- Die Nutzung von CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) kann maßgeblich dazu beitragen, die Netto-Null-Emissionsziele zu erreichen
- Es gibt drei Katalysatoren für die Nutzung von CCS-Technologie: politische Anreize, höhere Wirtschaftlichkeit und neue Infrastruktur
- Das Potenzial von CCS ist groß, doch es erfordert erhebliche Geldmittel; die International Energy Agency (IEA) schätzt den Investitionsbedarf auf eine Billion US-Dollar bis 2030 und drei Billionen US-Dollar bis 2050
- Die Technologie bietet zahlreiche Anlagechancen mit unterschiedlichen Risikoniveaus: von Ölkonzernen an der Spitze der Wertschöpfungskette bis zu spezialisierten Unternehmen, die an innovativen neuen Technologien arbeiten
Um die Weltwirtschaft klimaneutral zu machen und die Netto-Null-Ziele zu erreichen, sind Technologien für die Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) von Kohlenstoffdioxid (CO2) unerlässlich. Zwar gibt es diese Technologien schon seit einiger Zeit, doch ihre Anwendung dürfte in den kommenden Jahren stark zunehmen. Das erfordert jedoch erhebliche Investitionen: Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass bis 2030 eine Billion US-Dollar und bis 2050 drei Billionen US-Dollar an Investitionen benötigt werden. Das eröffnet für Anleger eine Vielfalt an Investmentmöglichkeiten.
Mit CCS-Technologien zu Netto-Null?
CCS-Technologien sind laut der IEA unabdingbar, wenn die Netto-Null-Ziele erreicht werden sollen. Die Schwerindustrie, beispielsweise in den Bereichen Zement, Stahl oder Petrochemie, kann ihre Emissionen nicht durch Elektrifizierung oder erneuerbare Energien reduzieren – damit ist die CO2-Abscheidung und -Speicherung die einzig valide Lösung. Gleiches gilt für die Dekarbonisierung des Öl- und Gassektors. Laut der Energieagentur kann CCS die Treibhausgasemissionen um insgesamt 15 Prozent reduzieren. Denn: Die Technologie greift an der Emissionsquelle. Dabei wird Kohlenstoffdioxid zunächst von den anderen Gasen getrennt, die in großen Industrieanlagen wie etwa Kohle- und Gaskraftwerken sowie Stahl- und Zementwerken erzeugt werden. In einem zweiten Schritt wird das Gas für den Transport komprimiert und schließlich in tiefen unterirdischen Felsformationen gespeichert. Die Technologie gibt es zwar schon länger, doch dank drei Katalysatoren wird sie nun vermehrt angewendet: politische Anreize, höhere Wirtschaftlichkeit und neue Infrastruktur.
Die Politik schafft Anreize
Ein bedeutender Faktor für die Beschleunigung im Bereich der CO2-Abscheidung und -Speicherung ist die Regulierung sowie Unterstützung seitens der Regierungen. In den USA etwa schaffen der Inflation Reduction Act (IRA) und das Infrastrukturgesetz finanzielle Anreize für die Anwendung und Weiterentwicklung von CCS-Technologien und bieten Steuervergünstigungen von mehr als 70 Prozent – das entspricht 85 US-Dollar pro Tonne abgeschiedenem Kohlenstoffdioxid. Gleichzeitig veranlassen sie Akteure, schnell zu handeln: Projekte, die von diesen Vergünstigungen profitieren wollen, müssen sich bis spätestens 2032 im Bau befinden.
Zudem hat das US-Energieministerium im Zuge des Infrastrukturgesetzes bereits 12 Milliarden US-Dollar für CCS bereitgestellt. 1,2 Milliarden des Budgets fließen beispielsweise in kommerzielle Direct Air Capture-Einrichtungen zur chemisch-technischen Filterung von Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft in Louisiana und Texas, sowie in Privatunternehmen, darunter Occidental Petroleum, Climeworks Corporation und Heirloom Carbon Technologies. Zusätzliche sieben Milliarden stellt das Ministerium für sauberen Wasserstoff zur Verfügung. An vier der damit geplanten sieben Standorten soll blauer Wasserstoff erzeugt werden, bei dem das bei der Produktion entstehende CO2 direkt abgeschieden und im Anschluss unterirdisch gelagert wird.
