Zwischen Zöllen und Zyklen: drei Bausteine, um auf Kurs zu bleiben

In einem Marktumfeld, das von geopolitischen Spannungen, Handelskonflikten und hoher Volatilität geprägt ist, stoßen viele Anleger an ihre Grenzen. Gerade jetzt ist eine disziplinierte Anlagestrategie gefragt, die auf Substanz, Qualität und Risikobewusstsein setzt. Wie defensives Investieren in turbulenten Zeiten funktionieren kann – mit klarem Blick auf Fundamentaldaten, gezielter Diversifikation und einem langen Atem, analysiert Kent Hargis, Chief Investment Officer – Strategic Core Equities bei AllianceBernstein in seinem Marktkommentar. AllianceBernstein | 30.04.2025 08:14 Uhr
Kent Hargis, Chief Investment Officer Strategic Core Equities bei AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein
Kent Hargis, Chief Investment Officer Strategic Core Equities bei AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein

Die anhaltende Volatilität an den Aktienmärkten stellt selbst erfahrene Anleger auf die Probe. Wer auf strategische Grundsätze des defensiven Investierens setzt, kann sein Portfolio auch in Zeiten großer Unsicherheit besser steuern. US-Präsident Donald Trumps häufig wechselnde Zollpolitik erschwert es Unternehmen und Investoren, verlässliche Gewinnprognosen abzugeben. Gleichzeitig verliert die Marktmacht der sogenannten „Magnificent Seven“ an Dynamik. Die Folge: Die Bandbreite möglicher Unternehmensentwicklungen hat sich stark vergrößert – auch aufgrund wachsender Rezessionsängste. Gleichzeitig könnten sich Aktienerträge künftig stärker regional unterscheiden. Die Unsicherheit bei Anlegern ist verständlich. Doch eine pauschale Reduzierung der Aktienquote könnte langfristig mehr schaden als nützen. Vielmehr sollte für Investoren trotz Turbulenzen ein langfristiger Investmentansatz im Fokus stehen.

Volatilität ist keine Einbahnstraße

Wichtig ist: Volatilität bedeutet nicht nur Kursverluste – sie beinhaltet auch Erholungsphasen. So hätten Anleger, die nach Trumps Zollankündigung am 2. April ihre Aktienpositionen reduziert hätten, die Verluste der folgenden Marktkorrektur realisiert – und gleichzeitig die schnelle Erholung wenige Tage später verpasst. Wendepunkte an den Märkten lassen sich nur schwer vorhersagen – besonders dann, wenn politische Entscheidungen unberechenbar sind. Phasen extremer Angst werden an den Börsen häufig von kräftigen Aufwärtsbewegungen abgelöst. Unsere Analysen zeigen: Wenn der Volatilitätsindex VIX während schwerer Marktkrisen seit dem Jahr 2000 besonders hoch stand, erzielten der S&P 500 und der MSCI World im darauffolgenden Jahr durchschnittlich Erträge von 34,4 Prozent beziehungsweise 37,4 Prozent. Wie der aktuelle Handelskonflikt endet, ist unklar. Doch wer investiert bleibt, hat langfristig die besten Chancen, von den Erholungspotenzialen der Aktienmärkte zu profitieren.

Verluste in Abwärtsphasen zu begrenzen, ist entscheidend

Natürlich fällt es in stürmischen Zeiten schwer, an einer langfristigen Strategie festzuhalten. Doch wenn die schlimmsten Szenarien ausbleiben, fallen die Markterträge oft besser aus als erwartet. Wie also können Anleger vermeiden, sich von kurzfristiger Risikoaversion leiten zu lassen? Unser Ansatz: Portfolios sollten so strukturiert sein, dass sie in volatilen Märkten möglichst stabile Erträge ermöglichen. Das Ziel: Verluste in Abschwung-Phasen zu begrenzen und im Aufschwung einen Großteil der Markterholung mitzunehmen – aber nicht zwingend alles. Wer in Baisse-Phasen weniger verliert, muss weniger aufholen, um wieder auf Kurs zu kommen. Unsere Analysen zeigen: Eine Strategie, die 90 Prozent der Markterträge mitnimmt, aber nur 70 Prozent der Verluste einfängt, kann langfristig sogar besser abschneiden als der Gesamtmarkt (s. Abbildung 1).

