der Marktkapitalisierung oder dem Anlagestil derzeit Bereiche mit relativem Wert finden, insbesondere bei Qualitätsunternehmen.
Die Furchtsamkeit überwinden
Wer eine gut durchdachte Anlagestrategie zum falschen Zeitpunkt verwirft, kann am Ende schlechter dastehen. Eine Verringerung der Aktienquote zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet, dass man Verluste festschreibt und das Erholungspotenzial einbüßt. Und da es fast unmöglich ist, Wendepunkte am Markt abzupassen, halten wir die Beibehaltung einer strategischen Allokation in Aktien für unerlässlich. Unsere Untersuchungen zeigen, dass es für die langfristigen Erträge sehr kostspielig sein kann, wenn man auch nur wenige der besten Tage einer Erholung verpasst.
In Zeiten wie diesen ist es nicht einfach, die Mentalität von Angst auf Hoffnung umzustellen. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass aktive Anlageansätze, die darauf abzielen, anfällige Unternehmen zu meiden und solche mit beständigen Geschäftsmodellen zu finden, den Anlegern helfen können, sich mit einer Aktienallokation heute wohler zu fühlen. Mit einer klaren Strategie, die den Schwerpunkt auf Qualitätsaktien legt, können Anleger das Vertrauen gewinnen, dass eine Aktienallokation für ihre individuelle Risikobereitschaft angemessen ist – und sie in die Lage versetzen, in besseren Zeiten Ertragspotenzial zu nutzen.
In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.
Robert Milano, Senior Investment Strategist and Head-EMEA Equity Business Development, AllianceBernstein