„Von Zeit zu Zeit deutet eine Wirtschaftsstatistik auf eine große Veränderung bei den Aussichten hin. Der US-Verbraucherpreisindex der letzten Woche tat genau das. Sowohl die Gesamt- als auch die Kerndaten fielen und lagen 0,2 Prozentpunkte unter den Erwartungen. Die gute Nachricht lag jedoch in den Details. Erstens verlangsamte sich der Mietpreisanstieg. Dieser ist zuletzt stark gestiegen, und viele Analysten (mich eingeschlossen) erwarteten, dass sich dies fortsetzen würde. Die Messweise bei den Mieten deutet auf eine anhaltende Bewegung hin, sodass die jüngsten Zahlen die Hoffnung wecken, dass eine weitere Verlangsamung bevorsteht.
Die nächste gute Nachricht betraf die Kosten für medizinische Versorgung. Auch hier besteht die Hoffnung, dass sich die Entwicklung fortsetzt. Es deutet sich an, dass der durch Engpässe verursachte Druck, der die Preise von Autos bis hin zu Waschmaschinen in die Höhe getrieben hat, rasch nachlässt. Daher gibt es gute Gründe dafür, einen weiteren Rückgang der Inflation zu erwarten.
Die Märkte wurden durch diese Nachricht enorm beflügelt. Aktien und Anleihen legten kräftig zu und der US-Dollar fiel.
Können wir also davon ausgehen, dass die US-Notenbank ihre Zinserhöhungspläne vorzeitig aufgibt? Zweifellos sind dies gute Nachrichten, und ich denke, dass die Inflation in den USA weiter stark zurückgehen wird. Aber bei so einer niedrigen Arbeitslosenrate glaube ich nicht, dass wir uns bereits auf einem Weg befinden, der eine nachhaltige Rückkehr zum 2-Prozent-Ziel der Fed ermöglicht. Ja, die Mietinflation dürfte sich verlangsamen – sie liegt bei einer annualisierten 3-Monats-Basis bei 9 Prozent. Auch die Lohninflation dürfte mit der Verlangsamung der Wirtschaft zurückgehen. Aber weder die Löhne noch die Mieten werden sich wahrscheinlich schnell genug verlangsamen, um die Fed zu beruhigen. Die Fed, die viel zu langsam mit der Anhebung der Zinssätze begonnen hat, hat deutlich gemacht hat, dass sie die Zinsen erst dann wieder senken wird, wenn sie wirklich sicher ist, dass die Inflation auf dem richtigen Weg ist.
Davon abgesehen haben sich die Aussichten definitiv verbessert. Außerdem gibt es gute Nachrichten aus China (Corona-Lockerung und Unterstützung für den Immobilienmarkt), aus der Ukraine (Fortschritte dort lassen auf ein Ende des Konflikts durch Verhandlungen hoffen) und aus Europa (warmes Wetter senkt die Gaspreise und die Europäische Kommission lockert die Haushaltsregeln). Es ist also möglich, dass die Risikopapiere weiter zulegen. Ich denke jedoch, dass die Arbeitslosigkeit in den USA steigen und die Unternehmensgewinne gedrückt werden müssen, damit die Inflation in den USA nachhaltig sinkt.
Damit kommen wir zu Großbritannien und der Herbstprognose. Darin ist von einem großen schwarzen Loch in den Steuerfinanzen die Rede, das durch höhere Steuern und Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben gefüllt werden soll. Es wird höhere Steuern geben, wobei die Einkommensteuerschwellen bei den unteren Sätzen eingefroren und bei den höchsten Sätzen gesenkt werden. Das Office for Budget Responsibility wird sich den Prognosen der Bank of England anschließen und eine Rezession vorhersagen. Zwar könnten die durchgesickerten Informationen in der Presse darauf hindeuten, dass wir schlechte Nachrichten erwarten, und es weniger schlimm werden könnte als befürchtet. Aber die Aussichten für Großbritannien sehen nicht gut aus.“
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region
Den vollständigen Videokommentar von Steven Bell finden Sie hier.