Die Leitzinsen haben ihren Gipfel erreicht und die Notenbanken dürften die Zinsen bald wieder senken – das ist die Erwartungshaltung der Anleger angesichts der weltweit nachlassenden Inflation. Die Europäische Zentralbank könnte damit bereits im Laufe dieses Jahres beginnen, da sich die Inflation in Europa stabilisiert und das Wirtschaftswachstum schwächelt, vor allem in Deutschland. Wenn andere Zentralbanken vorangehen, würde dies für die Federal Reserve (Fed) ein sichereres Umfeld schaffen, um ebenfalls über Zinssenkungen nachzudenken.
Für den Fall, dass Anleger noch etwas auf Zinssenkungen warten müssen, können sie trotzdem mit Anleihen Renditen erzielen. Denn: Nicht nur mögliche Zinssenkungen der Federal Reserve im Jahr 2024 entscheiden über die Performance festverzinslicher Anlagen. Die starke Zinserhöhung in den letzten drei Jahren hat Anlegern eine sehr vorteilhafte Position verschafft. Selbst wenn die Zinsen nicht sinken und weitere Kursgewinne ausbleiben, sind die aktuellen Erträge und Renditen ausreichend, um wesentlich attraktivere Gesamtrenditen zu erzielen als in den vergangenen zehn Jahren.
Geringere Risikoaufschläge erfordern Blick auf Fundamentaldaten
Wer in Anleihen investieren möchte, darf jedoch nicht vergessen, dass diese aufgrund des Zinsanstiegs teuer geworden sind, was die Risikoaufschläge verringert hat. Deswegen gilt es, bei Anlageentscheidungen genau auf die Fundamentaldaten zu achten, Sektoren und verschiedene Segmente sowie Anlageklassen zu vergleichen und sich zu fragen: Wo ergeben sich relative Bewertungsunterschiede („relative value“)? Welche Branche oder welcher Sektor bietet Wert im Vergleich zu anderen? Beispielsweise zeigt ein Vergleich von Unternehmensschulden mit Verbraucherschulden, dass letztere, darunter auch hypothekenbesicherte Wertpapiere, historisch gesehen deutlich günstiger sind als Unternehmensanleihen im Investment-Grade- oder sogar High-Yield-Bereich.
Ausfallraten zwischen 1 und 20 Prozent
Anleger dürfen zudem nicht vergessen, sich vor Verlusten zu schützen. Denn: Werden Risiken nicht angemessen belohnt, kann man genauso gut sicherere Assets bevorzugen. Auf dem Markt für hochverzinsliche Anleihen beispielsweise zeigt sich bei der Zusammenstellung der branchenübergreifenden Bottom-Up-Prognosen unserer Analysten für die nächsten 24 Monate eine breite Streuung: Während für einige Industriezweige weniger als 1 Prozent Ausfälle prognostiziert werden, erwarten andere Branchen Ausfallraten von nahezu 20 Prozent. Man kann also die Qualität kostengünstig verbessern, indem man den Fokus auf jene Sektoren legt, die sicherer sind oder in denen es seltener zu Ausfällen kommt.
Je länger die Fed die Zinssätze auf dem aktuellen Niveau belässt, desto wichtiger wird es außerdem, die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer im Blick zu behalten. Auf Unternehmensseite steigen die Zinskosten, und auch bei Privatkrediten, wie zum Beispiel auf dem Hypotheken- oder Autokreditmarkt, nimmt die Zinslast aufgrund von Refinanzierungen und angepassten Zinssätzen schrittweise zu.
Von Gene Tannuzzo, Global Head of Fixed Income bei Columbia Threadneedle Investments