- Eigenkapitalrenditen im europäischen Bankensektor auf 15-Jahres-Hoch – getrieben von steigenden Zinserträgen und niedrigeren Einlagenkosten
- Sinkende Zinssätze dürften die Kreditvergabe in Europa weiter anregen
- Gewerbliche Immobilienkredite bleiben Risikofaktor
- Historisch hohe Kapitalausstattung der Banken bietet Risikopuffer
Die Rentabilität der Banken hat sich in den letzten zwei Jahren deutlich verbessert und auf europäischer Ebene inzwischen ein 15-Jahres-Hoch erreicht. Wir gehen davon aus, dass sie sich in den nächsten zwei Jahren auf diesem Niveau einpendeln wird. Gründe dafür sind das höhere Zinsumfeld und damit höhere Zinsspannen für neue und in vielen Fällen auch bestehende Kredite. Hinzu kommen höhere Renditen für die Wiederanlage des Anleiheportfolios und vergleichsweise niedrige Kosten für Einlagen. Der Nettozinsertrag ist im Durchschnitt um rund 50 Prozent gestiegen, während die Einlagenkosten weit weniger auf die höheren Zinsen reagiert haben. Die länger als erwartet anhaltende Phase höherer Zinsen stützt die Nettozinsmargen im Jahr 2024, vor allem im Vereinigten Königreich, in Skandinavien und in Südeuropa. Die Zinssätze dürften jedoch jetzt allmählich anfangen zu sinken und sich bei etwa zwei bis drei Prozent einpendeln – ein Sweet Spot, in dem die Banken ihre Kapitalkosten komfortabel verdienen können und das Kreditwachstum weiter anziehen dürfte.
In Frankreich dürften die inländischen Banken 2025 einen Anstieg des Nettozinsertrags verzeichnen, nachdem sie in den letzten Jahren durch das höhere Zinsumfeld unter Druck geraten sind. Dies ist auf den hohen Anteil von Einlagen zurückzuführen, die an die Inflation gekoppelt sind, aber auch auf große langfristige Festzinshypotheken und die sogenannten Wuchergesetze, die höhere Zinssätze für neue Kredite verhindern. Auch niederländische Banken waren durch ihren hohen Anteil an festverzinslichen Hypotheken betroffen.
Sinkende Zinssätze dürften dazu beitragen, die Kreditvergabe in ganz Europa anzuregen – zu Konditionen, die wahrscheinlich besser sind, als die in den Bankbilanzen ausgewiesenen. Die Rentabilität der Banken dürfte auch durch Verbesserungen in anderen Bereichen der Gewinn- und Verlustrechnung erhöhen. Dazu gehört auch der Anstieg der Provisionserträge bei sinkenden Zinsen sowie einer weiteren Konzentration auf die Kosten. Zudem sollten die restrukturierenden Banken in Deutschland und der Schweiz eine verbesserte Performance aufweisen.
Solide Qualität der Vermögenswerte in den Bankbilanzen
Die Qualität der Vermögenswerte wird sich wahrscheinlich nicht wesentlich verschlechtern. Auch wenn es hier und da zu Problemen kommen kann, werden diese nicht schwerwiegend genug sein, um diese Gesamteinschätzung zu ändern. Die Risikokosten werden voraussichtlich auf ein normalisiertes Niveau ansteigen, was unseren Erwartungen für die Ausfallraten bei hochverzinslichen Krediten über einen Zeitraum von 24 Monaten entspricht – hochverzinsliche Kredite machen etwa ein Fünftel des Kreditbestands aus. Darüber hinaus verfügen die Banken in ihren Bilanzen über Rückstellungen für Kreditausfälle im Umfang von fast einem Jahr, die sie während der Pandemie gebildet haben und die sie zunächst verwenden können, um eine schlechtere Kreditqualität auszugleichen, bevor sie die Rückstellungen erhöhen müssen. Die notleidenden Kredite werden wahrscheinlich dort leicht ansteigen, wo der Druck durch steigende Zinssätze am deutlichsten ist. Eine verbesserte Risikotragfähigkeit seit der globalen Finanzkrise, staatliche Garantien, die in einigen Ländern für risikoreichere KMU-Kredite aus der Pandemie übriggeblieben sind, und ein bessere als befürchtetes wirtschaftliches Umfeld begrenzen jedoch das Risiko. Die Privathaushalte scheinen nach wie vor stark zu sein, und wir sind in den meisten Märkten nicht übermäßig besorgt über die Vergabe von Hypothekenkrediten für Wohnimmobilien. Es gibt einen gewissen Druck bei den unbesicherten Krediten, doch das betrifft einen relativ überschaubaren Teil der Kreditbücher.
Gewerbliche Immobilienkredite bleiben ein Risiko
Gewerbliche Immobilienkredite bilden nach wie vor ein Hauptrisiko in den Bankbilanzen, aber das Exposure ist bei europäischen Banken geringer als in den USA und konzentriert sich in Europa mehr auf gewerbliche Immobilienfinanzierungen. Am meisten Anlass zur Sorge geben kleine deutsche Banken mit starkem Fokus auf den Immobiliensektor. Bei skandinavischen Banken ist das Exposure hoch, konzentriert sich aber auf sicherere Kredite und Teile der Kapitalstruktur, bei denen es bisher keine Anzeichen für eine Verschlechterung gibt.
