Im Rückblick haben alle Finanzmärkte – auch der Hochzinsmarkt – 2020 eine rasante Kehrtwende hingelegt. Die wirkungsvolle Kombination aus geld- und fiskalpolitischer Unterstützung der Regierungen und die bereitwillige Refinanzierung von Unternehmensschulden lösten nach einem desolaten ersten Quartal eine kräftige Rally aus. Zum Tiefpunkt am 23. März 2020 waren die europäischen Hochzinsmärkte seit Jahresbeginn um fast 19 % gefallen – doch bis zum Börsenschluss im Dezember waren sie wieder fast 3 % im Plus.1
Zu Beginn der Krise befürchtete man, dass innerhalb eines Jahres ganze 10 % des europäischen Hochzinsuniversums von Ausfällen betroffen sein würden. Doch dank der Hilfspakete der Regierungen ist die Zahl der Ausfälle überraschend niedrig geblieben, und die Investoren und Kreditgeber waren weiterhin bereit, Unternehmen zu refinanzieren, wie Rolls Royce, Lufthansa, PureGym und viele andere, die nach Abklingen der Pandemie wieder rentabel werden dürften. Das Null- oder Niedrigzinsumfeld bot renditehungrigen Investoren Anlass genug zum Kauf von Hochzinspapieren.
Allerdings haben wir es mit einer veränderten Marktlandschaft zu tun. Während die Lockdowns in Europa schrumpfende Volkswirtschaften und erhebliche Belastungen für zyklische Unternehmen mit sich brachten, wuchs das Volumen des europäischen Hochzinsmarktes um etwa 100 Milliarden Euro2 bzw. um ein Viertel. Das lag hauptsächlich an den Herabstufungen von Unternehmen mit Investment-Grade-Rating zu sogenannten „Fallen Angels“. Eine ganze Reihe von großen, etablierten Qualitätsunternehmen wie Ford und Renault sind inzwischen im Hochzinssegment zu finden, und eine Hochstufung ist vorerst nicht in Sicht.
Zu Beginn des Jahres 2021 stellt sich nun die Frage: Wie schnell können die Volkswirtschaften ihr BIP wieder auf das Niveau von 2019 hieven? Wir glauben realistischerweise, dass die Wirtschaft in diesem Jahr ausgehend von dem niedrigen Ausgangsniveau relativ stark wachsen wird, wobei nicht vor 2022 mit einer Rückkehr zu früheren Niveaus zu rechnen ist. Es kann durchaus sein, dass den Hochzinsmärkten nun ein weniger bewegtes Jahr bevorsteht, unter anderem weil sich viele Unternehmensemittenten refinanziert haben. Rund 10 % des Marktes – Anleihen im Wert von ungefähr 45 Milliarden Euro3 – haben sich in den vergangenen zwölf Monaten refinanziert und die Gelegenheit genutzt, um ihre Anleihen mit Fälligkeit 2021 und 2022 – und darüber hinaus – zurückzuzahlen.
Während die Lockdowns in Europa schrumpfende Volkswirtschaften und erhebliche Belastungen für zyklische Unternehmen mit sich brachten, wuchs das Volumen des europäischen Hochzinsmarkts. Das lag hauptsächlich an den Herabstufungen von Unternehmen mit Investment-Grade-Rating zu sogenannten ‚Fallen Angels‘.
Das großzügige Liquiditätsumfeld hat etliche „Zombieunternehmen“ hervorgebracht, die im Moment noch überlebensfähig sind. Fraglich ist jedoch, ob sie bei der einsetzenden Konjunkturerholung angesichts der höheren Verschuldung und der Dynamik der Erholung in der Lage sein werden, ausreichend Cashflow zu generieren, um ihre Betriebskosten und Verbindlichkeiten zu decken. Wir meiden diese Unternehmen, indem wir uns verstärkt auf Cashflows, solide Bilanzen, operative Risiken, strategische Werte usw. konzentrieren.
Die erwartete anhaltende geld- und fiskalpolitische Unterstützung und der Marktoptimismus im Hinblick auf Verbesserungen im Zuge der Impfstoffeinführung sprechen dafür, dass dem Hochzinsmarkt ein gutes Jahr bevorsteht. Während andere Marktbeobachter jedoch ähnliche Ansichten vertreten, stellt dies bereits für sich genommen ein Risiko dar. Unseren Schätzungen zufolge könnte der Gesamtmarkt eine Rendite von ca. 3,5 % erzielen. Darin berücksichtigt sind die aktuelle Rendite von knapp über 3 %, der „Roll-Down-Effekt“ von Anleihen, die schon vor längerer Zeit emittiert wurden, und die unausweichlichen Ausfälle bei der Rückzahlung von Anleihen durch einige wenige Unternehmen sowie die Möglichkeit einer leichten Verengung der Kreditaufschläge nach Abflauen der Corona-Krise.
Der Überfluss an Liquidität hat etliche ‚Zombieunternehmen‘ hervorgebracht, die im Moment noch überlebensfähig sind. Fraglich ist jedoch, ob sie bei der einsetzenden Konjunkturerholung in der Lage sein werden, ausreichend Cashflow zu generieren, um ihre Betriebskosten und Verbindlichkeiten zu decken.
In renditeschwachen Zeiten ist das eine attraktive Rendite. So sind in den letzten zwölf Monaten sogar die USA zum Nullzinsland geworden. Das kurze Ende der Renditekurve ist eingebrochen, und die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen ist um 1 % gesunken, bevor in der Hoffnung auf ein umfangreiches US-Konjunkturpaket eine leichte Erholung einsetzte.
Während der Impfstoff den Weg zurück zur Normalität ebnet, präsentiert sich der nun größere Markt für europäische Hochzinsanleihen als mögliche Quelle relativ stabiler, positiver Erträge.
Roman Gaiser, Head of High Yield EMEA, Columbia Threadneedle Investments
1 Datengrundlage: ICE BoAML Index HPS2.
2 Datengrundlage: ICE BoAML Index HPS2.
3 JP Morgan, Final Score: European High Yield Q4 and FY20 Review, 5. Januar 2021.