Columbia Threadneedle Chefvolkswirt: Das Ende der Finanzkrise?

Der Zusammenbruch der Credit Suisse, einer Ikone des europäischen Bankwesens, hat die Angst vor einer globalen Finanzkrise wieder aufleben lassen. In seinem Kommentar dieser Woche geht Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle, einen Schritt zurück und erörtert, wo die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte in drei bis sechs Monaten stehen könnten. Columbia Threadneedle Investments | 21.03.2023 10:34 Uhr
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region / © e-fundresearch / Columbia Threadneedle Investments
Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region / © e-fundresearch / Columbia Threadneedle Investments

Laut Steven Bell gibt es drei große Unterschiede zwischen der gegenwärtigen Krise und der Weltwirtschaftskrise von 2008. Erstens liegt die Inflation heute in den entwickelten Volkswirtschaften weit über dem Zielwert, und sie hat die Prognosen der Zentralbanken dauerhaft übertroffen. Das wiederum schränkt sie in ihrem Handlungsspielraum ein. Im Gegensatz dazu war die Kerninflation in den USA und Europa vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008 niedrig und hatte seit Jahrzehnten einen rückläufigen Trend. Zweitens war das Finanzwesen damals in hohem Maße durch den Immobiliensektor fremdfinanziert. Beispielsweise betrug das Engagement der britischen Banken im Immobiliensektor mehr als 100 Prozent ihrer Einlagen. Und schließlich kam es zur Weltwirtschaftskrise, und die Finanzmarktregulierung wurde erheblich verschärft.

Kreditvergabestandards schon lange verschärft

„Die jüngsten Ereignisse haben die Kreditbedingungen in einer Welt verschärft, in der sie bereits restriktiver geworden waren“, so Bell. Die angehängte Grafik zeigt, dass die Banken in den USA und Europa die Kreditvergabestandards für Unternehmen bereits lange vor der jüngsten Krise verschärft haben. Bei der Kreditvergabe an kleine Unternehmen in den USA war das Tempo der Veränderungen gemäß dem Volkswirt ähnlich hoch wie während der Weltwirtschaftskrise. Die Daten beziehen sich allerdings auf den Januar – eine Aktualisierung steht erst im nächsten Monat an und wird sicherlich eine weitere deutliche Verschärfung mit sich bringen.

Banken verschärfen ihre Kreditvergabestandards, insbesondere in den USA

Wird die Federal Reserve (Fed) also ihren Kurs ändern, die Zinsen in dieser Woche nicht anheben und dann mit einer aggressiven Zinssenkung beginnen? Bell denkt, dass die Fed zögern wird, die Zinsen zu senken, solange der Arbeitsmarkt so angespannt und die Inflation so hoch ist: „Eine zu frühe Zinssenkung war ein Fehler, der ihrer Meinung nach in vergangenen Inflationsperioden gemacht wurde. Sie mussten dann den Kurs ändern, was zu einer tieferen Rezession führte, als wenn sie die Nerven behalten hätten. Ihre Tendenz könnte also durchaus darin bestehen, das Finanzsystem zu unterstützen und eine zu frühe Zinssenkung zu vermeiden.“

Inflationsdruck in den USA lässt nach

Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass der zugrunde liegende Inflationsdruck in den USA nachlässt. Der sogenannte Atlanta wage tracker wurde vor einigen Tagen veröffentlicht und zeigte eine deutliche Wende. Vor allem das Lohnwachstum derjenigen, die im letzten Jahr den Arbeitsplatz gewechselt haben, ist im Vergleich zu denjenigen, die ihren Arbeitsplatz behalten haben, stark zurückgegangen. Eine der Hauptursachen des Aufwärtsdrucks auf die Löhne habe somit nachgelassen. Dies folgt auf den bescheidenen Anstieg der Verdienste im jüngsten Beschäftigungsbericht. Darüber hinaus hat sich der US-Erzeugerpreisindex deutlich verlangsamt, was auf einen weiteren Druck auf die Gewinnspannen der Unternehmen hindeutet. Dieser Index ist viel breiter als früher und viel umfangreicher als in anderen Ländern und bietet laut Bell damit ein gutes Maß für die Inflation in der gesamten US-Wirtschaft.
  „Das fehlende Puzzleteil im Zusammenhang mit der sinkenden US-Inflation ist der Arbeitsmarkt, der nach wie vor außerordentlich angespannt ist. Es besteht ein Zusammenhang zwischen den strengeren Kreditbedingungen und der Beschäftigung in den USA. Die Verzögerung ist lang und variabel, aber die Federal Reserve wird dies im Auge behalten“, sagt Bell.

Höhepunkt der US-Zinssätze möglicherweise erreicht

Bell ist der Meinung, dass wir kurz vor dem Höhepunkt der US-Zinssätze stehen und dass bis zum Jahresende ein deutlicher Rückgang zu erwarten ist. Die Situation in Europa sei dagegen ganz anders. Die Probleme der Credit Suisse scheinen bei anderen europäischen Banken keine Entsprechung zu finden. „Ja, die Auflösung der Anleihen der Credit Suisse war ein Schock und wird es für die Banken erschweren, weiteres Kapital zu beschaffen,“ so Bell. „Auch die Kreditvergabestandards werden sich weiter verschärfen. Aber die sinkenden Energiepreise sind eine wichtige Quelle, um das Vertrauen der Verbraucher und der Unternehmen in Europa zu stärken.“ Die Finanzen beider Sektoren sind solide. Die Europäische Zentralbank habe letzte Woche zu Recht eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte vorgenommen. Die Kerninflation in Europa steigt und der Lohndruck ist stark. Es sei durchaus möglich, dass die europäischen Zinssätze am Ende des Jahres über denen in den USA liegen werden.

Die Bank of England könnte erleichtert sein, dass diesmal nicht die britischen Banken für Schlagzeilen sorgen. Sinkende Energiepreise bedeuten, dass die Inflation im Vereinigten Königreich voraussichtlich zurückgehen wird und die Ängste vor einer Rezession nachgelassen haben. Der jüngste Haushaltsplan wird diese Trends noch verstärkt haben. Der Druck auf die Löhne hat hier bereits nachgelassen, und der Gegenwind durch höhere Hypothekenzinsen ist stark. Bell denkt, es könnte zu einer weiteren Zinserhöhung um lediglich rund 25 Basispunkte kommen. Nach Meinung des Chefökonom stehen wir kurz vor dem Höchststand der britischen Zinssätze.

Attraktive Staatsanleihen und teure Aktien

Was bedeutet dies alles für die Märkte? „Zunächst einmal sehen Staatsanleihen attraktiv aus. Trotz aller Turbulenzen rentieren US-TIPS – das US-Pendant zu britischen indexgebundenen Gilts – derzeit mit 1,2 Prozent. Das ist eine reale Rendite, die über der US-Inflation liegt, und sie sieht für den besten Kredit der Welt in einer Krise ziemlich gut aus. Zweitens könnte der Dollar aufgrund divergierender Zinstrends schwächer werden. Das ist nicht das übliche Muster in einer Krise. Drittens sehen Aktien ein wenig teuer aus. Sie könnten irgendwann eine gute Kaufgelegenheit bieten, aber vielleicht noch nicht jetzt,“ sagt Bell abschließend.

Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments

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