Der Oktober hat Anleger weitaus mehr als nur Nerven gekostet. Nach dem heftigen Ausverkauf von Staatsanleihen im September hatten im Oktober Unternehmensanleihen und Aktien zu kämpfen – in praktisch allen Regionen der Welt weiteten sich die Credit Spreads aus und die Aktienkurse brachen ein. Am schwersten traf es Technologieaktien und zyklische Sektoren. Aber auch Staatsanleihen schlossen nur leicht im Plus.
Nachdem die asiatischen Aktienmärkte nunmehr alle Kriterien für eine Baisse erfüllen und Industrieländeraktien um rund 10% gegenüber ihren Höchstständen nachgegeben haben, steht eine Frage im Raum: Sind das die Vorboten des nächsten großen Crashs? Seit fast zehn Jahren beschwören Marktskeptiker das baldige Ende der vermeintlich auf Sand gebauten Rally der Risikoanlagen herauf. Könnte dieses Ende jetzt gekommen sein? Wir halten das für unwahrscheinlich. Die sich abzeichnenden Risiken reichen jedoch aus, um uns vorsichtig zu stimmen.
Aktuell gibt es drei große Spannungsfelder, die die Märkte im Bann halten: die durch die Trump-Regierung ausgelösten Verwerfungen in den internationalen Handelsbeziehungen, den Haushaltsstreit zwischen der italienischen Regierung und der Europäischen Kommission und die US-Geldpolitik mit ihren Auswirkungen auf das Wachstum in den USA und weltweit. Alle diese Entwicklungen geben Grund zur Sorge. Hinzu kommen die erheblichen Unsicherheiten in Bezug auf den Ausgang der Brexit-Verhandlungen, also die Frage, ob es ein Übergangsabkommen für Großbritannien geben wird oder das Land im März 2019 in völligem Chaos aus der EU ausscheidet.
Für die Assetpreise sind diese Themen nur dann von Bedeutung, wenn sie Auswirkungen auf die Fundamentaldaten (d.h. die Cashflows), die Bewertungen (d.h. die Diskontierungssätze) oder beides haben. Die Fundamentaldaten und Bewertungen stehen wiederum in einer wechselseitigen Beziehung: Durch höhere Diskontierungssätze werden die monetären Rahmenbedingungen restriktiver, was die Fundamentaldaten gegenüber ihrem kontrafaktischen Verlauf herunterzieht, während niedrigere Abzinsungssätze wachstumsfördernd wirken.
Internationaler Handel
Die Trump-Zölle haben direkten Einfluss auf die Fundamentaldaten. Aber so schlagzeilenträchtig und disruptiv sie auch sein mögen, scheinen sie doch nur leicht negative makroökonomische Auswirkungen zu haben. Allerdings könnten sie eine größere Belastung für die Gewinne US-amerikanischer Unternehmen darstellen. Schätzungen, dass 25-prozentige Zölle auf alle chinesischen Importgüter das Gewinnwachstum der US-Unternehmen im Jahr 2019 komplett ausradieren könnten, sind nicht komplett von der Hand zu weisen. Obwohl die Zölle bislang noch keine Spuren in den chinesischen Exportzahlen hinterlassen haben, hat sich zudem das Umfeld für chinesische Direktinvestitionen deutlich verschlechtert, einen für die Wirtschaftsplanung des Landes wichtigen Entwicklungsmotor.
Die positiven und negativen Auswirkungen von Zöllen sind breit über die Unternehmenslandschaft gestreut. Dadurch führen sie zu generell höheren Renditeaufschlägen auf Unternehmensanleihen, wodurch die für die Ermittlung des Barwerts künftiger Cashflows verwendeten Abzinsungssätze insgesamt steigen. Präsident Trump zeigt wenig Bereitschaft, in seinem Wirtschaftskrieg zurückzurudern. Das bleibt ein wesentliches Risiko für die Märkte.
Italiens Haushaltsstreit
Der Streit um den italienischen Staatshaushalt hat zu einem Bewertungsschock geführt. So hat der Renditeaufschlag, den Anleger für Anlagen in italienische Staatsanleihen an Stelle deutscher oder französischer Staatsanleihen erhalten, inzwischen wieder das Niveau erreicht, auf dem er sich zuletzt während der Staatsschuldenkrise in der Eurozone bewegte. Dadurch sind die Unternehmensanleihenspreads und die Diskontierungssätze für Aktienbewertungen gestiegen. Beides hat die Assetpreise belastet. Aktuell glauben wir, dass die Besonnenheit in diesem Streit überwiegen wird, womit auch dieses europäische politische Risiko an Bedeutung verlieren würde. Aber je länger der Haushaltsstreit andauert, desto stärker wird das die Fundamentaldaten belasten.
Zinspolitik der Fed
Im Einklang mit dem von ihr kommunizierten Zinspfad strafft die Federal Reserve die Zinsen inzwischen seit mehr als zwei Jahren. Nach vielen Jahren, in denen die US-Notenbank durchweg hinter den von ihr angekündigten Zinsstraffungen zurückgeblieben ist, haben die Märkte nur langsam akzeptiert, dass diese jetzt tatsächlich ernst macht. Aber die Arbeitslosigkeit ist auf ein 40-Jahres-Tief gefallen. Das signalisiert, dass die Inflation bei einem weiterhin über dem Trend liegenden Wachstum über den Zielwert der Fed hinausschießen und die US-Notenbank im Bemühen um Preisstabilität dazu zwingen könnte, die Zinsen so stark anzuheben, dass es zu einer Rezession kommt.
Die massiven Steuersenkungen, mit denen die Regierung in Washington das neue Jahr eingeläutet hat, haben die Fed unter massiven Druck gesetzt, die Wirkung dieser fiskalpolitischen Stimulusmaßnahmen durch eine restriktivere Geldpolitik zu neutralisieren. Anders ausgedrückt haben die von Trump umgesetzten Steuersenkungen die Fed dazu veranlasst, die Zinsen stärker zu straffen, als sie es ansonsten getan hätte. Dadurch sind die realen Staatsanleiherenditen – eine wesentliche Komponente des Diskontierungssatzes für alle Anlagewerte – gestiegen und haben die Assetpreise belastet. Die gute Nachricht ist, dass die realen Renditen inzwischen auf einem Niveau liegen, das mit dem offiziellen Zinspfad der Fed übereinstimmt (wodurch weiterer Abwärtsdruck auf die Assetpreise ab diesem Quartal weniger wahrscheinlich ist). Die schlechte Nachricht lautet, dass sehr unsicher ist, ob die Einschätzungen der Fed, auf denen ihr Zielpfad basiert, eine hinreichende Grundlage sind, um ein ordentliches nicht-inflationäres Wirtschaftswachstum zu erreichen.
Unsere Positionierung
Was bedeutet das für unsere Asset Allocation? Im Hinblick auf unsere Risikobereitschaft sind wir relativ neutral positioniert, halten aber seit einiger Zeit Ausschau nach Anlagemöglichkeiten an den Aktien-, Rohstoff- und Gewerbeimmobilienmärkten, mit denen höhere risikoadjustierte Erträge erreichbar sind. Im Oktober hat sich diese Positionierung nicht ausgezahlt. Während sich Rohstoffe und Gewerbeimmobilien gut gehalten haben, haben die Kursabschläge an den Aktienmärkten die Wertentwicklung belastet.
Im Berichtsmonat haben wir unsere fundamentale Erwartung eines über den Konsensschätzungen liegenden Wachstums in Europa und Japan erneut bestätigt und unsere unter der Konsenserwartung liegende kurzfristige Wachstumsprognose für die USA nach besseren Daten angehoben. Im Aktienbereich bevorzugen wir weiterhin japanische Aktien, da sich der japanische Markt durch eine hohe Dynamik auszeichnet, von strukturellen Verbesserungen profitiert und ein über den Konsenserwartungen liegendes Gewinnwachstum aufweist, obwohl er weiterhin sehr stark von der Weltkonjunktur abhängt. Ungeachtet des Gegenwinds, mit dem China aktuell zu kämpfen hat, sehen wir bei asiatischen Aktien auch ein ausreichendes Wertzuwachspotenzial.
Toby Nangle, Global Head of Asset Allocation, Columbia Threadneedle