Abbildung 1: Können Anleger Verluste in Abschwüngen begrenzen – und trotzdem den Markt schlagen?

Quelle: MSCI and AllianceBernstein 

Viele Anleger richten ihren Blick vor allem auf das relative Risiko eines Portfolios im Vergleich zu einem Referenzindex. Dabei kann ein Perspektivwechsel hin zum absoluten Risiko – also zur gezielten Begrenzung von Verlusten – dabei helfen, der weitverbreiteten Verlustaversion entgegenzuwirken. Diese psychologische Tendenz prägt Anlageentscheidungen oft stärker als objektive Daten, insbesondere in Phasen erhöhter Unsicherheit. Dabei gilt: Kein Risiko einzugehen, ist langfristig genauso riskant wie zu viel zu wagen – denn wer sich vollständig absichert, verzichtet auch auf Erholungspotenziale.

Mit Fundamentaldaten-Analysen risikobewusst investieren

Gerade in einem politisch aufgeladenen Marktumfeld mit wechselhafter Handelspolitik ist es besonders schwierig, ein ausgewogenes Verhältnis von Risiko und Ertrag zu finden. Um Vertrauen in Gewinnprognosen und das Ertragspotenzial einzelner Aktien zu entwickeln, braucht es ein gewisses Maß an Stabilität. Die Analyse von Fundamentaldaten bleibt daher die Basis eines risikobewussten Aktieninvestments; insbesondere, wenn Anlagestrategien gezielt auf Unternehmen mit hoher Qualität und solider Cashflow-Generierung setzen.

Doch wie lässt sich Qualität erkennen, wenn sich Zollregeln und politische Rahmenbedingungen laufend ändern und Geschäftsmodelle über Nacht infrage stellen können? Die Antwort ist ein strukturiertes Bewertungsmodell auf Unternehmensebene, das auf drei zentrale Bausteine setzt und dabei etwa Fragen beantwortet: In welchem Maße ist ein Unternehmen mit seinen Erlösen und Inputfaktoren unterschiedlichen Zöllen ausgesetzt? Welchen direkten Einfluss haben die Zölle auf die Profitabilität – häufig abhängig davon, ob ein Unternehmen Preiserhöhungen an Kunden weitergeben kann. Und schließlich, welche indirekten Effekte wie konjunkturelle Entwicklungen oder steigende Inflation auf das Geschäftsmodell des Unternehmens wirken. Auf diese Weise gelingt es, trotz politischer Unsicherheit ein differenziertes Bild von Chancen und Risiken einzelner Aktien zu zeichnen.

Abbildung 2: Fundamentales Bewertungsmodell zur Analyse von Zollauswirkungen

Quelle: AB 

Dieses Bewertungsmodell nutzen wir selbst als Teil eines umfassenderen Researchansatzes – unterstützt durch quantitative Instrumente und Künstliche Intelligenz (KI) – mit dem Ziel, am Markt qualitativ hochwertige Unternehmen mit soliden Bilanzen und erfahrenen Managementteams zu identifizieren. Aktien solcher Unternehmen, die stabile Kursmuster aufweisen und attraktiv bewertet sind können eine robuste Grundlage für ein defensives Portfolio bilden. Derzeit lassen sich viele dieser Titel zu besonders günstigen Bewertungen finden, was ihr Erholungspotenzial zusätzlich erhöht.

