- Die jüngsten Wirtschaftsdaten waren stark genug, um die Befürchtungen einer drohenden Rezession zu dämpfen.
- US-Aktien haben einen schwierigen Februar hinter sich. Der weiterhin starke Arbeitsmarkt setzt die Gewinnspannen unter Druck und wird die Federal Reserve dazu zwingen, die Zinsen weiter anzuheben.
- Die sinkenden Energiepreise sind ein gutes Zeichen für die Verbraucherausgaben in Europa, und auch die wirtschaftliche Lage im Vereinigten Königreich ist viel besser als befürchtet.
- Europäische Aktien dürften US-Aktien übertreffen, während eine nachlassende US-Wirtschaft sowie ein schwächerer Dollar Schwellenländern zugutekommen könnten.
Die jüngsten Wirtschaftsdaten waren weltweit sehr gut, angetrieben durch die Wiedereröffnung Chinas, die sinkenden Gaspreise in Europa sowie die starken Beschäftigungszahlen und Verbraucherausgaben in den USA. „Damit sind die Befürchtungen einer drohenden Rezession so gut wie ausgeräumt“, sagt Steven Bell, Chefvolkswort EMEA bei Columbia Threadneedle. Stärkere Volkswirtschaften sollten bessere Gewinne für die Unternehmen und höhere Aktienkurse bedeuten – und dennoch entwickelt sich der Februar zu einem schwachen Monat für US-Aktien. Die Schwellenländermärkte haben sogar noch schlechter abgeschnitten: Der MSCI-Schwellenländerindex verzeichnete seit seinem relativen Höchststand Mitte Januar Verluste von fast 9 Prozent.
Die Gewinnspannen stehen unter Druck
Wie kam es dazu? „Zum einen bedeuten stärkere US-Daten, dass die Federal Reserve die Geldpolitik weiter straffen muss – und höhere Zinsen sind schlecht für Aktien“, erläutert der Chefökonom. Zum anderen mag der Umkehrschluss von einer stärkeren Wirtschaft zu stärkeren Gewinnen derzeit noch funktionieren – jedoch setzt der äußerst angespannte Arbeitsmarkt die Gewinnspannen stark unter Druck. Fast alle S&P 500-Unternehmen haben ihre Ergebnisse für das letzte Quartal 2022 vorgelegt, und trotz eines Umsatzwachstums von fast 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr sind die Gewinne um 4 Prozent gesunken.
Hinzu kommt: Die schlechten Nachrichten über die Inflation in den USA haben die Hoffnung gedämpft, dass die sinkenden Rohstoffpreise und die Lockerung der Angebotsbeschränkungen bei Waren zu einer positiven Inflationsentwicklung führen würden. Damit zersplittert auch die Zuversicht, dass sich die Fed wieder ihrem 2 Prozent-Ziel nähern könnte, ohne dass es dazu einer Rezession bedarf. „Dieses Szenario ist nach wie vor möglich, aber ich vermute, dass eine Rezession in den USA lediglich aufgeschoben wurde“, so Bell.
Durchwachsene Zahlen in Europa
In Europa waren die Wirtschaftsdaten durchwachsen. In Deutschland beispielsweise schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal 2022, und die Ausgaben für den privaten Konsum gingen stark zurück. Da die Erdgaspreise jedoch gesunken sind, sieht die Zukunft deutlich besser aus. Das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen hat zugenommen, und auch die Haushaltsdefizite wirken gesünder: Deutschland hat 200 Milliarden Euro für seinen wirtschaftlichen Abwehrschirm bereitgestellt – das sind immerhin 5 Prozent des BIP. Aktuell sieht es allerdings so aus, als würde Deutschland nur einen Bruchteil davon benötigen. Denn das Ziel, den Gas- und Stromverbrauch um 20 Prozent zu senken, wurde erreicht. Eine Rezession ist damit aktuell erst einmal vom Tisch. „Von einem Wirtschaftsboom sind wir jedoch noch weit entfernt“, merkt Bell an. „Die Energiepreise sind immer noch höher als vor dem Krieg in der Ukraine und auch die höheren Zinsen werden die Wirtschaft bremsen. Dennoch haben sich die Aussichten insgesamt verbessert.“
Europäische Aktien übertreffen ihre US-Pendants
Was bedeutet das nun für die Aktienmärkte? Im Gegensatz zu den USA leiden europäische Unternehmen nicht unter demselben Druck auf die Gewinnspannen. Tatsächlich haben ihre Gewinne die Gewinne der US-Unternehmen im vierten Quartal deutlich übertroffen. „Die Europäische Zentralbank und die Bank of England werden die Zinssätze weiter anheben müssen, um die Inflation unter Kontrolle zu halten. Aber der Ausfall der Nachfrage, den wir aufgrund der steigenden Energiepreise erwartet hatten, hat sich in Grenzen gehalten,“ berichtet Bell. Der Volkswirt geht davon aus, dass die europäischen Aktien in diesem Jahr besser abschneiden werden als die US-amerikanischen. „Und wenn die US-Wirtschaft zu schwächeln beginnt, dürfte dies den Druck von den Anleiherenditen nehmen und den US-Dollar schwächen. Das wiederum käme Schwellenländeraktien zugute“, so der Chefökonom.
Von Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments