„Die US-Notenbank bemühte sich, die Hoffnungen des Marktes zu zerstreuen, dass sie bald zu niedrigeren Zinsen übergehen würde. Stattdessen könnten die Zinssätze weiter steigen und länger hoch bleiben, als die Märkte erwartet hatten. Im Gegensatz dazu sagte die Bank of England (BoE) eine längere Rezession voraus und prognostizierte, dass die Inflation unter ihrem 2-Prozent-Ziel liegen würde, wenn die Leitzinsen den Markterwartungen folgen würden.
Trotz der Zurückhaltung der BoE sind die Hypothekenzinsen in Großbritannien seit September steil angestiegen. Die Auswirkungen auf die Entwicklung der Immobilienpreise sind bekannt: Nach Jahren, sogar Jahrzehnten der Stärke gehen die Preise zurück. Doch das Ausmaß des Rückgangs ist höchst ungewiss. Wir vermuten, dass der Rückgang erheblich und lang anhaltend sein wird. Die Zinssätze in Großbritannien und weltweit sind seit 1980 auf einem volatilen, aber allgemein sinkenden Pfad. Da der Wunsch nach Wohneigentum ungebrochen groß ist, wurden niedrigere Hypothekenzinsen grob in höhere Hauspreise umgerechnet. Das bedeutet bei einer Halbierung der Zinssätze eine nahezu Verdopplung der Hauspreise, selbst wenn der Rückgang mit einer geringeren Inflation einhergeht. Es geht um die Cashflow-Beschränkungen beim hypothekenfinanzierten Hauskauf. Nun denken wir, dass die Ära der ultraniedrigen Zinssätze hinter uns liegt.
Zu den höheren Hypothekenzinsen kommt noch der Druck auf die Realeinkommen durch sinkende Reallöhne, höhere Steuern und geringere Staatsausgaben. Aber es gibt auch viele positive Einflüsse auf den Wohnungsmarkt. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, und obwohl die Hypothekenzinsen steil angestiegen sind, bleiben sie in absoluten Zahlen niedrig. Außerdem sind nach dem sprunghaften Anstieg der Zinssätze nach der Veröffentlichung des Haushalts von Kwasi Kwarteng die Erwartungen für die Leitzinsen gesunken, sodass auch die Hypothekenzinsen allmählich wieder sinken.
Was bedeutet dies alles für die Gesamtwirtschaft? Erstens wird die Wachstumsschwäche Großbritanniens gegenüber den USA durch das massive Leistungsbilanzdefizit noch verschärft, sodass ich mit einem weiterhin schwachen Pfund rechne. Zweitens wird die Schwäche des Immobilienmarktes die Wirtschaftstätigkeit insgesamt beeinträchtigen, sodass wir die düsteren Aussichten der BoE teilen. Dies wird den Anstieg der Leitzinsen begrenzen. Trotz der Aussicht auf einen strengen Haushalt der neuen Regierung wird das Haushaltsdefizit hoch bleiben. Darüber hinaus muss die BoE die massiven Bestände an Staatsanleihen verkaufen, die sie im Rahmen der quantitativen Lockerung gekauft hatte, sowie die ultralanglaufenden Staatsanleihen, die sie im Rahmen des Notfallprogramms erworben hatte.
Die Aussichten sind jedoch nicht nur düster. Die britische Wirtschaft wird sich erholen, die Inflation wird zurückgehen und wir werden zum Wachstum zurückkehren. Risikopapiere – wie Aktien – haben eine schwere Zeit vor sich und könnten das Jahr 2023 schwach beginnen, aber ich rechne damit, dass wir im Laufe des Jahres den Beginn eines Bullenmarkt erleben.“
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region