Gesetzliche Initiativen zur besseren Überwachung von Lieferketten wie das Lieferkettengesetz in Deutschland sind nach Ansicht der Fondsgesellschaft Columbia Threadneedle Investments ein Schritt in die richtige Richtung. „In zunehmend ungleichen und dezentralisierten Lieferketten mit Zulieferern aus verschiedenen Regionen könnten laxe Geschäftspraktiken mit Fokus auf Kostensenkungen schnell Einzug in Lieferketten halten“, sagt Andrea Carzana, Portfoliomanager für europäische Aktien, bei Columbia Threadneedle Investments. „Daher sind Gesetze zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights) zu begrüßen.“
Grundsätzlich befürwortet Columbia Threadneedle Maßnahmen zur strikteren Einhaltung von Umwelt- und Sozialkriterien sowie Aspekten guter Unternehmensführung (auf Englisch: Environmental, Social und Governance – kurz ESG) auch in den Lieferketten von Unternehmen – und entsprechende Reportings durch die Firmen. „Für eine erfolgreiche Umsetzung wäre jedoch auch wichtig, dass Unternehmen einen standardisierten, verlässlichen Handlungsrahmen bekommen, den sie befolgen können.“ Und Gesetze allein genügen Columbia Threadneedle zufolge nicht, um Fortschritte zu erwirken. „Wichtig wäre es, Unternehmen wirklich zu testen“, sagt Carzana.
Der Grund für den genaueren Blick auf ESG-Profile von Firmen insgesamt und die Lieferketten im Speziellen seien nicht politische Initiativen, sondern dass Verbraucher und Kunden ein Umdenken forderten. „In der Vergangenheit konnten Unternehmen auf Kosten sozialer Faktoren und der Umwelt wachsen“, erklärt Carzana. „Während die Kosten des Wachstums früher auf diese Weise externalisiert wurden, sollen sie jetzt internalisiert werden – sprich: Die Unternehmen sollen sie tragen.“ Unter dem Strich blieben die Kosten also gleich, sie würden nur umverteilt.
„Politische Initiativen, die auf solche veränderten Verbraucherwünsche eingehen, sollten realistisch sein“, fordert Carzana. Zur realistischen Ausgestaltung des Lieferkettengesetzes gehört seiner Ansicht nach, dass Unternehmen nicht unbegrenzt für Vergehen von Lieferanten haftbar gemacht werden können sollen. „Denn es dürfte schwer möglich sein, jeden Zulieferer bis ins kleinste Detail zu überprüfen.“ Eine Begrenzung sei auch im Hinblick auf mögliche Strafzahlungen sinnvoll. In diesem Zusammenhang verweist der Experte auf die Niederlande, wo Verstöße gegen das Gesetz gegen Kinderarbeit mit Bußen von bis zu zehn Prozent des Umsatzes geahndet würden. „Eine weitere Möglichkeit wäre, die Manager-Gehälter daran zu knüpfen, ob Unternehmen dem vorgegebenen Rahmen folgen.“
Zur realistischen Umsetzung gehört Columbia Threadneedle zufolge auch ausreichend zeitlicher Vorlauf, damit die Unternehmen sich auf das neue Rahmenwerk einstellen können. Die Corona-Krise sei jedoch kein Grund, Initiativen wie das Lieferkettengesetz zu verschieben. Carzana: „Es sind Verbraucher und Kunden, die einen entsprechenden Wandel wollen. Dieser Trend lässt sich nicht verschieben.“ Unternehmen, die dieser Entwicklung frühzeitig gerecht würden, könnten langfristig Wettbewerbsvorteile erzielen. „Dies macht Bestrebungen wie das Lieferkettengesetz aus Investorensicht interessant und relevant“, sagt Carzana.
Investoren könnten ein Umdenken hinsichtlich der Lieferketten zwar unterstützen. „Aber als einzelner Investor lässt sich nicht allzu viel erreichen“, gibt Carzana zu bedenken. „Engagement und ein gemeinsames Vorgehen sind daher entscheidend.“ Aus diesem Grund schließe sich die Fondsgesellschaft beispielsweise einer entsprechenden Initiative von Investoren in Großbritannien an. Neben der Zusammenarbeit der Investoren sollten auch die Unternehmen untereinander kooperieren.
„Wir ermutigen Firmen dazu, zusammenzuarbeiten und auch mit anderen Stakeholdern zu kooperieren, um Herausforderungen anzugehen“, sagt Carzana. So sei es in einigen Branchen schwieriger als in anderen, einen genauen Überblick über Lieferketten zu erhalten. Als Beispiel dafür nennen die Experten die Landwirtschaft. Zudem falle es kleinen Unternehmen tendenziell schwieriger als größeren, ihre Lieferketten genau zu kontrollieren.
Wettbewerbsnachteile für Unternehmen, die ihre Lieferketten genau prüfen, erwartet Columbia Threadneedle nicht. „Im Gegenteil: Das ist ein Wettbewerbsvorteil. Firmen mit starken und verlässlichen Lieferketten sollten diesen Vorteil nutzen können, um noch wettbewerbsfähiger zu werden.“ Damit würden Lieferketten als Unterscheidungskriterium in allen Branchen noch wichtiger.