Columbia Threadneedle Chefvolkswirt: Wird Europa die USA outperformen?

Europäische Unternehmen sind auf einem guten Weg, die US-amerikanischen zu überholen, erläutert Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments. Das erwartet der Ökonom für die Performance von Europa und den vereinigten Staaten. Columbia Threadneedle Investments | 07.03.2023 09:40 Uhr
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region / © e-fundresearch / Columbia Threadneedle Investments
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region / © e-fundresearch / Columbia Threadneedle Investments
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  • In der aktuellen Berichtssaison haben europäische Unternehmen die Ergebnisse ihrer US-Kollegen übertroffen.
  • Wenn die europäischen Verbraucher ihr Vertrauen zurückgewinnen und anfangen, Geld auszugeben, dürften die Unternehmen der Region von einer größeren Nachfrage und niedrigeren Energiekosten profitieren.
  • Europäische Aktien haben sich bereits gut entwickelt, doch sind wir der Meinung, dass sie noch weiter steigen könnten.
  • Die Wiedereröffnung Chinas ist positiv für Europa, aber die jüngsten Inflationsdaten deuten darauf hin, dass die Zinssätze wieder steigen werden.  
  • Die bevorstehenden Wirtschaftsprognosen - vor allem im Vereinigten Königreich - könnten optimistischere Aussichten bieten.

„Ein ehemaliger Kollege von mir aus den USA pflegte zu sagen, dass Europa ein großartiger Ort zum Reisen ist, ein großartiger Ort zum Leben, aber ein schrecklicher Ort zum Investieren,“ beginnt Steven Bell, Chefvolkswort EMEA bei Columbia Threadneedle, seinen wöchentlichen Kommentar. Ob das nun längerfristig stimmt oder nicht, die Aussichten für 2023 sind seiner Meinung nach für europäische Aktien besser als für ihre US-Pendants: Die Berichtssaison für das vierte Quartal 2022 ist bei den europäischen Unternehmen in vollem Gange, während sie bei den S&P 500-Unternehmen in den USA fast abgeschlossen ist. In den USA gab es im vergangenen Jahr keinen so starken Anstieg der Energiekosten wie in Europa, aber trotzdem haben die dortigen Unternehmen in fast jeder Hinsicht schlechter abgeschnitten als die europäischen. Insbesondere der Druck auf die Gewinnspannen war für die S&P 500-Unternehmen sehr stark, für die Unternehmen in Europa und im Vereinigten Königreich dagegen deutlich geringer. Darüber hinaus übertrafen die Ergebnisse in Europa die Erwartungen, während sie in den USA enttäuschend ausfielen.

Die wichtigste Nachricht in Europa ist der Rückgang der Energiepreise, die noch im vergangenen Herbst außerordentlich hoch waren. Diese hohen Energiepreise trieben die Inflation in Europa und im Vereinigten Königreich in den zweistelligen Bereich und zerstörten das Verbrauchervertrauen. Die nervösen Verbraucher haben ihre Spareinlagen aufgestockt, obwohl sie noch einen großen Haufen unverbrauchter Ersparnisse aus der Zeit der Covid-Krise haben. Im Gegensatz dazu griffen die zuversichtlicheren Verbraucher in den USA auf ihre Ersparnisse zurück.

„Es gibt ein plausibles Szenario, bei dem die europäischen Verbraucher ihr Vertrauen zurückgewinnen und anfangen, Geld auszugeben – von dieser erhöhten Nachfrage und den niedrigeren Energiekosten werden Unternehmen profitieren.“

Die Energiepreise sind gesunken, und europäische Aktien haben sich besser entwickelt als andere. Manch einer mag sich daher fragen, ob all diese guten Nachrichten bereits eingepreist sind. Steven Bell glaubt das nicht: Umfragen zum Anlegervertrauen in Europa zeigen nach wie vor ein düsteres Bild. Der kürzlich veröffentlichte Sentix-Index fiel schwächer aus als erwartet und liegt deutlich unter dem Durchschnitt vor dem Konjunkturaufschwung. Hier gibt es viel Potenzial nach oben, und die Wirtschaftsexperten haben gerade erst begonnen, ihre Wachstumsprognosen nach oben zu korrigieren. Darauf werden die Analysten wahrscheinlich mit höheren Gewinnschätzungen reagieren. 

Ein weiterer Faktor ist die größere Abhängigkeit Europas von China. Dies war während der katastrophalen chinesischen Nullzinspolitik ein Nachteil für Europa - im Vergleich zu den USA. Jetzt aber, da sich Chinas Wirtschaft wieder erholt, sei dies ein Vorteil, meint der Chefvolkswirt.

Natürlich gibt es nicht nur gute Nachrichten, und die jüngsten Inflationszahlen waren eher enttäuschend. Die Europäische Zentralbank wird darauf vermutlich mit höheren Zinssätzen reagieren. Aber auch in den USA hat der Inflationsdruck zugenommen, und die dortige Wirtschaft scheint sich einer Rezession zu nähern, da die Kreditstandards verschärft werden und die Zahlungsrückstände der Verbraucher steigen, wenn auch von einem niedrigen Niveau aus.

Bell glaubt, dass sich die Wirtschaftsprognosen für Europa bald verbessern werden. Das gilt umso mehr für das Vereinigte Königreich, denn die Bank of England und das Office for Budget Responsibility werden wahrscheinlich ihre Wachstumsprognosen anheben und die Inflationsprognosen senken. Zweifellos werden mittelfristig noch Warnungen vor Problemen zu hören sein. Der düstere Pessimismus jedoch, der die letzten Prognosen kennzeichnete, sollte durch ein gerüttelt Maß an Optimismus ersetzt werden. Und das könnte dann Aktien durchaus Auftrieb geben.

Von Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments

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