Zaghafte Erhöhungen? Oder eine Pause der „Falken“? Anleihenanleger haben Schwierigkeiten, sich in der heutigen Wirtschaftslage zurechtzufinden, und viele zögern noch immer, weniger als ein Jahr nach den schlechtesten Erträgen aller Zeiten, auf den Anleihenmarkt zurückzukehren. Die jüngste Volatilität hat die Anleger nur noch mehr verunsichert. Warum also sind diese Bedingungen unserer Meinung nach ein guter Einstiegspunkt?
Zinsen bleiben länger höher, nicht für immer
Die Zentralbanken standen im September im Rampenlicht: Die Europäische Zentralbank hob die Zinsen zum wahrscheinlich letzten Mal in diesem Zyklus an, die Bank of England blieb nach 14 Erhöhungen in Folge erstmals wieder untätig, und die Federal Reserve pausierte, während sie gleichzeitig zwei für 2024 geplante Zinssenkungen aus ihrem viel beachteten „Dot Plot“ strich.
Trotz eindeutiger Anzeichen dafür, dass die Zentralbanken ihre Zinserhöhungszyklen wahrscheinlich abgeschlossen oder fast abgeschlossen haben, sind die Renditen weltweit weiter gestiegen und befinden sich nun auf zyklischen Höchstständen. Wir sind der Meinung, dass diese Entwicklung zum Teil auf markttechnische Faktoren, wie zum Beispiel das zunehmende Angebot an Staatsanleihen, und zum Teil auf die geldpolitischen Leitlinien zurückzuführen ist. Daher könnte es noch einige Zeit dauern, bis die Zentralbanken ihre Maßnahmen umkehren und mit der Lockerung beginnen. Folglich werden die Leitzinsen – und die Anleihenrenditen – wahrscheinlich noch länger höher bleiben.
Länger höher bedeutet aber nicht für immer höher. Unserer Ansicht nach werden die Renditen im Zuge der Verlangsamung der Konjunktur nach unten tendieren. Jede Kombination von Faktoren wie die anhaltende Verlangsamung der Inflation, die Verlangsamung des Arbeitsmarktes oder ein anhaltender US-Autostreik könnte die Konjunktur zum Erliegen bringen, die Renditen senken und die Anleihenkurse in die Höhe treiben. Bis dahin sind hohe Renditen gut für die Anleger, denn auf lange Sicht wird der größte Teil des Ertrages einer Anleihe durch ihre Rendite erzielt.
Kreditbedingungen lassen vorsichtigen Optimismus zu
Natürlich dürften auch anhaltend höhere Zinsen letztlich zu einer Wende im Kreditzyklus führen. Die Zinserhöhungen belasten bereits die Aktivität in vielen Sektoren. Die privaten Haushalte haben ihre während der Pandemie angesammelten Ersparnisse fast aufgebraucht. Die Verschuldung nimmt schleichend zu. Und die Zinsabdeckung – das Verhältnis zwischen dem EBITDA eines Unternehmens und seinen gesamten Zinszahlungen – beginnt zu sinken.
Da die Fundamentaldaten der Unternehmen jedoch von einer historisch starken Position aus starteten (Abbildung), rechnen wir nicht mit einem Tsunami von Zahlungsausfällen und Herabstufungen von Unternehmen. Wir sind sogar der Meinung, dass sowohl Staatsanleihen als auch bonitätssensible Sektoren heute in den Portfolios eine Rolle spielen sollten.
Zaghafte Erhöhungen? Oder eine Pause der „Falken“? Anleihenanleger haben Schwierigkeiten, sich in der heutigen Wirtschaftslage zurechtzufinden, und viele zögern noch immer, weniger als ein Jahr nach den schlechtesten Erträgen aller Zeiten, auf den Anleihenmarkt zurückzukehren. Die jüngste Volatilität hat die Anleger nur noch mehr verunsichert. Warum also sind diese Bedingungen unserer Meinung nach ein guter Einstiegspunkt?
Strategien für das aktuelle Umfeld
Unserer Ansicht nach können Anleihenanleger im heutigen Umfeld erfolgreich sein, wenn sie eine ausgewogene Vorgehensweise wählen und diese Strategien anwenden:
1. Investieren Sie. Wir haben in letzter Zeit beobachtet, dass viele Anleger, obwohl sie davon ausgehen, dass die Renditen im nächsten Jahr unverändert bleiben oder sinken werden, Anleihen untergewichten und sich nur unzureichend in Durationen und Bonität engagieren, dafür aber stark der Volatilität des Aktienmarktes ausgesetzt sind. Wir halten das für ein gefährliches Spiel. Die Chancen, Ihre Anlageziele über einen vernünftigen Zeitraum zu erreichen, sind viel schlechter, wenn Sie nicht voll investiert sind.
Wenn Sie statt in Anleihen immer noch in Bargeld oder Bargeldäquivalenten geparkt sind, entgehen Ihnen die täglichen Erträge, die höher verzinsliche Anleihen einbringen. In der Tat sind die Gesamteinkommen so hoch wie seit 16 Jahren nicht mehr. Am 27. September bot der globale Markt für hochverzinsliche Anleihen beispielsweise eine durchschnittliche Rendite von 9,4%, verglichen mit 5,6% für dreimonatige US-Schatzbriefe. Denken Sie daran, dass die Erträge von Anleihen langfristig hauptsächlich aus den Ausschüttungen resultieren.
