Der Wind wird rauer: Warum sich Anleger 2024 auf eine höhere Volatilität einstellen sollten

Die Weltwirtschaft steht Anfang 2024 vor einem Wandel: Nach zwei Jahren, in denen sich die Zentralbanken auf den Kampf gegen die Inflation konzentrieren mussten, sind in den kommenden Monaten Zinssenkungen wahrscheinlicher als Zinserhöhungen. Neben einer sich weiter abkühlenden Weltkonjunktur wird das Jahr aufgrund der zunehmenden geld- und geopolitischen Unsicherheiten zu einer höheren Volatilität an den Märkten führen, meint Kent Hargis, Portfolio Manager des AB Low Volatility Equity Portfolio bei AllianceBernstein. In seinem Ausblick erläutert der Finanzmarktexperte, warum er auf dem Tech-Sektor Anpassungen erwartet und wo sich in diesem anspruchsvollen Umfeld Chancen ergeben. AllianceBernstein | 18.01.2024 11:50 Uhr
Kent Hargis - Co-Chief Investment Officer - Strategic Core Equities bei AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein
Kent Hargis - Co-Chief Investment Officer - Strategic Core Equities bei AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein

Die Weltwirtschaft steuert auf eine sanfte Landung zu. Ein Szenario, das die allermeisten Experten vor einem Jahr noch als unwahrscheinlich abgetan hatten. Ein gewisses Risiko bleibt bestehen. So haben die 1970er Jahre gezeigt, dass eine verfrühte Lockerung der Geldpolitik eine erneute Beschleunigung der Inflation auslösen kann. Eine moderate Verlangsamung begleitet von einer allmählichen Desinflation bleibt am wahrscheinlichsten. Zwar könnte eine Konjunkturabschwächung unmittelbar bevorstehen, auch weil die vergangenen Zinserhöhungen nach und nach Wirkung zeigen. Im historischen Vergleich dürfte diese jedoch recht milde ausfallen. Trotzdem bleibt eine sanfte Landung immer noch eine Landung. Es ist also davon auszugehen, dass das globale BIP-Wachstum mehrere Quartale in Folge unterdurchschnittlich ausfallen wird. 

Trotz moderaten Wirtschaftswachstums sollte die Inflation ihren Abwärtstrend fortsetzen. Zwar wird es einige Zeit dauern, bis die Teuerungsrate in den USA auf das von der Fed angestrebte Ziel von 2 Prozent zurückkehrt. Das Schlimmste liegt jedoch hoffentlich hinter uns. Dass die Zinssenkungen kommen werden, gilt als sicher. Entscheidend für die Märkte bleiben die Fragen: wann? wie schnell? und wie weit? Werden die Erwartungen des Marktes enttäuscht, ist eine gewisse Zunahme der Volatilität vorgezeichnet. Dabei ist der Optimismus, mit der der Markt aktuell Beginn und Tempo der Lockerungen einpreist, durchaus kritisch zu sehen – und würde eher zu einer harten als einer weichen Landung passen. Wir sind hingegen überzeugt, dass die Fed nicht vor dem zweiten oder dritten Quartal mit zunächst zurückhaltenden Zinssenkungen beginnt und dann das Tempo allmählich steigert.  

Geopolitische Unsicherheit als Volatilitätstreiber

Der Euroraum scheint auf seinem Desinflationspfad bereits einen Schritt weiter zu sein als die USA, auch wenn die Kerninflation derzeit noch deutlich über dem Zielwert liegt. Hier ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Währungshüter in nächster Zeit eher vorsichtig als aggressiv vorgehen. Die schwächere Wirtschaftsleistung sollte die EZB dabei zuversichtlich stimmen, dass die Inflation in den kommenden Quartalen auf ihren Zielwert zurückgeht. 

Ein weiterer Faktor, der die Volatilität an den Märkten antreibt, sind politische und geopolitische Unsicherheiten; angefangen mit einem möglichen Stillstand der US-Regierung im ersten Quartal bis zu einem Wahlzyklus, der sich in vielerlei Hinsicht störend auswirken kann. Die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten haben bisher nicht zu einem Anstieg der Energiepreise geführt. Die Unsicherheit über die Entwicklung des Konflikts bleibt jedoch bestehen. So hätte ein weiterer Energieschock das Potenzial, den Rückgang der Inflation in der Eurozone aufgrund der starken Abhängigkeit von Energieimporten zu verlangsamen oder sogar umzukehren. 

