„Die Reaktion der Märkte in ganz Europa auf die Ukraine-Krise war heftig, aber gerechtfertigt,“ schreibt Francis Ellison, Client Portfolio Manager für europäische Aktien bei Columbia Threadneedle Investments in einem aktuellen Marktkommentar. Die Papiere europäischer Banken und anderer Unternehmen mit Engagement in Russland sind um mehr als 30 % eingebrochen. Dem Experten zufolge droht den größeren europäischen Instituten kein systemisches Risiko, es könnte aber auf dem Kontinent zu weiteren Kreditausfällen kommen. Ellison: „Europäische Banken verfügen über erhebliche Mengen an überschüssigem Kapital – ausreichend, um Aktienrückkäufe auszulösen. Die Banken könnten also zwar an Eigenkapital verlieren, dies dürfte aber kein Solvenzrisiko bedeuten.“
Sollten die Energiepreise die Inflation massiv anheizen, stiege der Kostendruck auf die Unternehmen. „Wir halten Ausschau nach Unternehmen mit einer soliden Preissetzungsmacht. Nach kurzfristigen Verwerfungen sollten diese auch weiterhin florieren – auf jeden Fall stärker als ihre schwächeren Konkurrenten. Wir überwachen die Inflationsaussichten genau, und jegliche längerfristige Auswirkung auf die Zinssätze wird in unsere Entscheidungsfindung einfließen,“ erläutert der Portfoliomanager.
Die Zinsen seien von zentraler Bedeutung. In den USA deute alles darauf hin, dass die US-Notenbank die hinlänglich angekündigten Zinserhöhungen auch umsetzen werde. Die EZB habe dagegen eine geringere Bereitschaft zu Zinsschritten erkennen lassen. Erstens, weil höhere Zinsen nichts an gestiegenen Energiepreisen ändern würden, und zweitens, weil höhere Zinsen in Verbindung mit höheren Energiekosten bei den Verbrauchern schlecht ankämen und die Gefahr einer Rezession mit sich bringen würden.
„Wir gehen in unserem Basisszenario davon aus, dass deutliche Zinsanhebungen unwahrscheinlich sind und Zinsschritte verschoben wurden. Sollten die Zinsen jedoch deutlich steigen, dann hätte dies Auswirkungen auf die Bewertungen der Märkte insgesamt. Die von uns favorisierten nachhaltigen langfristigen sogenannten „Compounder“, also Unternehmen, die von langfristigen Wachstumstrends profitieren und den Wert für ihre Aktionäre stetig steigern können, sind gut aufgestellt, um das neue Umfeld operativ zu meistern“, führt Ellison aus. Auswirkungen auf ihre Bewertungen stellten jedoch ein Risiko dar.
Neben der offensichtlichen Belastung durch die Energiepreise könnte es in Europa zu einem Schock aufgrund steigender Lebensmittelpreise kommen. Dies könnte den erwarteten Konsumaufschwung untergraben. Für dieses Jahr hatte man erstmals seit zehn Jahren für Europa ein stärkeres Wachstum prognostiziert als für die USA, man hatte mit einem Wachstum von 4% bzw. 3,5% gerechnet1, allerdings schlug bei den Prognosen für Europa die Aufhebung der Pandemiebeschränkungen positiv zu Buche. In den USA ist diese Aufhebung mit den damit verbundenen vorteilhaften Auswirkungen bereits vollzogen. Man war davon ausgegangen, dass die Verbraucher in Europa, die nun das während der Pandemie gesparte Geld ausgeben, die wichtigste Antriebskraft für dieses Wachstum sein würden.
1 Columbia Threadneedle Investments, 28. Februar 2022