Der 22. Mai ist der internationale Tag der Biodiversität. Dieses Thema ist aktueller denn je, denn vor allem die Wasserknappheit bedroht weltweit die Artenvielfalt, die genetische Vielfalt und die Vielfalt unserer Ökosysteme. Kaum ein Ökosystem leidet mehr unter dem Einfluss der Menschen und des Klimawandels als die Gewässer.
Knapper werdende Wasserreserven und schwindende Biodiversität gefährden auch unseren Wohlstand beziehungsweise das erfolgreiche Streben danach: In Schwellenländern ist die Wasserknappheit ein allgegenwärtiges Thema. In Somalia führte eine regionale Dürre im vergangenen Jahr nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation zu schätzungsweise 43.000 Todesfällen. In Asien leben etwa 1 Milliarde Menschen in Gebieten mit großer Wasserknappheit und einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2 Billionen US-Dollar.
In den USA ist der Pegel des Colorado River drastisch gesunken, was die Wasserversorgung von Millionen von Menschen bedroht. In Europa hat ein trockener Sommer, gefolgt von einer winterlichen Dürre, die Seen und Flüsse entleert. Niedrige Wasserstände drosselten zum Beispiel die französische Atomstromproduktion, die für 70 Prozent der Elektrizität des Landes verantwortlich ist. Auch die norwegische Wasserkraftproduktion, die für 90 Prozent der Elektrizität des Landes verantwortlich ist, war durch Wasserknappheit beeinträchtigt.
Investitionsstau: Seit Jahrzehnten fließt zu wenig Geld in Wasserinfrastruktur
Seit Jahrzehnten wird weltweit zu wenig in die Wasserinfrastruktur investiert, was zusätzlich zu Wasserknappheit und Qualitätsproblemen beiträgt. In vielen Industrieländern sind die Rohrleitungssysteme veraltet und marode, während es in Schwellenländern an Transport- und Aufbereitungssystemen fehlt. Um diese Missstände auszubessern, werden in den kommenden Jahren die Investitionen in Wasserlösungen erheblich zunehmen. Dazu wird eine Kombination aus staatlichen Programmen, erhöhten privaten Kapitalinvestitionen und neuen innovativen technologischen Lösungen beitragen. Die US-Regierung hat beispielsweise im Rahmen des „Infrastructure Investment and Jobs Act“ von 2021 80 Milliarden US-Dollar, im „Inflation Reduction Act“ 20 Milliarden US-Dollar und im „CHIPS and Science Act“ zusätzliche Mittel für Wasseraufbereitung und Recycling bereitgestellt. Wasserlösungen sind erforderlich, um sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsprobleme zu lösen. Auf der Nachfrageseite können Wasserverbrauchsmessung, effiziente Bewässerungssysteme und Technologien für die Präzisionslandwirtschaft eine effizientere Nutzung des vorhandenen Wassers ermöglichen. Auf der Angebotsseite können Abwasseraufbereitung, Lecksuche und Entsalzung die Verfügbarkeit von sauberem Wasser erhöhen.
Insgesamt können höhere staatliche Unterstützungen dazu beitragen, die bisher relativ geringen Ausgaben für die Verfolgung des UN-Ziels für nachhaltige Entwicklung (SDG) 6 zu senken (siehe Abbildung). Philanthropie und staatliche Ausgaben sind zwar wichtig für die Erreichung der SDGs, doch auch der Privatsektor – und Anleger – müssen eine führende Rolle spielen.
Wachstumspotenzial ist groß
Neue Technologien können helfen, Wettbewerbsvorteile zu sichern. Die Produkte müssen jedoch zuverlässig sein, denn Trinkwasser, Abwasseraufbereitung und Wasser für die Landwirtschaft sind kritische Dienstleistungen, bei denen die Produktsicherheit an erster Stelle steht.
Aktienanleger werden feststellen, dass Wasserlösungen attraktive Wachstumschancen in einem Bereich bieten, der möglicherweise von profilierteren, auf das Klima ausgerichteten Unternehmen überschattet wird. Aber so wie die Hausinstallation für das moderne Leben unverzichtbar ist, so sind auch Unternehmen, die dazu beitragen, dass das Wasser weiterhin zuverlässig aus den Hähnen fließt, ein wesentlicher Faktor für eine nachhaltigere Zukunft. Anleger, die innovative Anbieter von Wasserlösungen finden, werden in der Lage sein, langfristiges Wachstumspotenzial zu nutzen, das wirtschaftlichen Schwächen standhalten sollte, während sie gleichzeitig ein grundlegendes Problem angehen, mit dem die Menschheit in Industrie- und Schwellenländern gleichermaßen konfrontiert ist.
Von David Wheeler, CFA – Portfolio Manager Sustainable Climate Solutions; Senior Research Analyst –Sustainable Thematic Equities & Daniel C. Roarty, CFA – Chief Investment Officer – Sustainable Thematic Equities, AllianceBernstein