Sinkende Kosten machen CCS rentabel
Neben politischen Anreizen machen auch sinkende Kosten CCS attraktiver. Dabei gilt: Je höher die ursprüngliche CO2-Konzentration, desto billiger ist die Abscheidung. Zusammen mit den Steuervergünstigungen im Rahmen des IRA bedeutet das, dass CCS-Projekte für emissionsstarke Industrien wie Erdgas, Ethanol und Ammoniak bereits jetzt rentabel sind, trotz zusätzlicher Kosten für Transport und Speicherung. Die Wirtschaftlichkeit hat sich aber auch für weniger schädliche Industriezweige, wie die Zement- und Stahlherstellung, deutlich verbessert.
Neue Entwicklungen werden mit der Zeit die Kosten für CCS-Maßnahmen weiter senken, müssen jedoch erst noch ausreifen. Hinzu kommt, dass es wegen des maßgeschneiderten Charakters der meisten Abscheidungstechnologien nur allmählich zu Kostensenkungen kommt. Trotzdem sollten Anleger auch Bereiche in frühen Entwicklungsstadien im Auge behalten, denn schrittweise Verbesserungen finden statt und technologische Durchbrüche sind ebenfalls möglich. Ein Beispiel ist die chemische Absorption von abgeschiedenem Kohlenstoffdioxid in flüssigen Lösemitteln: Diese Technologie wird bisher am stärksten kommerziell genutzt und ermöglicht Schätzungen einiger privater Akteure zufolge in den nächsten fünf Jahren Kostensenkungen zwischen 30 und 50 Prozent.
Fortschritte beim Ausbau der Infrastruktur
Der Bau von Infrastruktur, die für die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid notwendig ist, wird eine Herausforderung. Obwohl die Investitionen zunehmen, sind viele Akteure noch zurückhaltend. Denn: Bevor sich Unternehmen zum Bau von Lagerstätten entschließen, müssen sie zuversichtlich sein, dass ausreichende Abscheidungs- und Transportinfrastruktur vorhanden sein wird. Gleichzeitig wird diese aber nur gebaut, wenn ausreichend Lagerstätten bereitstehen. Dem Dilemma zum Trotz gab es im vergangenen Jahr einen erheblichen Anstieg der angekündigten CO2-Speicherprojekte. Werden diese umgesetzt, ist das Verhältnis zwischen Abscheidung und Speicherung auf dem Markt besser ausgeglichen – erst dann kann der CCS-Markt tatsächlich eine gewisse Größe annehmen.
Auch bei der Transportinfrastruktur gibt es Fortschritte. In den USA hat Exxon durch die Übernahme des Pipeline-Betreibers Denbury im August 2023 nun Zugang zur größten CO2-Pipeline in den USA – ein wichtiger Schritt bei dem Plan, die Entwicklung eines großangelegten CCS-Standorts in Houston zu unterstützen. Zudem arbeiten private Infrastrukturentwickler im mittleren Westen der USA an drei Projekten, die sich über fünf Bundesstaaten erstrecken. Dort sollen CCS-Standorte für eine Gruppe von Ethanol-Erzeugungsanlagen entstehen.
Attraktivste Anlagechancen gibt es in den USA
CCS ist zwar vielversprechend, erfordert aber auch erhebliche Investitionen. Dieser enorme Investitionsbedarf eröffnet für Investoren Chancen – vorausgesetzt, dass die bestehenden wirtschaftlichen und ausführungsbedingten Herausforderungen überwunden werden können. Als langfristige Anlage bietet das Thema Investitionsmöglichkeiten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg: von der Abscheidung selbst, über den Transport bis hin zur Speicherung. Die USA bieten dabei im Vergleich das beste politische Umfeld und damit auch die attraktivsten Anlagechancen.
Momentan sollten Anleger dabei besonders auf Öl- und Gaskonzerne wie Exxon und Occidental Petroleum sowie auf Industriegasunternehmen wie Linde und Air Liquide achten, da diese am besten aufgestellt sind, um am künftigen Marktwachstum teilzuhaben. Doch es gibt auch viele andere potenzielle Nutznießer und eine Vielfalt von Anlagegelegenheiten, die unterschiedlichen Risikotoleranzen und Renditezielen gerecht werden. Beispiele reichen hier von den Entwicklern der nächsten Generation von CCS-Technologie, über Pipeline-Hersteller und Betreiber, bis hin zu spezialisierten Anbietern. Letztere können sich zum Beispiel auf die Bereitstellung seismischer Daten, Bauvorhaben, Überwachung oder ganz einfach auf die Fertigung von Ausrüstung konzentrieren.
Von Natalia Luna, Senior Thematic Investment Analyst bei Columbia Threadneedle Investments