- Zwar scheinen die Voraussetzungen für Aktien gut zu sein, doch Aktienmärkte könnten im weiteren Verlauf des Jahres schwächeln.
- US-Arbeitsmarktzahlen, die Margen der US-Unternehmen und die Kreditvergabe sehen wieder schlechter aus, und die Preise im Dienstleistungssektor machen weitere Zinserhöhungen notwendig.
- Zwar überraschten die Zahlen der jüngsten Berichtssaison positiv, doch zuvor waren die Erwartungen stark zurückgeschraubt worden.
- Der Anstieg der Realzinsen erfordert eine niedrigere Bewertung von Risikoanlagen, jedoch sind US-Aktien immer noch teuer.
- Aktien sind mit Vorsicht zu genießen, und Columbia Threadneedle zieht aktuell die Sicherheit von Anleihen vor.
Auf den ersten Blick erscheinen die Voraussetzungen für Aktien gut: Das globale Wachstum hält an, die jüngsten Zahlen aus den USA zeigen einen starken Arbeitsmarkt, die Angst vor einer Kreditkrise in den USA schwindet und das Problem der Schuldenobergrenze ist gelöst. Die Inflation ist rückläufig, und in Europa und den USA geht auch die Kerninflation leicht zurück – und viele hoffen, dass die Zinssätze bald wieder sinken. „Trotzdem sind wir der Meinung, dass die Aktienmärkte im weiteren Verlauf des Jahres unter Druck geraten könnten“, warnt Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments.
US-Zahlen bleiben ungünstig
Dafür sieht Bell zahlreiche Gründe. Erstens gebe es trotz der guten Zahlen zum US-Arbeitsmarkt mehrere Anzeichen dafür, dass es in der Zukunft zu einer Abkühlung kommt. „Umfragedaten deuten darauf hin, dass die Einstellungsabsichten deutlich zurückgegangen sind“, betont Bell. Es scheine, als hätten statistische Verzerrungen die jüngsten Zahlen in die Höhe getrieben – und dieser Trend dürfte sich in den kommenden Monaten umkehren. Denn: „US-Unternehmen leiden unter einer Margenkrise und das führt in der Regel zu einem Stellenabbau“, erläutert der Chefvolkswirt. Außerdem stehen bei Krediten sowohl Nachfrage als auch Angebot weiterhin unter Druck, auch wenn eine Kreditkrise abgewendet wurde. Hinzu kommt, dass sich der Inflationshintergrund in den USA zwar verbessert hat, sich die Preise im Dienstleistungssektor jedoch hartnäckig halten. „Weitere Zinserhöhungen erscheinen notwendig, damit die Fed ihr Inflationsziel von zwei Prozent erreichen und halten kann“, sagt Bell.
All dies deute darauf hin, dass die Unternehmensgewinne erneut unter Druck geraten werden. Die jüngste Berichtssaison der S&P-Unternehmen brachte zwar bessere Zahlen als erwartet, doch waren diese Erwartungen zuvor stark zurückgeschraubt worden. „Noch Wochen vor der Veröffentlichung der Zahlen blieben die Gewinne hinter den Erwartungen zurück“, so der Columbia Threadneedle-Chefökonom.
US-Aktien nicht billig?
Darüber hinaus seien US-Aktien immer noch nicht günstig. „Der Anstieg der Realzinsen erfordert eine niedrigere Bewertung von Risikoanlagen“, erläutert Bell. Die Rendite inflationsgeschützter US-Staatsanleihen liege jetzt bei 1,6 Prozent. Als die Federal Reserve im Rahmen ihres Programms zur quantitativen Lockerung Anleihen kaufte, lag die Rendite noch bei -1 Prozent – nun kehre sich diese Entwicklung um. Das Problem: US-Aktien sind immer noch alles andere als billig. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Unternehmen im S&P 500 nähert sich sowohl im Rückblick als auch in der Vorausschau der Marke von 20 und ist damit überhöht, getrieben vom kometenhaften Aufstieg einer Handvoll Mega-Tech-Unternehmen. „Für den breiteren Markt wurden die Gewinnerwartungen für 2023 gesenkt, aber die Analysten erwarten für 2024 wieder zweistelliges Wachstum – das erscheint sehr optimistisch“, warnt der Chefvolkswirt.
Bells Fazit lautet: Aktien seien aktuell mit Vorsicht zu genießen, weswegen Columbia Threadneedle Investments die Sicherheit von Anleihen vorzieht. „Wir erwarten bei Aktien keinen dramatischen Rückgang, aber die jüngste Rally erscheint uns übertrieben“, so der Chefökonom.
Sehen Sie hier den Originalkommentar mit Video von Steven Bell.