- Aus Europa kommen gute Nachrichten: Mildes Wetter und eine unerwartet hohe Dynamik von Angebot und Nachfrage haben die Gaspreise sinken lassen. Die Inflation hat sich abgeschwächt, und die Aussichten sehen besser aus.
- In den USA waren die Beschäftigungsdaten gut. Der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor ist jedoch auf ein Niveau gesunken, das auf eine Schrumpfung der Wirtschaft hindeutet.
- Die Verbraucherausgaben dürften zurückgehen, da sich die "Covid-Sparschweine" langsam leeren und die Inflation den Wert der vorhandenen Ersparnisse auffrisst.
- Die Lohninflation in den USA ist immer noch zu hoch und steht im Widerspruch zum Ziel der Federal Reserve von 2%. Um sie unter Kontrolle zu bringen, ist eine Rezession erforderlich.
- Die Märkte scheinen immer noch eine Wende in der Fed-Politik zu erwarten - ich hingegen glaube, dass die Zinssätze noch weiter steigen müssen.
Bevor wir über die USA sprechen, sollten wir die jüngsten Nachrichten aus Europa hervorheben, denn diese waren ausgesprochen positiv: Im vergangenen Jahr führten die stark gestiegenen Erdgaspreise zu einer hohen Inflation und zu Sorgen vor einer Rezession und Stromausfällen in Europa. Doch ein bemerkenswert milder Januar und eine starke Reaktion in Form einer geringeren Nachfrage und eines höheren Angebots haben die Situation verändert. Die Gaspreise sind gesunken. In Verbindung mit Meldungen einer deutlich niedrigeren Inflation kam es in der vergangenen Woche zum stärksten Rückgang der Renditen deutscher Bundesanleihen seit der Wiedervereinigung vor über 30 Jahren. Die Probleme Europas sind noch nicht gelöst, aber die Aussichten haben sich definitiv verbessert.
Wenn wir auf die USA schauen, sehen wir einen weiteren starken Anstieg der Arbeitsplätze und einen Rückgang der Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand der Neuzeit, das zeigen die US- Arbeitsmarktdaten vom Freitag. Warum spreche ich also von einer Rezession? Der Grund liegt im Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor. Dieser fiel von gesunden 56,5 auf 49,6 und damit unter die Schwelle von 50, und das ist ein Zeichen für eine Schrumpfung. Wir haben darauf gewartet, dass dieser Index so tief fällt, denn er ist stark auf den Immobiliensektor ausgerichtet, der sich eindeutig in einer Rezession befindet.
Natürlich belegt ein einzelner Datenpunkt nichts, aber wir glauben, dass sich das Blatt insgesamt wendet. Eine der wichtigsten Stützen der US-Wirtschaft war im vergangenen Jahr der private Konsum, der trotz des Drucks auf die Realeinkommen stark blieb. Die Haushalte haben die enorme fiskalische Unterstützung, die während der Pandemie zur Verfügung gestellt wurde - die so genannten „Sparschweine“ („covid piggy banks“) – zur Finanzierung ihrer Ausgaben genutzt. Ihre Zuversicht wurde durch die niedrige Arbeitslosigkeit gestärkt und in den letzten Monaten zusätzlich durch die sinkenden Benzinpreise. Aber die Sparschweine gehen langsam zur Neige, und die Inflation hat den realen Wert der vorhandenen Ersparnisse aufgezehrt.
Selbst wenn sich die US-Wirtschaft, wie wir erwarten, verlangsamt und die Nachfrage nach Arbeitskräften nachlässt, ist es noch ein weiter Weg, bis die US-Notenbank Fed davon überzeugt ist, dass die Inflation unter Kontrolle ist. In dieser Woche dürfte sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation, gemessen am Verbraucherpreisindex, erneut zurückgehen. Das Problem ist, dass die Lohninflation immer noch zu hoch ist. Vergangene Woche wurde zwar ein Rückgang des durchschnittlichen Stundenlohns gemeldet. Aber lassen Sie sich davon nicht täuschen, denn die Zahlen sind durch Kompositionseffekte verzerrt. Der durchschnittliche Anstieg ging zurück, weil mehr Niedriglohnempfänger beschäftigt wurden. Der Lohnindex „Atlanta Wage Tracker“ zeigt, dass die zu Grunde liegende Lohninflation weiterhin hoch ist – viel zu hoch, um mit dem Inflationsziel der Fed von 2 Prozent vereinbar zu sein. Noch besorgniserregender für die Fed ist die Tatsache, dass sich der Lohnanstieg für Arbeitsplatzwechsler beschleunigt, so dass die Unternehmen gezwungen sind, die Löhne ihrer bestehenden Belegschaft zu erhöhen, um sie nicht an Konkurrenten zu verlieren.
Die von der Fed bevorzugte Kennzahl für die Lohninflation ist der Beschäftigungskostenindex. Dieser wird nur vierteljährlich veröffentlicht und erscheint Ende Januar. Er wird wichtiger sein als der Verbraucherpreisindex von dieser Woche.
Was bedeutet dies alles für die Märkte? Zunächst einmal haben die schwachen Wirtschaftsdaten den Druck von den Anleihemärkten genommen und zu einer Erholung der Aktienmärkte geführt. Wenn wir jedoch, wie ich erwarte, eine Rezession brauchen, um die Lohn- und Preisinflation in den Griff zu bekommen, würden Aktien darunter leiden, da die Gewinnspannen unter Druck geraten. Zweitens ist die Verbesserung der Inflationsentwicklung zu begrüßen, aber die Fed wird erst dann beruhigt sein, wenn sie einen anhaltenden Rückgang der Lohnsteigerungen sieht. Und um dies zu erreichen, muss die Arbeitslosigkeit deutlich über das derzeitige Niveau von 3,5 Prozent steigen.
Es wird viel von einem Schwenk der Fed gesprochen, und die Märkte rechnen nur noch mit einer bescheidenen weiteren Anhebung des Leitzinses und Zinssenkungen im weiteren Verlauf dieses Jahres. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Fed die Zinsen weiter anheben wird, als die Märkte erwarten, und sie über einen längeren Zeitraum auf diesem Niveau halten wird. Ein Innehalten, kein Umschwenken.
Wir werden Jerome Powell, den Vorsitzenden der Fed, diese Woche auf einer großen Konferenz in Schweden hören. Ich denke, er wird den Optimismus der Märkte in Bezug auf die US-Zinssätze dämpfen, und das wird wieder eine schlechte Nachricht für Anleihen und Aktien sein.
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region