Historisch hohe Kapitalausstattung der Banken sollte sich weiter verbessern
Die Eigenkapitalausstattung ist nach wie vor auf dem höchsten Stand seit mehreren Jahrzehnten, während die Ausschüttungsquoten mit rund 70 Prozent weit über dem langfristigen Durchschnitt liegen. Letztere könnten auf ein Niveau steigen, das mit den größeren US-Banken vergleichbar ist. Zusammen mit der hohen Rentabilität verfügen die Banken damit über erhebliche Risikopuffer, die unvorhergesehene Verluste auffangen können. Die Eigenkapitalausstattung der Banken sollte hoch bleiben und sich sogar noch verbessern, da die Puffer über die regulatorischen Anforderungen hinausgehen und das erwartete bescheidene Kreditwachstum abdecken können. All dies spiegelt sich in der starken Outperformance der Banken an den Aktienmärkten im vergangenen Jahr wider.
Refinanzierungsmix der Banken ausgewogener
Das Refinanzierungsangebot dürfte ausgewogener werden, da die Banken die billige Zentralbankfinanzierung aus den gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (TLTROs) inzwischen weitgehend durch gedeckte Schuldverschreibungen, Einlagen und einige vorrangige Schuldtitel ersetzt haben und die neuen Eigenkapitalvorschriften für verlustabsorbierende vorrangige Schuldtitel erfüllen. Die Spreads sind im gesamten Unternehmensindex gesunken, allerdings bei den Banken nicht ganz so stark eingeengt wie in anderen Sektoren, die einen bescheidenen relativen Wert bieten. AT1-Anleihen (Additional Tier-1 Eigenkapital) oder bedingte Wandelanleihen (Contingent-Convertible-Anleihen) sehen im Vergleich zum High Yield-Index relativ teuer aus, aber wir erwarten immer noch ein gewisses Potenzial in Tier-2-Anleihen und vorrangigen Bankanleihen.
Unvollständige Bankenunion behindert transnationale Fusionen
Das Interesse an Fusionen und Übernahmen hat im Bankensektor in letzter Zeit wieder zugenommen. Grundlage dafür ist, dass die Banken ihre Kapitalkosten nun komfortabel verdienen, die wirtschaftlichen Aussichten sicherer sind und mehr Klarheit über die Qualität der Vermögenswerte besteht. Die Bankvorstände sehen jetzt einem Umfeld mit niedrigeren Zinsen entgegen und versuchen, ihre Gewinn- und Verlustrechnungen zu schützen, indem sie die Kosten überprüfen und versuchen größere Skalenvorteile zu erzielen. Grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen in Europa bleiben allerdings angesichts der unvollendeten Bankenunion – also dem Fehlen eines gemeinsamen Einlagensicherungsfonds sowie Einschränkungen bei der Übertragung von Kapital und Finanzierungen – eine Herausforderung. Daher stehen nationale Fusionen und Übernahmen, bei denen die Kostensynergien höher sind, nach wie vor im Vordergrund. Als jüngste Beispiele dienen im Vereinigten Königreich die Übernahme der Coop Bank durch die Coventry Building Society und der Versuch von Nationwide, Virgin Money zu übernehmen (vorbehaltlich der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörden). Ein weiteres Beispiel ist die Übernahme von BBVA und Banco Sabadell in Spanien, (die allerdings noch von den Aktionären bzw. den Aufsichtsbehörden genehmigt werden muss).
Eine der Herausforderungen bei Fusionen und Übernahmen sind die Rechnungslegungsvorschriften. Nach dem International Financial Reporting Standard (IFRS) 9 müssen die Banken ihre Bilanzen zu Marktpreisen bewerten. Die relativ geringe Duration der Anleiheportfolios, der hohe Anteil an variabel verzinslichen Krediten und die kürzere Laufzeit der Unternehmenskreditbücher in Verbindung mit der Aussicht auf niedrigere Zinssätze machen die Fusionsrechnung in bestimmten Ländern wie Südeuropa einfacher. Dies steht im Gegensatz zu Nordeuropa, wo die Kreditbücher längerfristig sind. Das Übernahmeangebot der BBVA für die kleinere inländische Banco Sabadell ist ein gutes Beispiel dafür, auch wenn es noch einige Zeit dauern wird, bis man weiß, ob es letztendlich erfolgreich sein wird. Die Aufmerksamkeit wird sich zweifellos wieder auf den italienischen Markt richten, wo Fusions- und Übernahmespekulationen nie lange auf sich warten lassen und mit einer oder mehreren der folgenden Banken etwas passieren könnte: Banco BPM, Monte dei Paschi di Siena und/oder BPER mit Unicredit oder sogar Credit Agricole, die möglicherweise ein Angebot abgeben wollen.
Banktitel sind im Vergleich günstig
Alles in allem haben wir einen weitgehend stabilen fundamentalen Ausblick für den europäischen Bankensektor für die nächsten zwei Jahre. Gestützt wird dies durch eine weiche Landung der Wirtschaft, einen robusten Ausblick auf die Rentabilität der Banken trotz der Erwartung niedrigerer Zinsen und eine Belebung des Kreditwachstums. Was die Bilanzen anbelangt, so dürfte die Kapitalausstattung stark bleiben, und obwohl sich die Indikatoren für die Qualität der Aktiva verschlechtern könnten, handelt es sich hier eher um eine Normalisierung. Das Anleiheangebot dürfte ausgewogener sein, und obwohl die Bewertungen nach wie vor angespannt sind, dürften Banken immer noch etwas günstiger sein als andere Sektoren, besonders wenn man bedenkt, wie weit sich die Spreads entwickelt haben.
Von Rosalie Pinkney und Paul Smillie, Kreditanalysten bei Columbia Threadneedle Investments