- Anleihen haben zuletzt schlecht performt, die Preise für langlaufende Staatsanleihen stürzten ab. Das lag allerdings nicht an steigenden Inflationserwartungen, sondern an steigenden realen Renditen.
- Der Bärenmarkt hat drei Gründe: den Übergang von der quantitativen Lockerung zur quantitativen Straffung, eine Kreditverknappung sowie den Ausverkauf von Long-Positionen von Anleihen auf den Terminmärkten.
- Der jüngste Renditeanstieg macht Anleihen attraktiv, denn der Preis habe sich bereits an das größere Angebot angepasst, und vor allem indexgebundene Gilts seien für Pensionsfonds attraktiv.
- In den USA ist die Rezession eher aufgeschoben als aufgehoben.
- Anleihen dürften sich erholen, wohingegen Aktien stagnieren dürften, da Unternehmen unter Druck stehen.
Bell erklärt, die Breakeven-Werte seien hätten sich nicht bedeutend verändert. Was gestiegen ist, seien die realen Renditen. Noch schlechter erging es britischen Staatsanleihen. Inhaber der 50-jährigen indexgebundenen britischen Gilts erlitten seit Anfang April einen Kapitalverlust von fast 30 Prozent.
Doch was ist der Grund für diesen Bärenmarkt bei Anleihen? „Dass die US-Schuldenobergrenze etwas damit zu tun hat, glaube ich nicht“, beteuert Bell. Stattdessen führt er die schlechte Performance von Anleihen auf drei Faktoren zurück:
- Übergang von der quantitativen Lockerung zur quantitativen Straffung: Die geldpolitische Wende wurde von den Zentralbanken lange im Voraus angekündigt, woraufhin die Renditen der Staatsanleihen stiegen. Doch warum ein weiterer Anstieg? Bells Vermutung: Die Zentralbanken könnten das Tempo beschleunigen, mit dem sie den Bestand an angekauften Anleihen abbauen. „Ich habe kürzlich erörtert, wie quantitative Lockerung die Probleme der Regionalbanken in den USA verschärft hat: Indem die Federal Reserve Zinsen auf überschüssige Reserven zahlen musste, blockierte sie ein wichtiges Sicherheitsventil – dieses verhindert normalerweise, dass Einleger bei Verdacht einer Finanzkrise aus Banken flüchten“, so der Chefökonom, der nicht überrascht wäre, wenn die Mitglieder der Federal Reserve das Thema diese Woche zur Sprache bringen. „Sie könnten und sollten die quantitative Straffung beschleunigen“, ist Bell überzeugt.
- Eine Kreditverknappung ist im Gange: Eine Kreditverknappung – eine natürliche Folge der Leitzinserhöhungen – ist zweifellos im Gange. Eine plötzliche und drastische Einschränkung der Kreditvergabe scheint es allerdings nicht zu geben. Und auch die Anzeichen einer Abschwächung auf dem US-Arbeitsmarkt hätten sich als falsch erwiesen, da die steigende Zahl an Anträgen auf Arbeitslosenunterstützung sich als Betrug herausstellte.
- Terminhändler verkaufen Long-Positionen in Staatsanleihen: Mit dem Anstieg der Renditen mussten Händler an den Terminmärkten, die Long-Positionen in Staatsanleihen besaßen, ihre Positionen abbauen und Anleihen verkaufen. Diese Art von Reaktion gibt es immer – in letzter Zeit war sie aber ungewöhnlich stark ausgeprägt.
Staatsanleihen werden sich erholen
Wie geht es nun weiter? „Ich denke, dass der jüngste Renditeanstieg Anleihen attraktiv macht“, betont Bell. Zwar bedeute die quantitative Straffung, dass das Angebot größer wird. Doch der Preis habe sich bereits angepasst, und die Nachfrage werde sich von anderen Anlageklassen nun wieder auf Anleihen verlagern. Bereits jetzt zeigt sich ein geringeres Interesse an Unternehmensanleihen. „Insbesondere der steile Renditeanstieg bei indexgebundenen Anleihen des Vereinigten Königreich macht es für Pensionsfonds attraktiv, ihr Kapital jetzt anzulegen“, sagt der Chefvolkswirt von Columbia Threadneedle. Das werde die Nachfrage nach Gilts erhöhen, insbesondere falls die Daten diese Woche Großbritannien einen starken Rückgang der Inflation bescheinigen – was mit größter Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird.
Für die USA sieht Steven Bell schwarz: Zwar seien einige US-Wirtschaftsdaten in letzter Zeit besser ausgefallen, doch das gelte nicht für alle Bereiche. So seien die Hypothekenzinsen nach einem kurzen Rückgang zwischen Oktober 2022 und Anfang Februar fast wieder auf dem vorherigen Höchststand und ein erneuter Abschwung sei wahrscheinlich. Der Capex-Tracker von Goldman Sachs sei in den negativen Bereich gefallen – ein Anzeichen dafür, dass US-Unternehmen ihre Investitionen kürzen. Grund sei größtenteils der Druck auf die Gewinnspannen. „Wenn Unternehmen Investitionen kürzen, bauen sie in der Regel auch Arbeitsplätze ab“, so Bell. Für ihn steht fest: Die US-Rezession ist eher aufgeschoben als aufgehoben.
Bells Fazit lautet: eine Erholung bei Staatsanleihen. „Dies würde Aktien stützen, aber da die Unternehmen unter Druck stehen, dürften auch Aktien stagnieren“, so der Chefökonom.
Sehen Sie hier den Originalkommentar mit Video von Steven Bell.