Halten Aktien der Inflation stand?

Die Wirtschaftsdaten aus Deutschland trüben den Ausblick für die Eurozone. Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments, bleibt dennoch zuversichtlich. Was er für die USA, die Eurozone und das Vereinigte Königreich erwartet, schreibt er in seinem wöchentlichen Ausblick. Columbia Threadneedle Investments | 14.06.2023 14:15 Uhr
Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments / © e-fundresearch / Columbia Threadneedle Investments
Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments / © e-fundresearch / Columbia Threadneedle Investments
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

  • USA: Die Kreditverknappung schreitet voran, trotz raschem Eingreifen der Fed. US-Dollar und Aktien werden schwächer.
  • Eurozone: Deutschlands Wirtschaft ist im Abschwung, doch hohe Ersparnisse gekoppelt mit steigendem Verbrauchervertrauen versprechen Abhilfe.
  • Vereinigtes Königreich: Die Bank of England muss Zinssätze erneut erhöhen. Während eine sinkende Inflation und Ersparnisse der Verbraucher die Wirtschaft stützen dürften, könnten steigende Hypothekenzinsen zu sinkendem Verbrauchervertrauen führen.
  • Staatsanleihen sind attraktiv, während vor allem gegenüber US-Aktien Skepsis angebracht ist.

Vieles deutet darauf hin, dass die Zinssätze in den USA, der Eurozone und dem Vereinigten Königreich längerfristig hoch bleiben. Auch wenn dies seiner bevorzugten Anlageklasse, den Staatsanleihen, nicht zugutekomme, ändere dies nichts an seinem Fundamentalausblick, sagt Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments: „Wir bleiben bei Aktien neutral und ziehen es vor, vorsichtig und selektiv vorzugehen.“ Was Bell für die USA, die Eurozone und Großbritannien erwartet, schreibt er in seinem wöchentlichen Kommentar.

USA: Kreditverknappung und weiterhin Inflation

Der Zusammenbruch der SVB und die Mini-Krise bei mittelgroßen US-Banken führten, wie erwartet, zu einem starken Rückgang bei der Kreditvergabe. Überraschenderweise handelte es sich dabei anscheinend jedoch nur um eine kurze Episode: Das rasche Eingreifen der Fed scheint die Gefahr einer Kreditklemme abgewendet zu haben. „Der Zeitpunkt einer Rezession in den USA rückt damit weiter nach hinten und verringert damit ihre Wahrscheinlichkeit“, schlussfolgert Bell.

Als falsches Signal erwiesen sich auch die zunehmenden Anträge auf Arbeitslosenunterstützung – und die daraus entstandene Hoffnung, dass sich der US-Arbeitsmarkt entspannt. Nun, da sich die Zahlen als Folge eines Betrugs in Massachusetts erwiesen haben, wird die Lohninflation für die Federal Reserve (Fed) wieder zur Hauptsorge werden. „Das ist besonders enttäuschend, da unser Prognosemodell und die monatlichen Daten darauf hindeuteten, dass die Mieten, eine Schlüsselkomponente der US-Inflation, nicht mehr so stark wachsen“, so der Chefvolkswirt. Eine Entspannung des Arbeitsmarkts bei einem gleichzeitigen Inflationsrückgang hätte es ermöglicht, dass die Anpassung an nachhaltigere Lohnerwartungen reibungsloser vonstattengeht. Aus diesem Grund ist Steven Bell in Bezug auf den geldpolitischen Kurs der Fed sicher: „Auch wenn die vielbeschworene Rezession in den USA in weite Ferne gerückt ist, können wir uns nicht vorstellen, dass die Fed etwas anderes tun wird, als die geldpolitischen Bedingungen straff zu halten, bis die Löhne wieder sinken.“

Eurozone: Deutsche Produktion im Abschwung, doch Ersparnisse kurbeln Wirtschaft wieder an

Der recht positive Ausblick für die Eurozone wird durch Daten aus Deutschland getrübt: Einige Schlüsselindikatoren der für die Eurozone wichtigen deutschen Wirtschaft haben sich verschlechtert. Grund zur Sorge gibt es aber wenig. „Die schwachen Auftragseingänge im deutschen Produktionsgewerbe spiegeln unseres Erachtens den derzeitigen weltweiten Abbau von Lagerbeständen sowie eine Abkehr von Investitionen in energieintensive Industrien wider“, sagt Bell. Ebenso könnten die schwachen deutschen Einzelhandelsumsätze ein Zeichen für eine Verlagerung hin zu Dienstleistungen und Erlebnissen statt zu Waren sein – oder aber die deutschen Verbraucher verlängern ihre Urlaube in Ländern wie Spanien, wo das Einzelhandelsvolumen um bis zu 10% gestiegen ist.

