„All diese Faktoren schränken das Potenzial für Verkäufe an den Anleihemärkten und die Normalisierung der Renditen ein“, schreibt Adrian Hilton, Leiter des Bereiches globale Zinsen und Währungen bei Columbia Threadneedle, in einem aktuellen Kommentar:
"Für die Anleihemärkte erschien der Beginn des Jahres 2017 wie der Anbruch einer neuen Wirtschaftsära. Der neue US-Präsident Donald Trump hatte versprochen, der US-Wirtschaft mit groß angelegten Infrastruktur- und Steuerreformprogrammen neue Impulse zu geben.
Doch Trumps ehrgeizige Pläne, die US-Wirtschaft wiederzubeleben, kamen deutlich langsamer voran als erwartet. Im Jahr 2017 wurden keine bedeutenden Infrastrukturvorhaben umgesetzt. Die Steuerreform dürfte einigen US-Konzernen zugutekommen, wird aber kaum wesentliche makroökonomische Auswirkungen haben.
Die allmähliche Normalisierung der Geldpolitik, unter anderem durch die langsame Rückführung der quantitativen Lockerung, war eine Reaktion auf die sich verbessernde Wachstumsdynamik und die Anzeichen einer aufkeimenden Inflation. Es gelang jedoch nicht, eine fundamentale Neubewertung der Anleiherenditen anzustoßen.
Keine Veränderung in Sicht
Mit Blick auf das Jahr 2018 ist es unwahrscheinlich, dass die US-Steuerreform zu einer deutlichen Steigerung der Wachstumsrate führen wird. Nichtsdestotrotz ist das makroökonomische Umfeld nach wie vor günstig. Der Aufschwung, der vor der Wahl von Trump begonnen hatte, setzte sich auch in diesem Jahr fort. Sowohl die USA als auch Europa wachsen schneller als ihre Trendwachstumsraten, wenn auch langsamer als in vorangegangenen Zyklen.
Es gibt bereits genügend Belege dafür, dass sich die US-Wirtschaft erholt. So hat die US-Notenbank begonnen, die expansive Geldpolitik zurückzufahren. Die Europäische Zentralbank dürfte zu gegebener Zeit ebenfalls diesen Weg einschlagen. Daher ist die Schlussfolgerung angemessen, dass der Höhepunkt der außergewöhnlichen Geldpolitik mit Beginn des Jahres 2018 hinter uns liegt.
All diese Faktoren würden im Normalfall auf ein schlechtes Umfeld für Anleihen hindeuten. Die Renditen liegen aber nur etwas über den extremen Tiefstständen von Ende 2016. Historisch gesehen sind sie immer noch sehr niedrig – viel niedriger als man in dieser Phase des Konjunkturzyklus erwarten würde.
Am Ende des Zyklus
Während die Anleiherenditen weiter niedrig sind, scheinen die Aktienmärkte jede Woche neue Höchststände zu erreichen. Viele Indikatoren deuten darauf hin, dass wir uns in einer späten Phase des Konjunkturzyklus befinden. Die Credit Spreads sind extrem eng, und die Verschuldung von Unternehmen und Verbrauchern ist hoch. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die aktuellen Wirtschaftswachstumsraten im kommenden Jahr aufrechterhalten werden können.
Zu dem starken Anstieg der Wirtschaftsaktivität im Jahr 2017 trugen mehrere Faktoren bei, die sich 2018 jedoch nicht wiederholen dürften. Ein Großteil des Wirtschaftswachstums der vergangenen 18 Monate ist auf einen Investitionsboom in der US-Energieinfrastruktur infolge der Erholung der Ölpreise zurückzuführen, mit der nicht erneut zu rechnen ist.
Chinas Kreditorgie, mit der die politischen Entscheidungsträger versuchten, den Immobilienmarkt des Landes wiederzubeleben, kam den Schwellenländern zugute und beflügelte den Welthandel. Da China sich aber immer mehr um die eigenen finanziellen Ungleichgewichte sorgt, sind neue umfangreiche Ausgabenprogramme im Jahr 2018 unwahrscheinlich.
Das Verbrauchervertrauen in den USA ist hoch, aber während der Konsum zunimmt, steigen die real verfügbaren Einkommen nur sehr langsam. Es ist fraglich, ob die USA weiterhin in der Lage sind, die Kreditvergabe an Haushalte derart auszuweiten, dass der Konsumboom anhalten kann.
