Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell machte auf dem Treffen in Jackson Hole letzte Woche deutlich, dass er die Zinsen so lange anheben werde, bis die Inflation eindeutig unter Kontrolle sei. Im Gegensatz dazu hatten die Märkte eine Kehrtwende der Fed für das nächste Frühjahr bereits eingepreist, mit deutlich sinkenden Zinssätzen bis Ende 2023. Nach Powells Rede – und den Äußerungen weiterer Mitglieder des Zinsausschusses – rechnen die Märkte in den nächsten Monaten mit einer schnelleren Straffung und danach nur noch mit einem moderaten Rückgang der Zinsen. Die Fed räumte auch ein, dass die Arbeitslosenquote steigen müsste, um die Inflation einzudämmen. Meiner Meinung nach ist eine regelrechte Rezession erforderlich.
Die Inflation in Europa ist hoch und steigt weiter, angetrieben vor allem von den Lebensmittel- und Energiepreisen. Die Gaspreise sind infolge der russischen Lieferkürzungen um das 20-fache gestiegen – das sind 2.000 Prozent. Die explodierenden Energiekosten werden Europa mit Sicherheit in eine Rezession stürzen. Die Zinssätze werden auch hier steigen müssen, aber die inländischen Inflationsquellen – Löhne und Mieten – sind bei weitem nicht so ausgeprägt wie in den USA.
Werfen wir nun einen Blick auf Großbritannien. Wenn Liz Truss, wie allgemein erwartet, die nächste Premierministerin wird, könnte Sie auf die Lebenshaltungskostenkrise mit einem außergewöhnlichen Plan reagieren. Der Plan sieht vor die Energiepreise über einen staatlich unterstützten Fonds einzufrieren, der den Energieunternehmen Geld leihen soll. Die Darlehen würden zurückgezahlt werden, wenn die Gaspreise fallen. Das Ergebnis wäre eine niedrigere Inflation, ein geringerer Aufschlag auf indexgebundene Staatsanleihen, niedrigere Sozialversicherungsbeiträge und höhere persönliche Einkommen. Dadurch könnte sogar eine Rezession abgewendet werden. Der Plan würde jedoch massive, unbefristete Subventionen erfordern, und von einem starken Rückgang der Gaspreise abhängen. Es wäre also eine Strategie mit hohem Risiko und hohem Gewinn.
Der Hintergrund ist also äußerst beunruhigend für Großbritannien im Allgemeinen und das britische Pfund im Besonderen. Nach dem überraschenden Anstieg der Inflation in Großbritannien vor zwei Wochen wuchs die Erwartung auf künftig steigende Bankzinsen sprunghaft an. Diese würden normalerweise Kapitalzuflüsse mit sich bringen und das britische Pfund stärken – doch die Währung konnte sich nicht erholen. Mehrere Wirtschaftsexperten merkten an, dass dies die Art von Reaktion sei, die man in einem Schwellenland sehe. Ich denke, das ist übertrieben. Aber da sich das Leistungsbilanzdefizit auf 5 Prozent des BIP zubewegt und die Gaspreise in die Höhe schnellen, besteht die reale Gefahr, dass das britische Pfund gegenüber dem starken US-Dollar abstürzt. Das Allzeittief lag im Februar 1985 bei 1,05 US-Dollar, knapp über der Parität. Vielleicht sehen wir dieses Niveau wieder.
Insgesamt sind dies schlechte Nachrichten für Risikoanlagen. Ich gehe davon aus, dass die Aktienkurse sinken werden.
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region