Solide Fundamentaldaten
Europäische Unternehmen sind im Grunde genommen in guter finanzieller Verfassung. Sie haben sich von der COVID-Krise erholt, ihren Verschuldungsgrad reduziert und ihre Margen wieder verbessert (Abbildung unten). Zum jetzigen Zeitpunkt scheinen also sowohl ihre Bilanzen als auch ihre Preisgestaltungsmöglichkeiten robust zu sein.
Das Verhältnis von Barmitteln zu Schulden ist derzeit hoch – ein weiterer Indikator dafür, dass die europäischen Unternehmen auf eine weitere schwierige Zeit vorbereitet sind. Sollte Europas Wirtschaft in eine Rezession geraten, was wahrscheinlich ist, erwarten wir natürlich eine Abschwächung dieser Kennzahlen, aber der Ausgangspunkt ist sicherlich gut. Zudem ist die Emission von Euro-Anleihen stark zurückgegangen, sodass sich Angebot und Nachfrage die Waage halten.
Bewertungen sind attraktiv
Die Euro-Zinsen werden steigen, und die Risikoprämien (Spreads) könnten sich bis 2023 weiter ausweiten. Wir glauben jedoch nicht, dass Europa erneut vor einer Situation wie bei der globalen Finanzkrise steht. Stattdessen erwarten wir eine leichte Rezession mit einem Zinsplateau gegen Jahresende. Für Aktienanleger mag dieses Szenario eine Herausforderung darstellen, doch für Anleihenbesitzer, die sich eher auf die Kapitalerträge als auf das Gewinnwachstum konzentrieren, ist es unserer Meinung nach eher günstig.
Die Märkte – und auch wir – gehen davon aus, dass der endgültige Zins der Europäischen Zentralbank (EZB) bei etwa 3% liegen wird. Vor diesem Hintergrund relativ stabiler Zinsen bieten Euro-Investment-Grade- und Hochzinsanleihen nicht nur attraktive Spreads, sondern auch absolute Renditen von über 3% respektive 7%. Wir glauben, dass Unternehmensanleihen in diesem Umfeld eine gute Wertentwicklung aufweisen könnten.
Potenzial für Euro-Anleger
Auf währungsgesicherter Basis sind diese Renditen für Euro-Anleger deutlich höher als für vergleichbare US-Anleihen. Und obwohl der genaue Wendepunkt schwer vorherzusagen ist, bieten sie einen erheblichen Puffer gegen mögliche Zinserhöhungen und Spread-Ausweitungen (Abbildung links). In der Vergangenheit haben sich Kredite in Krisenzeiten schnell wieder erholt, und Anleger, die sich bei hohen Renditen mit Anleihen eindeckten, profitierten davon. Im Gegensatz dazu riskierten diejenigen, die an der Seitenlinie blieben und versuchten, ihren Einstiegszeitpunkt abzupassen, die besten Wertentwicklungen zu verpassen (Abbildung rechts).
Die Anfangsrendite ist oft ein guter Indikator für künftige Erträge
Anleger in Euro-Unternehmensanleihen sehen einem potenziell volatilen Jahr 2023 entgegen und werden wahrscheinlich nicht vor Ende nächsten Jahres niedrigere Zinsen oder anhaltend engere Spreads erleben. Diese Anleihen erwirtschaften jedoch bereits attraktive Erträge – und in der Regel halten solche Phasen hoher Renditeniveaus nicht sehr lange an.
Unserer Ansicht nach könnten höhere Renditen heute zu attraktiven risikobereinigten Erträgen sowohl bei Investment-Grade- als auch bei Hochzinsanleihen über einen Zeithorizont von fünf Jahren führen. Das liegt daran, dass in der Vergangenheit die Anfangsrenditen mit den zukünftigen Erträgen über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren korreliert haben. Natürlich könnten sich die Marktbedingungen verschlechtern, und die Renditen könnten von hier aus steigen und einen besseren Einstiegspunkt bieten. Die Anleger müssen jedoch die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios gegen das Risiko abwägen, Erträge zu verpassen, die auf Jahresbasis mit den aktuellen Renditen vergleichbar sind.
Von Vivek Bommi, CFA, Head - European Fixed Income und Director - European and Global Credit bei AllianceBernstein