2023 war ein Jahr des Übergangs für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte. Mit dem Abklingen der extremen Inflation verlagerte sich die Aufmerksamkeit der Anleger auf die Verlangsamung des Wachstums und die Aussicht auf Zinssenkungen. Die daraus resultierende Achterbahnfahrt beinhaltete einen Anstieg der Anleihenrenditen, wobei die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen kurzzeitig sogar die 5%-Marke erreichte.
Im November begann sich das Blatt jedoch zu wenden. Zurückgehaltene Barmittel strömten zurück auf den Markt und trieben die Renditen rasch nach unten und die Kurse nach oben. Wir glauben jedoch nicht, dass die Rallye bereits zu Ende ist – wir sind optimistisch für 2024.
Renditen tendieren nach unten
Die Leitzinsen der Zentralbanken und die Anleihenrenditen sind weltweit nach wie vor hoch und werden wahrscheinlich bis weit in das Jahr 2024 hinein auf einem hohen Niveau bleiben, bevor sie wieder zurückgehen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit höherer Leitzinsen gering; das Potenzial für einen Rückgang der Zinsen ist viel höher.
Im Euroraum zum Beispiel rentieren 10-jährige deutsche Bundesanleihen mit AAA-Rating nach Jahren negativer Renditen aktuell mit 2,0%. Inzwischen nähert sich die Inflation in der Region wieder dem Zielwert an. Angesichts des erwarteten schwachen Wachstums wird die Europäische Zentralbank möglicherweise Mitte des Jahres die Geldpolitik lockern müssen.
In den USA, wo die Inflation zwar rückläufig ist, aber immer noch deutlich über dem Zielwert der Federal Reserve liegt, erwarten wir, dass die Zinsen bis in die zweite Jahreshälfte 2024 hoch bleiben werden. In Anbetracht der aktuellen Trends bei den Wirtschaftsdaten gehen wir davon aus, dass die Fed ihren Zinserhöhungszyklus abgeschlossen hat und eine Pause einlegen wird, bis die Inflation näher an 2% herankommt; dann kann sie angesichts der Abkühlung des US-Wachstums mit einer Lockerung beginnen. Trotz des jüngsten Anstiegs der Treasuries sind die Renditen nach wie vor sehr attraktiv: Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen liegt derzeit bei 3,9%.
Für Anleihenanleger sind diese Bedingungen nahezu ideal. Schließlich wird der größte Teil der Erträge, die eine Anleihe im Laufe der Zeit erzielt, durch ihre Rendite bestimmt. Und sinkende Renditen – die wir für die zweite Hälfte des Jahres 2024 erwarten – lassen die Anleihenkurse steigen. Anleger sollten in diesem Umfeld eine Verlängerung der Duration (Zinssensibilität) in Erwägung ziehen, um von den Zinsen profitieren zu können.
Nicht alle Spätzyklen sind gleich
Es stimmt, dass anhaltend höhere Zinsen wahrscheinlich irgendwann zu einer Wende im Anleihenzyklus führen werden. Zinserhöhungen belasten bereits die Aktivität in vielen Sektoren. Die Unternehmen übertreffen weiterhin die Gewinnerwartungen, allerdings nicht mehr so eindrucksvoll wie zu Beginn des Jahres. Einige Unternehmen haben festgestellt, dass die Verbraucher weniger ausgeben. In der Tat haben die Haushalte bereits einen Großteil ihrer während der Pandemie angesammelten Ersparnisse ausgegeben. Der Verschuldungsgrad nimmt schleichend zu, und die Zinsabdeckung – das Verhältnis zwischen dem EBITDA eines Unternehmens und seinen gesamten Zinszahlungen – beginnt zu sinken.
Da die Fundamentaldaten der Unternehmen jedoch von einer historisch starken Position ausgingen, erwarten wir keinen Tsunami von Zahlungsausfällen und Herabstufungen von Unternehmen. Außerdem dürften sinkende Zinsen im Laufe des Jahres dazu beitragen, den Refinanzierungsdruck auf die Emittenten zu verringern.