Bewertungen gewinnen an Bedeutung, wenn sich konzentrierte Märkte verbreitern

Valuation ist für Anleger stets ein zentraler Faktor. Doch in den vergangenen Jahren schien dieser Aspekt an Bedeutung verloren zu haben – getrieben vom Hype um Künstliche Intelligenz und dem Höhenflug der vergleichsweise teuren „Magnificent Seven“. Auch wenn diese Tech-Giganten zum Teil großartige Unternehmen sind, sollten Portfolios nicht blind auf Größe setzen, sondern gezielt auf Titel, die zur jeweiligen Investmentstrategie passen – und in einer sinnvollen Gewichtung. In einem derart konzentrierten Marktumfeld haben viele Anleger ungewollt ein Übergewicht in den größten Titeln aufgebaut. Wer diese Schwergewichte bewusst untergewichtet oder gemieden hat, wurde abgestraft – selbst wenn diese Entscheidung durch fundamentale Überzeugung und ein klares Mandat gestützt war.

Seit dem KI-Durchbruch von DeepSeek im Januar erleben wir eine zunehmende Differenzierung innerhalb der „Mag Seven“. Die Bewertungen vieler KI-bezogener Aktien sind spürbar gefallen, während die Volatilität zugenommen hat – unter anderem wegen der Sorge, dass effizientere Chipnutzung die Nachfrage nach Halbleitern schwächen könnte. Die breitere Streuung der Markterträge – auch jenseits der US-Giganten – zeigt, wie riskant überlaufene Trends sein können, wenn sich Marktstrukturen verändern.

Defensive Diversifikation strategisch aufbauen

Die oben genannten Prinzipien können helfen, eine gezielte, defensive Diversifikation im Portfolio zu erreichen – und zwar auf mehreren Ebenen:

  • Erstens neigen defensive Strategien auf Basis dieser Überlegungen dazu, stärker in dienstleistungsorientierte Unternehmen zu investieren – etwa digitale Reiseplattformen oder ausgewählte Finanzdienstleister – statt in Güterproduzenten, die stärker von Zöllen betroffen sind.
  • Zweitens erfordert defensive Diversifikation einen selektiven Blick auf den Technologiesektor. Softwareunternehmen sind tendenziell weniger zollanfällig und bieten gleichzeitig die Chance, am KI-Wandel teilzuhaben – mit einem risikobewussten Portfolioansatz. Dagegen sind Hardware- und Halbleiterhersteller stärker durch Handelskonflikte gefährdet und damit weniger defensiv.
  • Drittens lohnt sich auch in zollempfindlichen Sektoren die Suche nach Ausnahmen. Häufig werden bestimmte Unternehmen unterbewertet, weil sie pauschal mit Branchenrisiken in Verbindung gebracht werden. Beispiele sind Industriekonzerne mit US-Schwerpunkt, digitale Publisher oder Ingenieurdienstleister, die von Megatrends wie weltweiten Infrastrukturprogrammen profitieren.
  • Schließlich sollte auch die regionale Diversifikation bei globalen Allokationen nicht vernachlässigt werden. Handelskonflikte betreffen zwar den gesamten Globus, doch US-Aktien sind nach wie vor vergleichsweise teuer und anfälliger für Zölle. Europa und Asien bieten im Vergleich attraktivere Bewertungen. Im ersten Quartal übertrafen europäische Aktien den US-Markt – ein eindrucksvolles Beispiel für den Wert regionaler Streuung.

Die dynamische Entwicklung im Welthandel unterstreicht, wie wichtig ein disziplinierter Investmentansatz ist – einer, der auf Marktveränderungen reagiert, aber nicht überreagiert. Wer heute erfolgreich defensiv investieren will, sollte impulsives Handeln vermeiden – und stattdessen auf strategische Prinzipien zurückgreifen, die sich bereits in früheren Marktkrisen bewährt haben.

Von Kent Hargis, Chief Investment Officer Strategic Core Equities bei AllianceBernstein 

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen. Das NewsCenter ist eine kostenpflichtige Sonderwerbeform der e-fundresearch.com AG für Asset Management Unternehmen. Copyright und ausschließliche inhaltliche Verantwortung liegt beim Asset Management Unternehmen als Nutzer der NewsCenter Sonderwerbeform. Alle NewsCenter Meldungen stellen Presseinformationen oder Marketingmitteilungen dar.

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