Kann die Outperformance von Aktien anhalten?

Antworten im aktuellen Asset Allocation Interview mit Maya Bhandari, Fondsmanagerin Asset Allocation bei Columbia Threadneedle: Columbia Threadneedle Investments | 25.01.2018 13:59 Uhr
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Was hat sich 2017 aus Ihrer Sicht als Expertin für Asset Allocation verändert? 

Maya Bhandari, Fondsmanagerin, Columbia Threadneedle:
Maya Bhandari, Fondsmanagerin, Columbia Threadneedle:

Maya Bhandari: Wir begannen das Jahr 2017 mit einer negativen Einschätzung der künftigen risikobereinigten Erträge aller Anlageklassen. Dies war unsere Einschätzung seit Mitte Juni 2016, als das britische EU-Referendum kurz bevorstand. Früh im Jahr erhöhten wir unsere Risikotoleranz, und zwar aus zwei Hauptgründen: Erstens machten erfreuliche Unternehmensgewinne und Gewinnprognosen von Analysten zunehmend deutlich, dass die Unternehmen weltweit nach fünf bis sechs Jahren sinkender Gewinne die Wende geschafft hatten. Zweitens gewann die globale Konjunkturerholung zunehmend an Breite, was zur Ausweitung der Unternehmensmargen beitrug. Im Rückblick auf 2017 fällt vor allem auf, dass in einem so risikoreichen Jahr so wenig passierte.

Im Laufe des Jahres 2017 wurde unsere Haltung gegenüber Aktien optimistischer, sodass wir im März zunächst europäische Aktien und dann Anfang Mai Aktien insgesamt hochstuften. Seit Oktober ist Japan unser klarer Favorit. Der globale Charakter des aktuellen Konjunkturaufschwungs kommt vor allem Märkten wie Japan und Europa zugute, die einen hohen operativen Hebel (d. h. hohe Fixkosten im Verhältnis zu den variablen Kosten) haben und somit besonders sensibel auf die globale Industriekonjunktur reagieren.

Außerdem gingen wir gegenüber dem US-Dollar Anfang des Jahres zu einer strategisch neutralen und dann im September zu einer vorsichtigeren Haltung über. Der Dollar erinnert an die Form eines Lächelns: In der Regel ist er stark, wenn die Entwicklung in den USA entweder besser ist als in der übrigen Welt oder sich die Welt in einer Rezession befindet. Zurzeit ist weder das eine noch das andere der Fall. Der Dollar liegt also am „Tiefpunkt“ des Lächelns statt an den beiden positiven „Eckpunkten“ der nach oben gezogenen Mundwinkel. Andere Währungen, wie der Euro, erscheinen dagegen attraktiver.

Was sich dieses Jahr nicht geändert hat, ist unsere Zurückhaltung gegenüber Anlagen mit langer Duration, insbesondere Kernländerstaatsanleihen. Hier halten wir in allen Strategien an unserer deutlichen Untergewichtung oder Short-Positionierung fest.

Im Jahr 2017 haben Aktienmärkte weltweit kurzfristige oder historische Höchststände erreicht. Kann die Outperformance von Aktien anhalten? 

Maya Bhandari: Aktien haben in den letzten fünf Jahren in Lokalwährung um 60 % bis 160 % zugelegt, während das reale Wirtschaftswachstum bei unspektakulären 1,5 % bis 2,5 % lag. Im bisherigen Jahresverlauf sind die globalen Aktienmärkte volatilitätsbereinigt so stark gestiegen wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr, und die Bewertungen scheinen einigen Indikatoren zufolge ausgereizt zu sein. Gleichzeitig sind die Risiken nicht unerheblich. Beispielsweise gehen die Zentralbanken nach einem Jahrzehnt der quantitativen Lockerung zu einer quantitativen Straffung über, geopolitische Risiken gibt es zuhauf und der Deglobalisierungsdruck hält an (Brexit, NAFTA). Dennoch glauben wir nach wie vor, dass Aktien 2018 die Chance auf erfreuliche risikobereinigte Erträge bieten. Was macht uns so zuversichtlich?

Wichtig ist, dass nach einer Phase ausschließlich bewertungsgetriebener Gesamterträge von Aktien – d. h., wir zahlten immer mehr für immer weniger – die Erträge jetzt fast vollständig auf steigenden Margen und Umsätzen gründen. Die Aktien steigen aus dem „richtigen“ Grund: der Partizipation am Anstieg von Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinnen. Wohlgemerkt, die Gewinnerwartungen für dieses und nächstes Jahr sind nicht nur stabil geblieben, sondern steigen, womit der starke Negativtrend des letzten Jahrzehnts zu Ende geht. Bis zu diesem Jahr stand bei den Gewinnen je Aktie (EPS) in den letzten 24 Monaten jedes Jahr letztlich ein Nullwachstum oder Rückgang zu Buche, während ein Anstieg um 10 % bis 15 % erwartet worden war. Die Gewinnerwartungen für 2017, 2018 und 2019 sind entgegen diesem Trend vorsichtiger ausgefallen. Infolgedessen ist die Neubewertung von Aktien hinter der anderer Risikoanlagen zurückgeblieben. Beispielsweise folgten die auf Gewinnprognosen basierenden Gewinnrenditen globaler Aktien nicht der Abwärtsbewegung der Renditen hochverzinslicher Unternehmensanleihen. Unseren eigenen Prognosen zufolge dürfte dieser Trend anhalten. Wir rechnen für die wichtigsten Aktienregionen in den nächsten 12 bis 18 Monaten mit einem EPS-Wachstum von 10 % bis 15 %.

