Nach der vermutlich letzten Zinserhöhung durch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat die Europäische Zentralbank (EZB) das Tempo der Zinsanpassung gedrosselt und hob die Leitzinsen im Einklang mit den Markterwartungen um 25 Basispunkte an. Das entspricht der Hälfte der bisherigen drei Zinsschritte. Um die Mitglieder des Ausschusses zu besänftigen, die einen größeren Zinsschritt befürwortet hätten, wird die Reinvestition fälliger Anleihen im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) voraussichtlich im Juli beendet – früher als von den meisten erwartet. Dies dürfte zu Aufwärtsdruck bei den Spreads der Peripherieländer führen, auch wenn die Zusage von Reinvestitionen im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) bis 2024 weiterhin für mehr Flexibilität bei den Länderengagements und damit für Unterstützung sorgen wird.
Präsidentin Lagarde betonte nachdrücklich, dass die EZB nicht „pausiert“ – ein klarer Versuch, die Zinserhöhung der EZB von der der Fed abzugrenzen. Aber sie signalisierte auch, dass der Großteil des Weges zu einer angemessen restriktiven Politik nun bereits hinter uns liegt. In den nächsten Monaten werden die verzögerten Auswirkungen der aggressiven Anpassung der Geldpolitik auf die Realwirtschaft spürbar werden. Zeitgleich findet ein schnellerer Bilanzabbau statt und die billigen Kredite, die im Rahmen der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) zur Verfügung gestellt wurden, werden fällig. Die Gesamtheit dieser Maßnahmen dürfte die Wirtschaft der Eurozone stark bremsen. Diese befindet sich bereits jetzt im Stillstand – das bestätigen die BIP-Daten für das erste Quartal. Die Tatsache, dass das Worst-Case-Szenario eines strengen Winters nicht eingetreten ist, mag kurzfristig die Stimmung und die Wirtschaftstätigkeit verbessert haben, aber die dreifache Straffung der Politik wird beidem bald wieder einen Dämpfer verpassen.
Von Dave Chappell, Fixed Income Senior Portfolio Manager bei Columbia Threadneedle Investments