- Kurzfristig bleiben die Ausfallraten wahrscheinlich niedrig, der unterschwellige Trend weist aber leicht aufwärts.
- Die Wiedereröffnung des europäischen Primärmarkts wirkt sich positiv aus, aber für überschuldete Emittenten zeichnen sich weiterhin schwierige Refinanzierungsbedingungen ab.
- Angesichts der heranrollenden Fälligkeitswelle für Anleihen in den Jahren 2025/26 dürften die Ausfallquoten allerdings steigen.
Jahrelang war Geld billig und Kreditausfälle kamen unnatürlich selten vor. Heute ist die Lage jedoch ein andere: Inflation und Zinsen bleiben hoch, und auch das Wirtschaftswachstum dürfte verhalten ausfallen. Steigen angesichts dessen die Ausfallraten? Bisher waren die Zahlen wenig besorgniserregend: Nach dem Höchststand von 6,9 Prozent infolge der Covid-19-Pandemie lag die zwölfmonatige Ausfallrate europäischer Hochzinsanleihen bis Dezember 2022 laut JP Morgan bei lediglich 0,4 Prozent. Doch der Ausblick ist weniger erfreulich. Moody‘s schätzt, dass die langfristige durchschnittliche Gesamtausfallrate für hochverzinsliche Anleihen in den nächsten zwölf Monaten auf 4,1 Prozent steigt. Für einen 24-Monats-Zeitraum geht die Ratingagentur von 8,2 Prozent aus. Bei unserer eigenen Prognose für europäische Hochzinsanleihen sind wir ein wenig optimistischer als Moody’s und gehen unverändert von einer Ausfallrate von 1,4 Prozent in den nächsten zwölf Monaten aus. Unsere langfristige Schätzung haben wir dagegen nach oben korrigiert: Für den 24-Monats-Zeitraum rechnen wir damit, dass die Ausfallraten auf 3,7 Prozent steigen.
Entwarnung nur kurzfristig
Für kurzfristige Entwarnung bei Kreditausfällen sprechen mehrere Faktoren:
- Abwendung des Zahlungsverzugs bei Adler: Nachdem der Sanierungsplan des deutschen Immobilienkonzerns im letzten Monat genehmigt wurde, ist das Ausfallrisiko erheblich gesunken. Andernfalls hätte unsere 12-Monats-Prognose um 0,2 Prozentpunkte und die 24-Monats-Prognose um 0,3 Prozentpunkte höher gelegen.
- Sinkende Energiepreise in Europa: In Europa ist die Sorge über steigende Energiepreise, die den Großteil des zweiten Halbjahrs 2022 geherrscht hatte, abgeklungen. Damit sind schlimmere Rezessions- und Inflationsszenarien offenbar vorläufig vom Tisch.
- Bessere Finanzierungsbedingungen: Laut dem ICE Bank of America HPS2-Index ist die durchschnittliche Rendite für Emittenten europäischer Hochzinsanleihen zurückgegangen und liegt derzeit bei 6,4 Prozent – ein Unterschied von 120 Basispunkten gegenüber dem Höchststand von 7,6 Prozent, der im Oktober 2022 verzeichnet wurde. Grund ist eine Verbesserung der fundamentalen Aussichten. Dies hat die Wiedereröffnung des Primärmarkts in den letzten Wochen erleichtert und einige Refinanzierungsgeschäfte für bestehende Fälligkeiten im Zeitraum 2024/25 ermöglicht.
- Alternative Finanzierungsquellen: Gleichzeitig nahmen Finanzierungsquellen wie Forderungsfinanzierung und Exportkredite zu. Damit gehen ein Ausbau der kurzfristigen Liquiditätsversorgung und eine Verlängerung der Fälligkeiten für den Finanzierungsbedarf in der nahen Zukunft einher.
Langfristig ist jedoch Vorsicht geraten. Denn: Ein großer Anteil von Anleihen wird im Jahr 2025 fällig. Der europäische Primärmarkt wurde erst kürzlich wiedereröffnet und eine beachtliche Fälligkeitswelle zur Refinanzierung rollt nach wie vor heran. Dies hat uns dazu veranlasst, unsere Ausfallprognose, insbesondere den 24-Monats-Wert, für eine Reihe von Emittenten anzuheben.
Sichere Häfen und gefährdete Sektoren
Für Anleger stellt sich damit die Frage: Welche Sektoren werden von den steigenden Ausfallraten besonders betroffen sein – und welche dürften verschont bleiben?
- Technologie, Medien & Telekommunikation und Versorger stellen immer noch einen sicheren Hafen dar. Ein Grund dafür sind die von Natur aus stabilen bzw. nicht-zyklischen Geschäftsmodelle. Außerdem gibt es einen günstigen Mischeffekt in Form von Hybridemittenten und/oder Emittenten des Large-Cap-Segments mit stark verlängerten Fälligkeitsstrukturen.
- Freizeit und Transportwesen stufen wir weiterhin als risikoreich ein. Der unsichere Ausblick bei den Konsumausgaben und etwas kurzfristiger ausgelegte bzw. überschuldete Kapitalstrukturen bleiben ein Problem.
- Immobilienwirtschaft ist durchwachsen und wird von verschiedenen Faktoren geprägt. Zwar erwarten wir, dass die prognostizierte Ausfallrate zurückgeht, doch dies ist ausschließlich durch die Adler Group bedingt, bei der diesen Monat nach der Genehmigung des Sanierungsplans der Zahlungsverzug effektiv vermieden wurde.
- Kfz-Gewerbe – hier gleichen sich positive und negative Effekte weitestgehend aus. Einerseits lassen Lieferkettenprobleme und Inflationssorgen nach, andererseits droht in diesem Jahr ein Rückgang der Ausgaben für verzichtbare Konsumgüter. Die Bilanzen sind im Allgemeinen jedoch sehr solide, vor allem bei größeren Emittenten mit BB-Rating.
- Einzelhandel steht unter Refinanzierungsdruck. Der Sektor verzeichnet einen erheblichen Anstieg bei der erwarteten Ausfallquote. Verantwortlich hierfür sind hauptsächlich zwei Emittenten: der Tankstellenbetreiber EG Group und die französische Supermarktkette Casino. Ersterer ist überschuldet und sieht ab Februar 2025 einer massiven Fälligkeitswelle entgegen, während Letztere sich um einen Schuldenabbau bemüht und dabei große Mengen Bargeld verbrennt. Zudem werden auch bei Casino 2024 und 2025 Anleihen fällig, die nur dann zurückgezahlt werden können, wenn das Unternehmen seinen bereits mehrfach verschobenen Veräußerungsplan umsetzt.
Von Tom Southon, Head of High Yield Research, EMEA, bei Columbia Threadneedle Investments