Asiens neue Ära nachhaltigen Wachstums
Chinas riesige Volkswirtschaft erfährt unter Präsident Xi Jinping ein „zweites Erwachen“ – mit einer klaren Agenda für angebotsseitige Reformen und einem Schwerpunkt auf nachhaltigem makroökonomischem Wachstum. Xis ehrgeizige Initiative „One Belt One Road“ (OBOR) zur geoökonomischen Integration wird auch dafür sorgen, dass die übrigen Länder Asiens nachziehen werden, besonders weil sich die einzelnen Volkswirtschaften der Region in ihren Stärken ergänzen.
In weiten Teilen Asiens hat bereits ein neuer Zyklus qualitativen Wachstums begonnen. Anders als in der Vergangenheit wird das Wirtschaftswachstum moderat, aber nachhaltig sein. Die Folgen sind stabilere Bedingungen für stetig wachsende Unternehmensgewinne und ein günstigeres Umfeld für die asiatischen Aktienmärkte.
In diesem Zusammenhang markiert das Jahr 2017 aus unserer Sicht einen Wendepunkt. Der MSCI Asia ex-Japan Index legte in jedem Kalenderquartal zu. Da wir uns dem Jahresende nähern, beläuft sich die Rendite mittlerweile schon auf über 30 % in US-Dollar. Diese Rally hat gezeigt, was mit den asiatischen Aktienmärkten passieren kann, wenn nachhaltiges Wirtschaftswachstum Wirkung zeigt und sich in den Unternehmensgewinnen niederschlägt.
Zum Jahresende waren die Bewertungen uneinheitlich. Aktien, die die Rally anführten, zum Beispiel „New Economy“- und Technologiewerte, sind nicht mehr günstig, aber es gibt immer noch Titel mit attraktiven Bewertungen. Das KGV auf Basis zukünftiger Erträge des MSCI Asia Pacific ex-Japan Index liegt zurzeit bei ca. 13 und dürfte damit einem weiteren Aufwärtstrend kaum im Wege stehen, falls sich die Dynamik von 2017 in den nächsten Jahren fortsetzt.
Zyklus qualitativen Wachstums bahnt sich an
Der sich heute abzeichnende Zyklus qualitativen Wachstums bahnt sich bereits seit mindestens fünf Jahren an. Ein Blick auf die Vergangenheit gibt Anhaltspunkte für die Zukunft.
China hat am stärksten zur gegenwärtigen Stabilität beigetragen. Nach der globalen Finanzkrise setzte die Regierung unter Hu Jintao auf massive Konjunkturanreize in der Wirtschaft. Sie erwiesen sich jedoch als verheerend, da sie in verschiedenen Sektoren zu Überkapazitäten führten. Auch die Umsetzung ließ zu wünschen übrig, denn es wurde nicht immer sichergestellt, dass das Geld wirtschaftlich sinnvollen Projekten zugutekam – ganz zu schweigen von den Geldern, die in den Kanälen der Korruption versickerten. Die mangelnde Nachhaltigkeit derartiger Fiskalmaßnahmen führte letztendlich zu einer rapiden Wachstumsverlangsamung in den Jahren 2010-2012.
Diese schmerzhafte Anpassung prägte einen neuen Denkansatz. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 hat Präsident Xi stets betont, dass die Nachhaltigkeit des Wachstums wichtiger sei als das Wachstumstempo. Die Reformen auf der Angebotsseite und eine ausgewogenere Wirtschaft sind gute Vorzeichen für die Zukunft, da die Anfälligkeit für wirtschaftliche Schocks dadurch sinkt.
Chinas zentrales Ereignis im Jahr 2017, der 19. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas, bestätigte Präsident Xis politische Dominanz und die höhere Disziplin innerhalb der Partei. Das spricht für eine künftige Beschleunigung des Reformprozesses auf der Angebotsseite. Die Anstrengungen von Präsident Xi im Kampf gegen die Korruption werden auch die Corporate Governance im großen staatlichen Unternehmenssektor Chinas verbessern. Das dürfte wiederum dazu beitragen, den Standard des Gesamtmarkts zu erhöhen. Der Finanzsektor hat den Herausforderungen der steigenden Schulden und der „Schattenkredite“ getrotzt und wurde durch die proaktive Verschärfung der Regulierungsbestimmungen aufgeräumt. Wir sollten die Schuldenstände zwar weiter im Auge behalten, aber die Wahrscheinlichkeit einer systemischen Krise ist deutlich gesunken.