Dass sowohl die aktuellen Energiepreise als auch die Energiepreise für den nächsten Winter seit dem Höchststand im letzten Jahr deutlich zurückgehen, wird zu einer niedrigeren Inflation führen und Verbrauchervertrauen und -ausgaben erhöhen – dessen ist Bell zuversichtlich. Dies werde einen positiven Kreislauf in den anderen Wirtschaftsbereichen in Gang setzen. „Die Tatsache, dass die europäischen Verbraucher während der jüngsten Krise ihre Ersparnisse erhöht haben, zeigt, wie groß der Spielraum für eine Erholung ist“, so Bell. Dennoch wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinssätze auch weiterhin anheben müssen. Der Chefökonom erläutert: „Die Löhne steigen, und das wird sich noch beschleunigen, sobald die rückwärtsgerichtete Indexierung dieses Jahr einsetzt.“

Vereinigtes Königreich: Weitere Zinsschritte und steigende Hypothekenkosten

Die Inflation im Vereinigten Königreich bleibt hartnäckig – und Marktteilnehmer erwarten für den nächsten Monat eine Zinserhöhung, der wahrscheinlich eine weitere folgen wird. Der Rückgang der Energiepreise und die Umkehrung der Pfundschwäche bedeuten jedoch, dass sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation zurückgehen werden. „Wir gehen allerdings nach wie vor davon aus, dass die Inflation bis zum Jahresende bei etwa drei Prozentpunkten liegen wird“, betont Bell. Für den Chefvolkswirt von Columbia Threadneedle bedeuten eine niedrigere Inflation und ein noch nicht ausgeschöpftes „Covid-Sparschwein“, dass der britische Verbraucher die Wirtschaft stützen wird, genau wie es in Kontinentaleuropa zu beobachten ist. Eine Erholung der Wirtschaft hat die Menschen wieder ins Arbeitsleben zurückgebracht und das Wachstum unterstützt. 

Allerdings ist jede Wirtschaft anders, und der Wohnungsmarkt ist ein Schlüsselmerkmal der britischen Wirtschaft. „Die höheren Zinssätze werden die Hypothekenbesitzer weiterhin belasten, und mit dem Auslaufen der Festzinsperiode dürften die erheblichen Zinserhöhungen besonders spürbar werden“, warnt Bell. Dieser Gegenwind werde das Verbrauchervertrauen im Vereinigten Königreich stärker belasten als in der Eurozone.

Attraktive Staatsanleihen und Skepsis gegenüber US-Aktien

Der Übergang von der quantitativen Lockerung zur quantitativen Straffung war sehr spürbar. Der risikofreie Zinssatz schnellte hoch: Die 10-jährigen US-TIPS (inflationsgeschützte Staatsanleihen) rentieren nun mit über 1,4 Prozent – gegenüber einer deutlich negativen Realrendite während der Phase der Anleihekäufe durch die Zentralbanken. „Obwohl die jüngsten Nachrichten über Inflation und Zinssätze in die falsche Richtung gingen, sehen Staatsanleihen auf diesem Niveau attraktiv aus“, sagt Bell.

Während Columbia Threadneedle Aktien insgesamt neutral gegenübersteht, bewertet Bell US-Aktien jedoch negativ. „Die jüngste Rallye war sehr eng und basierte auf den Gewinnen von nur fünf Aktien, die die gesamte Outperformance des S&P 500 in diesem Jahr übertrafen“, erläutert der Chefökonom. Die Gewinnspannen der Unternehmen würden in den USA immer kleiner, und es bestehe immer noch die Möglichkeit einer Rezession. „Im Gegensatz dazu weiten sich die Gewinnspannen in der Eurozone aus, und wir sehen Spielraum für erfreuliche wirtschaftliche Überraschungen, da die Region in den Genuss einer positiven Spirale aus niedriger Inflation und stärkerer Nachfrage kommt“, so Bell.

Die US-Zinssätze könnten Ende 2023 unter denen in der Eurozone liegen. Das wäre eine dramatische Veränderung, die zum ersten Mal in der Geschichte des Euro eintritt und zu einem schwachen US-Dollar führt. Die Kreditverknappung in den USA hält an und ist Folge einer strafferen Geldpolitik. Obwohl die Nachrichten über die sinkende Inflation positiv waren, müssen die Erwartungen an Zinssenkungen verschoben werden, bis die Lohninflation zurückgeht. „Das ist als Folge einer Rezession nach wie vor sehr wahrscheinlich“, sagt Bell.

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