„Nachdem Christine Lagarde und der EZB-Rat auf der Pressekonferenz im Februar einen deutlicheren Kurswechsel angedeutet hatten, stiegen die Erwartungen an eine beschleunigte Reduzierung der Anleihekäufe und eine frühere Anhebung der Zinssätze erheblich. Diese Erwartungen wurden jedoch in den darauffolgenden Wochen etwas gedämpft. Russlands brutaler und grundloser Einmarsch in die Ukraine hat die Welt schockiert und die Erwartungen für Inflation und Wachstum in den Industrie- und Schwellenländern in unterschiedlichem Ausmaß in Frage gestellt. Die Inflationsprognosen sind von einem bereits historisch hohen Niveau aus gestiegen, was auf einen weiteren Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise zurückzuführen ist. Gleichzeitig sind die Wachstumserwartungen gesunken, da die Lebenshaltungskosten das Einkommen der Haushalte weiter schmälern.
Angesichts der zunehmenden Unsicherheit hat die EZB heute eine überarbeitete Ausstiegsstrategie vorgelegt und den Zeitplan für das Auslaufen der zusätzlichen APP-Käufe, die zuvor zur Gewährleistung eines reibungslosen Ausstiegs aus dem PEPP vorgesehen waren, von zwei auf ein Quartal verkürzt. Der EZB-Rat ist bei dem Ausstieg aus dem APP-Programm weiterhin flexibel. Er signalisierte die Bereitschaft, es im dritten Quartal zu beenden, sofern die tatsächlichen Daten die Erwartung stützen, dass sich die mittelfristigen Inflationsaussichten danach nicht abschwächen werden. Christine Lagarde erklärte, dass sich die Abwärtsrisiken für das Wachstum und die Aufwärtsrisiken für die Inflation aufgrund der Situation in der Ukraine verschärft hätten und der Ausschuss daher bereit sei, den Zeitplan anzupassen, falls sich die Aussichten ändern.
Etwaige Anpassungen der EZB-Zinssätze könnten allerdings erst nach Abschluss des Programms erfolgen, wenn das Ziel der Inflationserwartungen des Ausschusses deutlich vor dem Prognosezeitraum erreicht wird. Die Verkürzung des Zeitplans für das Tapering weckt erneut die Erwartung, dass die EZB den Leitzins bis zum Jahresende auf nahe Null anheben könnte, ein Niveau, das seit Mitte 2014 nicht mehr erreicht wurde.“
Dave Chappell, Senior Portfoliomanager im Bereich Fixed Income bei Columbia Threadneedle Investments