Dara White, Global Head of Emerging Markets Equities bei Columbia Threadneedle, bezeichnet die Invasion Russlands in der Ukraine als „Schwarzen Schwan“, ein folgenschweres, kaum vorhersehbares Ereignis. Zu Jahresbeginn 2022 wäre man im Basisszenario von einer wahrscheinlichen Annexion der Ostukraine und möglichen Sanktionen ausgegangen. „Deshalb haben wir im Januar die Anteile an Sberbank abgestoßen“, schreibt White in einem aktuellen Marktkommentar. Mit dem Eintreten des Extremszenarios eines Einmarschs habe man nicht gerechnet. Infolge der Invasion habe man die verbliebenen Engagements abgestoßen, soweit dies bei den herrschenden Liquiditäts- und Marktbeschränkungen möglich war.
„Aktuell beherrscht die makroökonomische Volatilität die Schwellenmärkte und überschattet die Fundamentaldaten“, schreibt White. Die Volatilität sei die Folge unterschiedlicher Ereignisse und Probleme, darunter die regulatorische Neuausrichtung in China, die Auswirkungen der Covid-19-Politik, die makroökonomische Entwicklung in Brasilien, die Inflationssorgen, die Straffung der geldpolitischen Zügel und der russische Einmarsch in die Ukraine. Diese hätten kurzfristig einen starken Effekt auf die Aktienperformance. „Wir bleiben jedoch fest davon überzeugt, dass die Aktienmärkte langfristig von den Unternehmensgewinnen bestimmt werden. Kurzfristig könnte die makroökonomische Volatilität zwar andauern, letztlich wird sich die Fokussierung auf die Fundamentaldaten jedoch auszahlen.“
Vergleichbare Situationen, in denen makroökonomische Sorgen Fundamentaldaten überschatteten, habe er schon früher erlebt. „Doch da wir uns auch in diesen Phasen auf Qualität und die Bewertungen konzentrierten, waren wir für die anschließende Markterholung und die folgenden Phasen einer Outperformance ideal aufgestellt“, schreibt White. Aktuell beträfen diese insbesondere Schwellenmärkte wie China und Brasilien. „In China hat der Markt unseres Erachtens auf die regulatorische Neuausrichtung überreagiert. Viele der Ankündigungen lesen sich wie Wunschzettel von Regierungen der Industrieländer, beispielsweise kartellrechtliche Bestimmungen oder die Einschränkung monopolistischen Verhaltens und der Nutzung von Verbraucherdaten durch große Technologiekonzerne“, so White. „Wir glauben, dass die erste Phase der Regulierung hinter uns liegt, die Risikoprämie für Aktien, die sich aus der nationalen Regulierung ergibt, scheint nun eingepreist.“ In China rechnet White mit geringerer Volatilität und geld- und fiskalpolitischen Lockerungen, sowohl im Immobiliensektor als auch bezüglich der Covid-19-Politik.
Die aktuell schwache Performance in Brasilien sei auf pandemiebedingte Ausgaben, Inflation, Zinsentwicklungen und Unsicherheiten mit Blick auf die Wahlen zurückzuführen. „Die aktuellen Bewertungen sind Ausdruck eines verstärkten makroökonomischen Risikos, das bald den Höhepunkt erreichen dürfte.“ White zeigt sich optimistisch, dass die Zentralbank bezüglich der Inflation die richtigen Schritte unternommen hat, was sich zukünftig auch in den Bewertungen widerspiegeln sollte. „Langfristig stehen wir Brasilien insgesamt jedoch positiv gegenüber, denn sowohl beim Unternehmergeist als auch bei der Art der Unternehmen und Geschäftsmodelle, die neu auf den Markt kommen, sind Veränderungen festzustellen.“
Das Umfeld nach dem Krieg wird sich White zufolge auf die Inflation auswirken und die Preise für Nahrungsmittel und Treibstoff steigen lassen. Das würden die Verbraucher in Schwellen- und Industrieländern schmerzlich spüren. „In diesem Umfeld verstärken wir unser Engagement in Inflationsgewinnern, beispielsweise Finanzdienstleister und Rohstoffproduzenten. Dabei konzentrieren wir uns aber weiterhin auf strukturelle Wachstumschancen.“