Schwellenländer: Fünf Chancen für Aktienanleger

Schwellenländeraktien senden Lebenszeichen aus, die Unternehmensgewinne steigen. Wo sollten Anleger suchen? AllianceBernstein | 07.10.2024 14:49 Uhr
Sammy Suzuki, Head Emerging Markets Equities bei AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein
Sammy Suzuki, Head Emerging Markets Equities bei AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein

1. China sollte niemals unterschätzt werden

Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und größter Schwellenmarkt ist China ein entscheidendes Glied im globalen Wirtschaftsmotor. Nach einem starken Jahresbeginn ist Chinas Konjunktur zuletzt ins Stocken geraten, belastet durch die Schwäche des Immobiliensektors und die schleppenden Konsumausgaben. Die akkommodierende Geldpolitik und langfristige Strukturreformen könnten jedoch für Abhilfe sorgen.

Ende September kündigte die chinesische Zentralbank Pläne an, ihren Mindestreservesatz um 50 Basispunkte und ihren Leitzins um 20 Basispunkte zu senken, wobei im Laufe des Jahres weitere Senkungen folgen sollen. Wir sehen das als Beweis dafür, dass die politischen Entscheidungsträger es mit dem 5-prozentigen Wachstumsziel Chinas für 2024 ernst meinen. Dennoch glauben wir, dass die Begeisterung des Marktes über diese Maßnahmen nur von kurzer Dauer sein wird, wenn sie nicht durch grundlegende Verbesserungen untermauert werden.

China treibt auch Regulierungsreformen voran, die darauf abzielen, mehr Kapital anzuziehen und die Aktienkurse anzukurbeln. Die Neun-Punkte-Leitlinien Chinas ermutigen Unternehmen, Gewinne an die Aktionäre auszuschütten, während ein sich änderndes makroökonomisches Umfeld es chinesischen Unternehmen erleichtert, Dividenden zu zahlen. Zu Beginn des chinesischen Wachstumskurses verfolgten viele Unternehmen ein Modell der aggressiven Expansion, indem sie große Mengen an Aktien ausgaben, ohne nennenswerte Dividenden auszuschütten. Gut geführte chinesische Unternehmen sind nun in der Lage, Erträge zu erzielen und diese an die Aktionäre auszuschütten, was in einem langsameren makroökonomischen Umfeld wichtig ist.

Das könnte zwar ein Katalysator für Dividendenerträge sein, aber wir glauben, dass es auch eine gute Ausgangsbasis für Exporteure und Marktanteilsgewinner ist – insbesondere angesichts des schwachen Konjunkturumfelds in China. Da der Markt dazu neigt, China über einen Kamm zu scheren, glauben wir, dass Anleger in allen drei Segmenten ausgewählte Unternehmen finden können, die zu attraktiven Bewertungen gehandelt werden.

2. Taiwan: Im Herzen der KI-Revolution 

Da die Revolution der Künstlichen Intelligenz (KI) an Fahrt gewinnt, sollte man darauf achten, dass Taiwan an vorderster Front steht. Schließlich produziert Taiwan mehr als die Hälfte der Halbleiter weltweit. Außerdem befinden sich hier sage und schreibe 90% der weltweiten Produktionskapazitäten für die Hochleistungschips, die das maschinelle Lernen antreiben. Als asiatisches Pendant zum Silicon Valley bietet Taiwan Anlegern einen Zugang zur Künstlichen Intelligenz zu relativ attraktiven Bewertungen.

Natürlich geht es bei Künstlicher Intelligenz um mehr als nur Chips. Einige der größten Akteure in der globalen Lieferkette für KI haben ihren Sitz in Taiwan, darunter Prüf- und Messunternehmen sowie Hersteller von Substraten, mit denen fortschrittliche Chips auf Leiterplatten befestigt werden können. Wir glauben, dass der KI-Ausbau noch viel Potenzial hat. Die Ausgaben für KI haben sich von Software zu Hardware verlagert, was KI-Zulieferern in den Entwicklungsländern zugutekommen dürfte.