Hinzu kommt, dass sich die Märkte schnell bewegen, was ein Markt-Timing nahezu unmöglich macht. Sobald sich das Blatt wendet, strömen die auf der Strecke gebliebenen Barmittel zurück auf den Markt und treiben die Renditen rasch nach unten und die Kurse nach oben.
Unserer Meinung nach ist es sinnvoller, in diesem Umfeld frühzeitig einzusteigen – sich hohe Anfangsrenditen zu sichern und eine gewisse kurzfristige Volatilität in Kauf zu nehmen, während die Märkte auf Wirtschaftsmeldungen reagieren –, als das Risiko einzugehen, zu spät einzusteigen.
2. Verlängern Sie die Duration. Wenn die Duration Ihres Portfolios, also die Zinsempfindlichkeit, in Richtung des ultrakurzen Endes tendiert, sollten Sie eine Verlängerung der Duration Ihres Portfolios in Betracht ziehen. Wenn die Inflation zurückgeht, die Konjunktur sich verlangsamt und die Zinsen sinken, wirkt sich die Duration tendenziell positiv auf die Portfolios aus. Dann sollten Sie taktisch vorgehen und das durchschnittliche Zinsengagement des Portfolios leicht reduzieren, wenn die Zinsen sinken, und es leicht erhöhen, wenn die Renditen steigen. Staatsanleihen, die einfachste Quelle für Duration, bieten zudem reichlich Liquidität und helfen, die Volatilität der Aktienmärkte auszugleichen.
3. Auch Bonitätsrisiken eingehen. Die Renditen von Risikoanlagen sind heute so hoch wie seit Jahren nicht mehr, was einkommensorientierten Anlegern eine lang erwartete Chance bietet, ihre Speicher aufzufüllen. „Spread-Sektoren“ wie Investment-Grade-Unternehmensanleihen, hochverzinsliche Unternehmensanleihen und verbriefte Vermögenswerte – einschließlich Credit-Risk-Transfer-Securities – können auch als Puffer gegen Inflation dienen, indem sie einen größeren aktuellen Einkommensstrom bieten.
Anleger sollten jedoch wählerisch sein und auf die Liquidität achten. Unternehmensanleihen mit CCC-Rating (insbesondere in zyklischen Branchen), Staatsanleihen von Schwellenländern mit niedrigerem Rating und verbriefte Schuldtitel mit niedrigerem Rating sind bei einem Konjunkturrückgang am anfälligsten. Umgekehrt bieten hochverzinsliche Anleihen mit kurzer Laufzeit dank einer inversen Zinskurve höhere Renditen und ein geringeres Ausfallrisiko als längere Anleihen. Die sorgfältige Auswahl von Wertpapieren bleibt entscheidend.
4. Achten Sie auf Balance. In der Spätphase eines Kreditzyklus kann es sinnvoll sein, das richtige Gleichgewicht zwischen Zins- und Bonitätsrisiken zu finden. Zu den effektivsten Strategien gehören solche, die Staatsanleihen und andere zinsempfindliche Anlagen mit wachstumsorientierten Anleihen in einem einzigen, dynamisch verwalteten Portfolio kombinieren. Dieser Ansatz kann Managern helfen, das Zusammenspiel der Risiken in den Griff zu bekommen und besser zu entscheiden, in welche Richtung sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt orientieren sollten.
Korrelierte Kursverluste bei Staatsanleihen und Unternehmensanleihen waren in den letzten 30 Jahren außerordentlich selten. Doch selbst wenn die beiden Arten von Vermögenswerten gleichzeitig fallen, kann eine zweipolige Strategie helfen, den Schaden zu minimieren. Diejenigen, die zins- und bonitätssensible Vermögenswerte in separaten Portfolios halten, könnten in solchen Situationen versucht sein, beides zu verkaufen und die Verluste somit festzuschreiben.
5. Erwägen Sie einen aktiven systematischen Ansatz. Das heutige Umfeld höherer Zinsen und schwieriger Konjunkturbedingungen bietet auch mehr Chancen in Form höherer potenzieller realer Erträge und einer aktiven Auswahl von Anleihen. Wir sind davon überzeugt, dass systematische Ansätze für festverzinsliche Anlagen, die in hohem Maße anpassungsfähig sind, Anlegern helfen können, diese Chancen zu nutzen. Da systematische Ansätze von verschiedenen Wertentwicklungsfaktoren abhängen, werden sich ihre Erträge wahrscheinlich von denen traditioneller aktiver Strategien unterscheiden – und diese ergänzen.
Genießen Sie die Aussicht von höheren (Rendite-)Lagen
Aktive Anleger sollten wendig bleiben und sich darauf vorbereiten, schnell wechselnde Bewertungen und flüchtige Zeitfenster für Chancen im weiteren Jahresverlauf zu nutzen. Vor allem aber sollten sich Anleger von der Auswechselbank bewegen und voll in die Anleihenmärkte einsteigen, um von den heutigen hohen Renditen und potenziellen Erträgen zu profitieren. Schließlich ist die Aussicht hier oben kaum zu überbieten.
Von Scott DiMaggio, CFA Co-Head—Fixed Income; Director—Global Fixed Income & Gershon M. Distenfeld, CFA Co-Head—Fixed Income; Director—Credit, AllianceBernstein