Einfach ausgedrückt bieten Aktien trotz höherer Bewertungen eine attraktive Prämie, die andere Anlagen mit vergleichbarem Risiko nicht aufweisen. Diese Prämie nutzen wir in unseren Strategien.

Welche Regionen halten Sie mit Blick auf die globalen Aktienmärkte 2018 für besonders aussichtsreich? 

Maya Bhandari: Die aussichtsreichsten Aktienmärkte sind unserer Einschätzung nach Japan und an zweiter Stelle Europa sowie die asiatischen Schwellenländer. Die Asset Allocation-Strategien von Columbia Threadneedle Investments für die Region EMEA sind seit Sommer 2013 in japanischen Aktien übergewichtet bzw. investiert. In diesem Zeitraum hat die gute Gewinnentwicklung für eine (für Japan ungewöhnliche) Kombination aus guter Wertentwicklung und sinkenden relativen Bewertungen gesorgt. Trotz eines hervorragenden Gesamtertrags seit Jahresbeginn von aktuell 20% sind japanische Aktien immer noch niedriger bewertet als die globalen Aktienindizes. Die Unternehmensgewinne steigen, die laufende Unternehmensreform sorgt offenbar für höhere Aktionärsrenditen, die Konjunkturerwartungen sind solide, wobei unsere Prognosen ständig über dem steigenden Konsens liegen, die politischen Risiken nehmen ab und mit ihrem hohen operativen Hebel profitiert die Japan AG stark vom synchronen Aufschwung der Weltwirtschaft. Aus all diesen Gründen glauben wir, dass die höchsten risikobereinigten Aktienerträge 2018 in Japan zu finden sein werden.

Wie Japan partizipiert auch Europa in hohem Maße am aktuellen Aufschwung der Weltwirtschaft.  Die immer noch niedrigen Margen haben ein erhebliches Aufwärtspotenzial, und die Gewinne werden weiterhin den hohen Erwartungen gerecht. Die asiatischen Schwellenmärkte bieten indes attraktive Bewertungen, ein hohes Gewinnpotenzial und niedrigere Risiken als vor 18 Monaten.

Die Rohstoffe haben sich 2017 etwas erholt. Wie wird sich die Anlageklasse Ihrer Meinung nach künftig entwickeln und wie können Sie als Asset-Allocation-Managerin sich Rohstoffe zunutze machen? 

Maya Bhandari: Rohstoffe können für Asset-Allocation-Portfolios eine wichtige Rolle spielen, da sie in der Regel eher von Angebots-Nachfrage-Überlegungen als von der allgemeinen Risikoneigung beeinflusst werden. Gegenüber Risikoanlagen haben Rohstoffe ein sehr instabiles Beta, sodass sie sich zur Diversifikation von Multi-Asset-Portfolios eignen.

Wir favorisieren Rohstoffe seit September 2016, da wir aufgrund der günstigen Angebots-Nachfrage-Entwicklung mit einer breit angelegten Rally rechnen. Zurzeit ist aufgrund der anhaltenden kräftigen Konjunkturerholung die Nachfrage generell hoch, insbesondere aus China und anderen asiatischen Schwellenländern. Die Angebotsdisziplin ist aus verschiedenen Gründen gestiegen, sodass insbesondere an vielen Basismetallmärkten das langjährige Überangebot fast abgebaut worden oder in ein Nettodefizit übergegangen ist. An den Ölmärkten sind die Schieferölproduzenten nicht in der Lage, so schnell wie 2011–2012 die Produktion zu steigern, während die Nachfrage kräftig steigt. Ein schwächerer US-Dollar war ebenfalls hilfreich. Ein starker Ölpreisanstieg könnte zwar den Aufschwung zum Erliegen bringen, ist aber unseres Erachtens unwahrscheinlich. Insgesamt dürfte der Ölpreis bei 60 US-Dollar gut abgestützt sein.

Kann China weiter so eindrucksvoll wachsen und welche Wachstumsfaktoren könnten 2018 bestimmend sein?