Der globale Schuldenberg ist sehr hoch, und die geldpolitischen Impulse werden zu einem Zeitpunkt zurückgefahren, an dem die Wachstumstreiber der Vergangenheit an Wirkung verlieren dürften. Der Optimismus und das Bewertungsniveau an risikoreichen Märkten sind extrem hoch. Es besteht durchaus die Möglichkeit eines Stimmungsumschwungs im Jahr 2018, was unsere Erwartungen in Bezug auf höhere Anleiherenditen dämpft.
Ein künstliches Umfeld
Eine Kombination aus unorthodoxer makroökonomischer Politik und strukturellen Trends verzerrt weiterhin die Anleihemärkte. Es werden immer noch enorme Liquiditätsmengen in das Finanzsystem gepumpt. Auf der ganzen Welt sind die Zentralbanker zwar dabei, die künstlichen Anreize auslaufen zu lassen – wobei dieser Prozess unterschiedlich weit fortgeschritten ist –, aber sie üben weiter Druck auf die Anleiherenditen aus.
Eine Lektion der vergangenen Jahre ist, dass quantitative Lockerung nicht vor Landesgrenzen Halt macht und die in einem Land bereitgestellte Liquidität ihren Weg auch in andere Länder findet. Obwohl die Zentralbanken heute möglicherweise weniger als in den letzten Jahren zur Verzerrung der Anleihemärkte beitragen, haben sie immer noch einen Einfluss.
Strukturelle Faktoren treiben die Anleihekurse weiter in die Höhe. Die alternde Bevölkerung benötigt ein Einkommen, was Anleger in Anleihen treibt und für Druck auf die Renditen sorgt. Außerdem gibt es seit der globalen Finanzkrise eine beträchtliche, regulatorisch getriebene Nachfrage nach sicheren Anlagen. Die Aufsichtsbehörden haben hart durchgegriffen: Banken müssen einen viel größeren Anteil ihrer Bilanzen in Staatsanleihen halten.
Schließlich ist das neutrale Realzinsniveau in den Industrieländern seit 30 Jahren rückläufig, was auf den demografischen Wandel und die geringen Produktivitätszuwächse zurückzuführen ist. Der neutrale Zins hat sich zwar etwas erholt, aber es zeichnet sich nicht ab – zumindest nicht im Laufe des nächsten Jahres –, dass sich dieser Abwärtstrend grundlegend umkehren könnte.
All diese Faktoren schränken das Potenzial für Verkäufe an den Anleihemärkten und die Normalisierung der Renditen ein.
Auf der Suche nach Relative Value
In einem unsicheren Umfeld sollten Anleger Chancen gezielt prüfen und nach relativen Bewertungsunterschieden („Relative Value“) Ausschau halten. Wir ermitteln die Divergenz zwischen den Konjunkturzyklen der unterschiedlichen Länder. So ist zum Beispiel der US-Zyklus weiter fortgeschritten als der europäische Zyklus, obwohl das kräftige Wachstum in Europa darauf hindeutet, dass sich die Geldpolitik nun langsam normalisiert. Das ist wiederum ein Hinweis darauf, dass der aktuelle Spread zwischen deutschen und US-amerikanischen Renditen zu hoch ist.
Zudem bieten sich selektive Chancen in den Schwellenmärkten. Zum Beispiel gibt es in Märkten wie Mexiko und Russland noch Raum für Zinssenkungen. Wir setzen Devisenstrategien ebenso wie festverzinsliche Strategien ein und halten nach relativen Bewertungsunterschieden Ausschau. Ohne tonangebendes Thema müssen sich Anleger viel stärker auf die sich verändernden marktübergreifenden Dynamiken konzentrieren. Es ist mitunter auch möglich, Einschätzungen zum Zyklus über relative Renditen für kurz- und langlaufende Anleihen zum Ausdruck zu bringen.
Wir stehen dem US-Dollar im nächsten Jahr weniger optimistisch gegenüber als der Großteil des Marktes, da wir davon ausgehen, dass sich das Zentrum von Wachstum und geldpolitischer Normalisierung allmählich verlagern wird. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass der Euro unterbewertet ist und dass die Dynamik der Leistungsbilanz des Euroraums die Gemeinschaftswährung stützen dürfte.
Die Weltwirtschaft hat sich deutlich besser entwickelt, als wir vor zwölf Monaten erwartet hatten. Indes sind die Risiken in Bezug auf den Status quo sehr ausgewogen. Die Verschuldung ist hoch, Anlagen sind teuer bewertet und der Zyklus ist dem Ende näher als dem Anfang. All das spricht dafür, dass die Nachfrage nach Safe-Haven-Anlagen länger als erwartet anhalten könnte.
Adrian Hilton, Head of Global Rates & Currencies, Columbia Threadneedle