Die Fed hat bei Ihrer gestrigen Sitzung die Leitzinsen wie erwartet unverändert bei 5,25 bis 5,50 Prozent belassen. Obwohl die US-Währungshüter die Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen offenhalten, ist die Botschaft klar: Der Zyklus der Zinserhöhungen ist vorbei – es sei denn, es gibt signifikante unerwartete Ereignisse. Die Wahrscheinlichkeit einer Senkung in den kommenden Monaten ist größer als die einer Erhöhung. Der Weg, den die Fed aufzeigt, spiegelt die Erwartung von zwei bis drei Zinssenkungen im nächsten Jahr wider – das liegt am oberen Ende der Markterwartungen. Fed-Chef Jerome Powell räumte ein, dass das FOMC beginnt, darüber zu diskutieren, unter welchen Bedingungen Zinssenkungen möglich sind. Das macht die Gesamtbotschaft des heutigen Treffens akkommodierender als erwartet.
Erste Zinssenkungen Mitte 2024
Die Prognose der Fed für 2024 zeigt, dass sie mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent von einem eher moderatem Wachstum ausgeht. Daher kommt das Gremium zu dem Ergebnis, dass es nicht notwendig sein wird, die Geldpolitik aggressiv zu lockern, um die Wirtschaft zu stützen. Stattdessen betrachten sie den kommenden Lockerungszyklus als Teil einer Normalisierung. In Übereinstimmung damit zeigt der Fahrplan der Fed zwei bis drei Zinssenkungen im Jahr 2024, gefolgt von vier weiteren in 2025. Im Wesentlichen glaubt das Gremium, dass es Mitte nächsten Jahres mit der Lockerung beginnen wird und etwa einmal pro Quartal durch 2025 und bis 2026 Senkungen in Höhe von 25 Basispunkten anstreben wird. Die Geldpolitik wird damit langfristig ihr neutrales Niveau erreichen. Was die Fed beschreibt, ist ein glatter Weg hin zum Gleichgewicht; die Art von Pfad, die Zentralbanken zwar immer anstreben, aber selten erreichen.
Die Marktsicht ist deutlich anders: Selbst, wenn der Plan der Fed von mehr Zinssenkungen ausgeht als allgemein erwartet, liegt er immer noch weit unter der Lockerung, die der Markt längst vorweggenommen hat. Die Fed öffnete die Tür zu zwei bis drei Zinssenkungen im nächsten Jahr; der Markt sah dies als Legitimation, um fünf bis sechs Schnitte einzupreisen.
Markt erwartet schnellere Senkung
Im Gegensatz zum Pfad der Fed, geht der Markt von einem früheren Beginn und einer schnelleren Geschwindigkeit aus. Er geht von einem Zyklus aus, der auf eine bevorstehende wirtschaftliche Schwäche reagiert. Ein Zyklus also, der darauf abzielt, die Auswirkungen einer Rezession zu verhindern oder abzumildern und nicht darauf, die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Anders ausgedrückt ist davon auszugehen, dass die Art der aggressiven Lockerung, von der der Markt aktuell ausgeht (weit über 100 Basispunkte im nächsten Jahr, beginnend bereits im März), sowohl einen beschleunigten Rückgang der Inflation als auch klare Anzeichen von wirtschaftlicher Schwäche erfordern würde. Beides lässt sich aktuell nicht bestätigen. Eine dramatische Entwicklung wäre notwendig, um die Fed dazu zu bewegen, den vom Markt erwarteten Pfad einzuschlagen.
Auch wenn die Erwartungen des Marktes überzogen sein dürften, wird die wirtschaftliche Abschwächung so reibungslos und schmerzlos ablaufen, wie es die Fed impliziert. Eine signifikante Verlangsamung und ein aggressiverer Start des Lockerungszyklus, bei dem das Gremium die Zinssätze in der zweiten Jahreshälfte jeden Monat senkt (insgesamt um 100 Basispunkte), ist durchaus im Bereich des Möglichen.
Zeitpunkt für Zinssenkungen weiter unsicher
Unsere Prognosen für die kommenden Monate bergen jedoch diesmal gleich von zwei Seiten Unsicherheiten: Wenn die Fed richtig liegt, könnten die US-Währungshüter erst Mitte des Jahres mit Senkungen beginnen und langsamer vorgehen als das aktuell erwartet wird. Das an sich ist kein neues Risiko. Jedoch ist die Fed nun scheinbar auch eher bereit, mit den Senkungen früher zu beginnen, wenn sich Anzeichen einer wirtschaftlichen Schwächung abzeichnen. Die Marktreaktion ist verständlich, jedoch scheint der Umfang der Reaktion übertrieben.
In seiner Pressekonferenz machte Chairman Powell deutlich, dass sich die Diskussion im Gremium auf den Beginn eines Lockerungszyklus hinbewegen. Er betonte, dass es noch „einen langen Weg“ gebe und dass noch „niemand den Sieg“ über die Inflation ausrufen würde. Es ist jedoch klar, dass das Fed nun mit erheblichem Vertrauen darauf blickt, dass die Wirtschaft solide auf dem Weg ist, sich neu auszurichten. Notenbankchef Powell legte sich nicht auf klare Indikatoren fest, die Zinssenkungen möglich machen. Aber er deutete an, dass es zumindest „weitere Fortschritte“ bei der Inflation erfordert, um diesen Weg zu gehen.
Neben Zinssenkungen auch weitere Bilanzkürzungen möglich
Mittelfristig macht es keinen wirklichen Unterschied, ob die erste Senkung im April, Juli oder September erfolgt. Daher lässt sich durchaus zweifeln, ob die Fed jetzt allzu viel Mühe darauf verwendet, einen genauen Zeitpunkt herauszufinden. Sie werden die Entwicklungen von Sitzung zu Sitzung neu bewerten und von den Wirtschaftsdaten ableiten, wann sie handeln müssen. Es ist klar, dass die Entscheidungen der Währungshüter in den kommenden Monaten zunehmend datenabhängiger werden dürften. Trotz dem Straffungsbias in der aktuellen Erklärung der Fed sind Zinssenkungen in absehbarer Zeit mehr als wahrscheinlich.
Eine Frage, die in den kommenden Monaten aufkommen dürfte – und eins der wenigen Themen, bei dem Jerome Powell deutlich wurde, ist, ob die Fed auch ihre Bilanz weiter schrumpfen wird, wenn sie zu Zinssenkungen übergeht. Die Antwort hängt von der Art der Senkungen ab: Wenn es sich um den Typ Normalisierungszyklus handelt, den die Fed sich vorstellt, liegt es nahe, dass die Zentralbanker die Reduzierung fortsetzen werden. Eine Normalisierung der Bilanz und eine Normalisierung des Zinsniveaus schließt sich nicht gegenseitig aus. Aber wenn die implizite Sicht des Marktes auf eine schärfere Verlangsamung und einen Lockerungszyklus ausgerichtet ist, um wirtschaftliche Schwäche zu mildern, erwarten wir, dass die Fed die Reduzierung ihrer Bilanz stoppt, sobald sich die Notwendigkeit einer Zinssenkung abzeichnet. Das ist jedoch eine Diskussion für einen späteren Zeitpunkt.
Von Eric Winograd Director—Developed Market Economic Research bei AllianceBernstein