Höhere Bewertungsrisiken im Tech-Sektor

In diesem herausfordernden Marktumfeld lohnt es sich für Anleger weiterhin auf Unternehmen zu setzen, die eine Kombination aus Qualität und Stabilität zu attraktiven Preisen bieten. Nach der Rallye der Mega-Caps im Jahr 2023 besteht ein ernsthaftes Bewertungsrisiko für Anleger, die in dieser Gruppe engagiert sind. Hohe Bewertungen können in einer schmerzhaften Korrektur enden, wie wir in der Baisse 2022 gesehen haben. Die KI-Revolution, die die Erträge der Gruppe in die Höhe getrieben hat, wird auch zu einem stärkeren Wettbewerb zwischen den Mega-Caps führen, zulasten der Profitabilität.  

Dabei bleibt es weiter offen, wer die großen Gewinner der KI-Revolution sein werden, da die Technologie gerade erst beginnt, kommerzielle Anwendungen zu finden. Die Historie zeigt, dass eine Marktverbreiterung, die sich nach zuvor extrem konzentrierten Erträgen einstellt, mehrere Jahre andauern kann. Niemand kann vorhersagen, wann das der Fall sein wird. Aber nachdem mehr als 70 Prozent aller Titel im S&P 500 im Jahr 2023 hinter dem Markt zurückgeblieben sind, dürfte es unwahrscheinlich sein, dass die Dominanz der "Magnificent Seven" anhalten wird.  

Bei der Allokation auf Qualität setzen

Mit qualitativ hochwertigen, stabilen Unternehmen können Anleger ihre Portfolios so positionieren, dass sie auch einen wirtschaftlichen Abschwung ausgleichen. Merkmale wie Preissetzungsmacht, Wettbewerbsvorteile, Innovation und Managementfähigkeiten werden bei der Allokation zu den wichtigen Indikatoren. Qualitätsunternehmen mit hohem verfügbarem Cashflow haben in der Vergangenheit Konjunkturabschwächungen und Rezessionen besser überstanden. Gesunde Bilanzen und eine niedrige Verschuldung bieten einen gewissen Puffer gegen den Zinsanstieg der letzten Jahre. Solche Unternehmen finden sich häufig in traditionell defensiven Sektoren wie dem Gesundheitswesen und Basiskonsumgütern, aber auch in weniger defensiven Sektoren wie Technologie und Finanzwerten. 

Dabei ist die Frage durchaus berechtigt, warum Anleger in einer Welt mit höheren Zinsen überhaupt noch Aktien kaufen und halten sollten? Die klare Antwort: Anleger brauchen gerade in diesem Umfeld Aktien, um positive  Erträge über der Inflationsrate zu erzielen. Aktien sind eine attraktive Einkommensquelle und sorgen für Cashflow-Wachstum. Die Free-Cashflow-Rendite von Aktien liegt deutlich über den langfristigen Zinsen. Beim Blick auf die Inflationsperioden von 1948 bis heute zeigt sich, dass US-Aktien in einem moderaten Inflationsumfeld gut abgeschnitten haben. In Zeiten, in denen die Inflationsrate zwischen 2,1 und 4,0 Prozent lag, erzielte der S&P 500 im Durchschnitt einen jährlichen Ertrag von 10,1 Prozent und übertraf damit die Inflationsrate deutlich. Ähnliches lässt sich auch für 2024 erwarten. Hinzu kommt, dass Anleger Schwierigkeiten haben werden, bei der Wiederanlage ihre Renditeniveaus zu halten, wenn die kurzfristigen Zinsen sinken. Aktienportfolios, die auf eine Glättung der Volatilität ausgelegt sind, könnten sich im derzeitigen Marktumfeld besonders bewähren.

Von Kent Hargis - Co-Chief Investment Officer - Strategic Core Equities bei AllianceBernstein

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