Auf der EZB-Tagung im Juli brachte Präsidentin Christine Lagarde eine mögliche Pause für das September-Meeting ins Spiel. Nach einer Entscheidung auf Messers Schneide beschloss jetzt der Ausschuss eine Zinserhöhung, aber mit dem klaren Signal, dass die Politik nun als restriktiv genug erachtet wird – wenn sie lange genug beibehalten wird – um die Inflation in Richtung des 2%-Ziels zu bringen. Unter Vorbehalt, bei Bedarf weitere Anpassungen zu ermöglichen, hat die EZB eine ähnliche Haltung wie die US-Notenbank eingenommen, zu der auch die Bank of England in den kommenden Wochen sicherlich übergehen wird. Die Botschaft aller wird nun lauten: «Länger höher», denn sie wollen die restriktive Politik für einen längeren Zeitraum beibehalten. Wie lange das in den einzelnen Regionen sein wird, hängt von den wirtschaftlichen Bedingungen ab.
Quellen hatten die Erwartungen für einen wahrscheinlichen Schritt in dieser Woche erhöht, als Informationen über eine Aufwärtskorrektur der Inflationsprognose für 2024 durchsickerten. Dies geschah dann auch, allerdings in Verbindung mit einer niedrigeren Prognose für die Kerninflation und das Wachstum im gesamten Prognosezeitraum. Es ist zu vermuten, dass die Falken im Ausschuss auf eine Zinserhöhung drängten, da sie erkannten, dass sich das Zeitfenster für Maßnahmen angesichts des schwächer werdenden makroökonomischen Klimas schließt. Die eher zurückhaltenden Mitglieder schlugen wahrscheinlich die Formulierung «Niveau erreicht» als Kompromiss vor. Die Kreditbedingungen verschärfen sich weiter, und die Wirtschaft schwächt sich erneut ab – insbesondere in Deutschland, das lange Zeit der Wachstumsmotor der Eurozone war. Die Zentralbank hofft, dass die sinkende Inflation den Konsum durch eine Erholung der Reallöhne stützen wird, muss sich aber vor den verzögerten Auswirkungen der Geldpolitik und des stockenden Wachstums auf die Arbeitslosigkeit hüten, die derzeit auf einem historisch niedrigen Niveau verharrt.
Von Dave Chappell, Senior Fixed Income Portfolio Manager bei Columbia Threadneedle Investments