Strategien für das aktuelle Umfeld
Unserer Ansicht nach können Anleihenanleger im aktuellen günstigen Umfeld erfolgreich sein, wenn sie eine ausgewogene Positionierung einnehmen und diese Strategien anwenden:
1. Investieren. Es ist noch nicht zu spät, sich der Anleihenparty anzuschließen. Wenn Sie immer noch Bargeld oder Ähnliches anstelle von Anleihen halten, entgehen Ihnen die täglichen Zinseinkünfte von Anleihen mit höheren Renditen sowie die potenziellen Kursgewinne, wenn die Renditen weiter sinken.
2. Duration verlängern. Wenn sich die Duration Ihres Portfolios, also die Zinsempfindlichkeit, zum ultrakurzen Ende hin entwickelt hat, sollten Sie eine Verlängerung der Duration Ihres Portfolios in Betracht ziehen. Wenn sich die Konjunktur verlangsamt und die Zinsen sinken, kommt die Duration den Portfolios tendenziell zugute. Staatsanleihen, die reinste Durationsquelle, bieten zudem reichlich Liquidität und tragen dazu bei, die Volatilität der Aktienmärkte auszugleichen.
3. Bonitätssektoren nutzen. Die Renditen von bonitätsabhängigen Vermögenswerten wie Unternehmensanleihen und verbrieften Schuldtiteln sind so hoch wie seit Jahren nicht mehr und bieten einkommensorientierten Anlegern eine langersehnte Gelegenheit, ihre Tanks zu füllen. Anleger sollten jedoch selektiv vorgehen und auf die Liquidität achten. Unternehmen mit CCC-Rating und verbriefte Schuldtitel mit niedrigerem Rating sind in einem wirtschaftlichen Abschwung am anfälligsten. Investment-Grade-Unternehmensanleihen mit langen Laufzeiten können ebenfalls volatil sein und sind unserer Meinung nach aktuell überbewertet. Umgekehrt bieten hochverzinsliche Anleihen mit kurzer Laufzeit dank einer inversen Zinskurve höhere Renditen und ein geringeres Ausfallrisiko als längere Anleihen.
4. Ausgewogen anlegen. Wir sind der Meinung, dass sowohl Staats- als auch Unternehmensanleihen in den heutigen Portfolios eine Rolle spielen sollten. Zu den effektivsten Strategien gehören solche, die Staatsanleihen und andere zinsempfindliche Anlagen mit wachstumsorientierten Kreditpapieren in einem einzigen, dynamisch verwalteten Portfolio kombinieren. Diese Art der Paarung trägt auch dazu bei, Risiken außerhalb unseres Basisszenarios eines schwachen Wachstums – wie der Rückkehr hoher Inflationsraten oder eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs – abzumildern.
5. Systematischen Ansatz erwägen. Das heutige Umfeld eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstums erhöht auch das potenzielle Alpha bei der Auswahl von Anleihen. Aktive systematische Ansätze für die Anlage in festverzinsliche Wertpapiere, die in hohem Maße maßgeschneidert werden können, können Anlegern helfen, diese Chancen zu nutzen. Systematische Ansätze stützen sich auf eine Reihe von Prognosefaktoren, wie zum Beispiel Momentum, die durch traditionelle Anlagen nicht effizient erfasst werden können. Da systematische Ansätze von verschiedenen Wertentwicklungsfaktoren abhängen, werden sich ihre Ertragsmuster wahrscheinlich von denen traditioneller aktiver Strategien unterscheiden und diese ergänzen.
Werden Sie aktiv
Aktive Anleger sollten flexibel bleiben und sich darauf vorbereiten, im weiteren Verlauf des Jahres von sich ändernden Bewertungen und Chancen zu profitieren. Vor allem aber sollten sich die Anleger aus der Deckung wagen und voll in die Anleihenmärkte investieren. Die hohen Renditen und das Ertragspotenzial, das sich derzeit erzielen lässt, sind kaum zu überbieten.
Von Scott DiMaggio, CFA, Head—Fixed Income bei AllianceBernstein