3. Indien könnte eine kritische Lücke füllen

Das bevölkerungsreichste Land der Welt unternimmt konzertierte Anstrengungen, um auf globaler Ebene wettbewerbsfähiger zu werden. Zu den jüngsten Initiativen aus Neu-Delhi gehören die Verbesserung des Reiseverkehrs zwischen den Städten, die Straffung der notorisch schwerfälligen Bürokratie des Landes, die Verbesserung der physischen Infrastruktur und die Entwicklung einer immer moderneren digitalen Infrastruktur. Wir glauben, dass sich die Verbesserungen der Infrastruktur und die Steigerung der Unternehmenseffizienz mit der Zeit auf die gesamte indische Wirtschaft auswirken und neue Chancen für Anleger schaffen werden. Zudem haben robuste Konsumausgaben das starke BIP-Wachstum in Indien gestützt. Aktuell liegt das indische Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf auf einem ähnlichen Niveau wie zu dem Zeitpunkt, als das Wachstum in China nach oben ausschlug (siehe Abbildung).

In Zukunft könnte Indien eine größere Rolle in globalen Lieferketten spielen. Internationale Unternehmen, die ihre Abhängigkeit von China verringern möchten, sehen in Indien zunehmend ein potenzielles Produktionszentrum. Sollte sich das Wirtschaftswachstum in China weiterhin verlangsamen, könnte Indien Aktienanlegern aus Schwellenländern Zugang zu einem starken Wachstumspotenzial bieten.

4. Südkorea: Handelsbarrieren fallen, Wert steigt?

Südkorea ist seit Langem ein EM-Kraftpaket, von seinen Tagen als einer der vier asiatischen Tigerstaaten bis zu seinem aktuellen Status als globaler Produktionsführer mit einer gut diversifizierten Wirtschaft. Jetzt wollen die politischen Entscheidungsträger in Seoul noch mehr Investitionen anziehen, indem sie die Aktionärserfahrung für die börsennotierten Unternehmen Südkoreas verbessern. Das „Corporate Value-Up“-Programm der Regierung zielt darauf ab, die Aktienkurse zu steigern, indem es die Offenlegung der Unternehmensfinanzen verbessert und gleichzeitig Aktienrückkäufe und höhere Dividenden fördert.

Diese Vorschläge mögen vernünftig erscheinen, aber sie lassen sich in einem Land, das von familiengeführten Konglomeraten (Chaebols) dominiert wird, nur schwer durchsetzen – ein wesentlicher Grund dafür, dass südkoreanische Unternehmen so anhaltend günstig bewertet werden. Diese Reformen werden Zeit brauchen, aber wir glauben, dass die Anleger letztendlich Vorteile in Form eines höheren Aktionärswerts sehen werden – insbesondere in den Bereichen Automobil, Finanzen und Industrie.

5. In den Entwicklungsländern gibt es zahlreiche verborgene Schätze

Aufstrebende Märkte machen zusammen etwa die Hälfte des globalen BIP und fast 90% der Weltbevölkerung aus. Und trotz uneinheitlicher Wertentwicklung wachsen viele Schwellenländer weiterhin schneller als die der Industrieländer, während die Gewinne tendenziell steigen (siehe Abbildung).

Überzeugende Anlagechancen finden sich in zahlreichen Schwellenländern. Märkte außerhalb von China, Indien, Taiwan und Südkorea machen mehr als 25% des MSCI EM Index aus und sollten unserer Meinung nach von Anlegern stärker beachtet werden. Dazu gehört auch der Nahe Osten, wo Saudi-Arabien aggressiv versucht, seine Wirtschaft weg von der Energie zu diversifizieren, und die Vereinigten Arabischen Emirate ihren Status als neutraler Standort stärken. Auch in anderen Regionen sehen wir Potenzial – vom sanierten Bankensektor in Griechenland über Fintech in Kasachstan bis hin zum E-Commerce in Lateinamerika.

Wir sind der Meinung, dass sich Chancen bei Schwellenländeraktien am besten durch einen aktiven Ansatz nutzen lassen, der sowohl fundamentale als auch quantitative Analysen einbezieht. Erfahrene Investmentmanager können sowohl in wachstumsstarken Sektoren als auch in angeschlagenen Branchen und schwachen Konjunkturumfeldern Qualitätsunternehmen entdecken. Da sich die Gewinne in den Schwellenländern erholen und die Bewertungen immer noch attraktiv sind, glauben wir, dass aktuell ein günstiger Zeitpunkt für Anleger sein könnte, sich Schwellenländeraktien genauer anzusehen.

Von Sammy Suzuki, Head Emerging Markets Equities bei AllianceBernstein

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