Maya Bhandari: China versucht seit einigen Jahren, seine Wirtschaft stärker auf die Binnennachfrage auszurichten, zulasten der Exporte und Investitionen. Dabei ist das Land offenbar bemerkenswert erfolgreich: Das reale Wirtschaftswachstum hat sich von ca. 10 % bis 15 % nach der globalen Finanzkrise auf 6 % bis 6,5 % im Jahr 2017 verlangsamt, aber der Löwenanteil kommt jetzt von der Binnennachfrage. Auf eine stärkere Korrektur deutet nur wenig hin. Die China AG hat sich in der Wertschöpfungskette höher positioniert und Gelegenheiten für andere Schwellenländer geschaffen. Unser Basisszenario für die chinesische Wirtschaft im Jahr 2018 ist ein stetiges, im historischen Vergleich niedrigeres, aber höherwertiges Wachstum. Die Prognosen für das Weltwirtschaftswachstum hängen weiterhin zu rund einem Drittel von China ab.

Längerfristig, auf Sicht von fünf Jahren, macht uns weiterhin das „Renminbi-Trilemma“ Sorgen, das China lösen muss. Einer gesicherten Erkenntnis der Volkswirtschaftslehre zufolge kann ein Land nur zwei der folgenden drei Variablen gleichzeitig kontrollieren: Wechselkurs, Kapitalverkehr und unabhängige Geldpolitik. Sicherlich waren die sporadischen Bemühungen Chinas, die Währung zu liberalisieren, schwierig. Der Kapitalverkehr ist nicht vollständig unter Kontrolle, sondern in Stresszeiten fließen bis zu 2 % des Vermögens im Bankensystem ins Ausland. Und die Versuche, die nationale Politik feinzusteuern, haben globale Anleger oft verwirrt, statt ihnen Sicherheit zu geben.

Inzwischen hat sich das Wachstum auf niedrigerem und nachhaltigerem Niveau verstetigt, und unsere Indikatoren für die chinesische Wirtschaft zeigen keine größeren Probleme an. Wie andere Länder auch könnte China mit einem Anstieg der wirtschaftlichen Produktivität seine Produktivitätsgrenze nach oben verschieben, womit jedem geholfen wäre. China könnte natürlich auch seine Währung weiter liberalisieren, d. h. stärker den Marktkräften aussetzen.

Der Kreditzyklus scheint allmählich zu Ende zu gehen. Wie sehen Sie die künftige Entwicklung von Unternehmensanleihen und festverzinslichen Wertpapieren im Allgemeinen? 

Maya Bhandari: Wir sind in Unternehmensanleihen derzeit neutral positioniert und bevorzugen europäische Hochzinsanleihen nicht mehr gegenüber Investment-Grade-Anleihen. Wie bereits erörtert, bieten Unternehmensanleihen eine geringere Risikoprämie als beispielsweise Aktien. Außerdem spricht die aktuelle Phase im globalen Konjunkturzyklus eher für Aktien als für Unternehmensanleihen.

Wir schätzen hoch bewertete Kernländerstaatsanleihen mit langer Duration weiterhin negativ ein, vor allem weil die Leitzinsen steigen, Notenbankbilanzen verkürzt werden (quantitative Straffung) bzw. die quantitative Lockerung zurückgefahren wird. Sowohl die Kurzfristzinsen als auch die Laufzeitprämien von Staatsanleihen erscheinen zu niedrig. Zweifellos haben Staatsanleihen aus Asset-Allocation-Sicht eine sehr begrenzte Rolle in den Portfolios. Tatsächlich erscheint eine Kombination aus Aktien und Cash auf einer Ex-post-Effizienzlinie attraktiver als eine Kombination aus Aktien und Anleihen.

Deshalb haben unsere Asset-Allocation-Portfolios derzeit eine sehr kurze Duration. Zum Beispiel liegt sie bei unserer Threadneedle Dynamic Real Return Strategie bei 1,2 Jahren.

Zusammenfassung

Maya Bhandari: Die Goldlöckchen-Wirtschaft der letzten 12 bis 18 Monate hat den meisten Vermögenswerten Auftrieb gegeben. In vielen Fällen haben die Sharpe Ratios oder volatilitätsbereinigten Erträge die Rekordstände der letzten 20 Jahre erreicht oder übertroffen. Allerdings sind die Risiken nicht verschwunden: Nach einem Jahrzehnt der Lockerung ziehen die Zentralbanken jetzt die geldpolitischen Zügel an. Anfang nächsten Jahres wird in Europa und einigen Schwellenländern die Politik wieder in den Mittelpunkt rücken. Wir investieren in einer Welt, in der die Nationen möglicherweise nicht näher zusammenrücken, sondern sich stärker voneinander abgrenzen.

Unsere Aufgabe ist es aber, in diesem unsicheren Umfeld zu investieren und attraktive Risikoprämien wo auch immer zu nutzen, um für diese Herausforderungen entlohnt zu werden. Vor diesem Hintergrund haben wir im Laufe des Jahres 2017 unsere Aktiengewichtungen trotz höherer Bewertungen erhöht. Gleichzeitig halten wir die Duration in unseren Multi-Asset-Portfolios auf sehr niedrigem Niveau. Zur Diversifikation bevorzugen wir britische Gewerbeimmobilien, Rohstoffe und kurzlaufende Unternehmensanleihen.

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