Präsident Xis ehrgeizige OBOR-Initiative zur geoökonomischen Integration wird auch dafür sorgen, dass die übrigen Länder Asiens nachziehen werden, besonders weil sich die einzelnen Volkswirtschaften in ihren Stärken ergänzen. In der gesamten Region gesellt sich politische Stabilität zu wirtschaftlicher Stabilität. Neue, starke Führungspersönlichkeiten sind aufgetaucht, darunter Xi, Narendra Modi in Indien, Joko Widodo (auch bekannt als Jokowi) in Indonesien, Prayut Chan-o-cha in Thailand und Rodrigo Duterte in den Philippinen. Die koreanische Halbinsel ist nach wie vor ein geopolitischer Gefahrenherd, aber eine umsichtige Diplomatie sollte von Erfolg gekrönt sein. Die gute Chemie zwischen Xi und Trump war eine der größten Überraschungen des Jahres 2017.
Was Indien anbelangt, so dürfte das Land sich 2018 irgendwie durchschlagen, obwohl es offenbar Mühe hatte, die aktuelle Wachstumsdynamik beizubehalten. In Indien sind grundlegende Reformen nötig, um die Ursachen für bestehende Probleme in den Griff zu bekommen. Die jüngsten schlagzeilenträchtigen politischen Maßnahmen – die Demonetarisierung von Banknoten im Jahr 2016, die Einführung einer Waren- und Dienstleistungssteuer im Jahr 2017 und die Rekapitalisierung staatseigener Banken – könnten Indien zweifellos zugutekommen, aber sie sind keine Allheilmittel für die komplexen Probleme des Landes. Um mittel- bis langfristig ein nachhaltigeres Wachstum zu ermöglichen, bedarf es energischerer Maßnahmen zur Bewältigung unzähliger Schwierigkeiten wie Umweltverschmutzung, Korruption, Einkommensungleichheit und Steuerhinterziehung. Ungeachtet dieser Herausforderungen könnten indische Aktien kurzfristig noch weiter steigen, sofern die aktuelle Ertragsprognose eintritt.
Mehrjährige Rally steht bevor
Die Wachstumsabschwächung 2010-2012 ist langsam, aber sicher einem soliden Trend hin zu einem stabilen, anhaltend moderaten Wachstum gewichen, was sich deutlich in höheren Unternehmensgewinnen niederschlägt. Vor diesem Hintergrund hat die Rally von 2017 unseres Erachtens Potenzial für einen mehrjährigen Konjunktur- und Aktienaufschwung.
China verfügt eindeutig über die Ressourcen, Visionen und Führungsambitionen, um diesen Abschnitt des „asiatisch-pazifischen Jahrhunderts“ zu dominieren. Die angebotsseitigen Reformen von Präsident Xi und die OBOR-Agenda sind mindestens für die nächsten fünf Jahre voll abgesichert. Angesichts der verbleibenden Amtszeiten der politischen Führungen im übrigen Asien sollte ausreichend Stabilität vorhanden sein, damit sich die gegenwärtige Wachstumsdynamik fortsetzen kann. Konsolidierte Industriestrukturen, die Rückkehr der Preissetzungsmacht, ein stärkeres Verbrauchervertrauen, die Verbesserung der Corporate Governance sowie die anhaltende Kostendisziplin dürften die Rally im Laufe des Jahres 2018 weiter anheizen, sofern keine externen Ereignisse eintreten, die den Aufwärtstrend vielleicht unterbrechen, ihn aber nicht abwürgen dürften. Aktien mit hohem Wachstumspotenzial im „New Economy“- und im Technologiesektor dürften sich weiterhin gut entwickeln, jedoch nicht so überdurchschnittlich wie im Jahr 2017. Stattdessen erwarten wir, dass das Vertrauen in die Gewinnerholung im Industrie- und Finanzsektor eine bedeutsamere Neubewertung von Aktien nach sich ziehen wird. Die Möglichkeit einer steiler werdenden Zinsstrukturkurve könnte auch einigen Banken und Versicherern Auftrieb geben. Von China bis nach Indien und in ganz Asien ist die Zeit für aktive Stockpicker noch günstig.
Soo Nam NG, Head of Asian Equities, Columbia Threadneedle Investments
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