- Der größte Bankenkollaps seit der globalen Finanzkrise: Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) führte zu Kurzstürzen bei Banken und breiteren Indizes.
- Die britische Tochtergesellschaft der SVB wurde von der HSBC für 1 Britischen Pfund übernommen. Das dürfte verhindern, dass es im Vereinigten Königreich zu Kettenreaktionen kommt.
- Die Federal Reserve hat energische Schritte unternommen, um den jüngsten Ereignissen entgegenzuwirken. Die Märkte werden auf den Zinsentscheid nächste Woche warten – eine geringere oder gar keine Zinserhöhung scheinen nun wahrscheinlich.
- Bei der Verkündung des britischen Haushaltsplans diese Woche rechnen wir mit einer dramatischen Senkung der Inflationsprognose. Ähnlich dürfte sich auch in ganz Europa abspielen.
„Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) hat die Finanzmärkte in Aufruhr versetzt“, fasst Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle, die vergangene Woche zusammen. Die Aktienkurse von Banken weltweit, darunter auch einige der größten und am besten kapitalisierten Häuser, sind abgestürzt, und auch andere Aktienkurse brachen ein: Der S&P 500 sank in der vergangenen Woche um 4,5 Prozent, die europäischen Indizes büßten 2,3 Prozent ein. Die Credit Spreads weiteten sich ebenfalls aus, insbesondere in den USA. Die Märkte begannen wieder einmal, eine Kehrtwende der Federal Reserve (Fed) einzupreisen, und die Erwartungen für den Leitzins zum Jahresende fielen im Laufe der Woche um bemerkenswerte 0,8 Prozentpunkte. Infolgedessen gab auch der mächtige Dollar nach.
Die Angelegenheit entwickelt sich rasant. Die britische Tochtergesellschaft der SVB wurde von der HSBC für gerade einmal 1 Pfund übernommen. „Das dürfte das Vereinigte Königreich vor einem Dominoeffekt bewahren – und dennoch eröffneten die Bankaktien an der Londoner Börse am Montagmorgen mit einem Verlust von 4 Prozent“, gibt Bell zu bedenken.
Lage ernster als gedacht?
Reagieren die Finanzmärkte über? „Während wir gebannt auf die SVB blicken, ist eine weitere US-Bank in eine Schieflage geraten und die US-Behörden ergreifen energische Maßnahmen, um die Banken mit Liquidität zu versorgen“, sagt der Chefökonom. „Ich gehe zwar davon aus, dass die US-Behörden den Schaden begrenzen und ein Überschwappen auf das ganze System verhindern können. Jedoch sind die Kreditbedingungen verschärft worden, und die US-Wirtschaftsdaten für diese Woche dürften jene bestärken, nach deren Ansicht Janet Yellen und ihre Kollegen von der Fed mit ihrer geldpolitischen Straffung weit genug gegangen sind“, so Bell. Den Daten des Verbraucherpreisindex (CPI) zufolge dürften sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation einen Rückgang verzeichnen, die Einzelhandelsumsätze dürften im Vergleich zum Vormonat sinken und es sei wahrscheinlich, dass die Wohnungsbaudaten eine Rezession in diesem Sektor offenbaren. Zwar zeigten die US-Arbeitsmarktdaten vom vergangenen Freitag einen weiteren gesunden Anstieg bei der Zahl der Arbeitsplätze. „Jedoch war die Lohninflation gedämpft und die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden ging zurück“, gibt der Chefvolkswirt zu bedenken.
US-Rezession lässt auf sich warten
Kommt nun die Rezession? „Ich bin schon lange der Ansicht, dass die USA eine Rezession brauchen, um die Inflation nachhaltig auf das Ziel von 2 Prozent zu senken“, sagt Bell. Sie sollte mild und kurz sein, aber dazu führen, dass die Arbeitslosigkeit deutlich zunimmt. Aktuell sei es laut des Experten jedoch noch nicht so weit. „Auch wenn sowohl die Ereignisse der letzten Woche als auch die anstehenden Wirtschaftsdaten andeuten, dass eine Rezession näher rückt: Ich vermute, dass weitere Schritte dafür vonnöten sind,“ so Bell.
Die Märkte würden gespannt auf die Entscheidung des Zinsausschusses der Fed kommende Woche warten. „Einen Zinsschritt von 0,25 Prozent würden die Märkte als Zeichen interpretieren, dass die Fed dem Zinserhöhungszyklus bald ein Ende setzen wird“, sagt Bell. Goldman Sachs prognostiziere sogar gar keine Erhöhung – ein großer Meinungsumschwung. „Sollte die Fed die Zinsen um 0,5 Prozent erhöhen – das erschien noch vor einer Woche sehr wahrscheinlich – , könnte das die Märkte ernsthaft verunsichern“, warnt der Chefökonom. „Von den Sprechern der Fed werden wir keine Hinweise erhalten, denn sie befinden sich in der Blackout-Periode. Alles, was uns bleibt, ist nervös abzuwarten.“
Lage in Europa und Großbritannien erfreulicher
Auf der anderen Seite des Atlantiks sehe die Lage laut Bell dagegen rosiger aus: „Für den anstehenden britischen Haushaltsplan rechnen wir damit, dass die Inflationsprognose auf 3 Prozent bis Weihnachten dramatisch gesenkt und die Erwartung einer Rezession zurückgenommen wird“, berichtet der Chefökonom. Ähnlich verhalte es sich mit Europa. Hier erwartet Bell, dass eine Verbesserung des Verbrauchervertrauens zum Anstieg der Ausgaben führt. Grund seien die sinkenden Energiekosten. Zwar stehe – natürlich – kein Boom bevor, und insbesondere im Vereinigten Königreich rechnet der Chefvolkswirt mit einem weiteren Rückgang der Immobilienpreise. Doch Bells Fazit ist klar: „Im Gegensatz zu den USA verbessert sich die Nachrichtenlage auf dieser Seite des Atlantiks.“
Von Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments