- Schwache US-Arbeitsmarktzahlen haben die Sahm-Regel ausgelöst – und Anleger weltweit befürchten, dass die USA auf eine Rezession zusteuern. Dies ist zwar besorgniserregend, aber bei näherer Betrachtung könnte es sich um einen Fehlalarm handeln.
- Infolge der Auflösung des Yen-Carry-Trades erlebten Japans Aktien einen heftigen Ausverkauf.
- Die US-Notenbank ist in die Kritik geraten und könnte die Zinsen nun schneller als geplant senken. Falls das passiert, bietet sich möglicherweise eine Gelegenheit zum Kauf von Aktien.
Schwache Zahlen zum US-Arbeitsmarkt haben weit verbreitete Sorgen über eine US-Rezession ausgelöst und zu einem Einbruch der Aktienmärkte weltweit, insbesondere in Japan, beigetragen. Die Anleihemärkte erlebten eine Rally. Wie hoch ist das Risiko einer Rezession in den USA und was bedeutet das für die Märkte?
Die US-Arbeitsmarktdaten zeigten vergangene Woche steigende Arbeitslosenzahlen und lösten die Sahm-Regel aus – ein zentraler Faktor für die sprunghaft zunehmenden Sorgen um die US-Wirtschaft. Die Sahm-Regel ist nach Claudia Sahm, einer Ökonomin der Federal Reserve, benannt und besagt: Steigt der gleitende Dreimonatsdurchschnitt der US-Arbeitslosenquote um 0,5 Prozentpunkte gegenüber dem Tiefstand der vorangegangenen 12 Monate, steht eine Rezession bevor. Diese Regel hat ihre Gültigkeit in allen Rezessionen seit den 1970er Jahren stets bewiesen. Sie kann zudem den Zeitpunkt mit einer Genauigkeit von wenigen Monaten voraussagen und ist auch präziser als Standardmessgrößen wie die Renditekurve. Grundsätzlich ist sie also ein ernstzunehmender Faktor.
Sahm-Regel nur ein Indikator von vielen – weitere Symptome fehlen
Andere Anzeichen einer Rezession sehen wir allerdings nicht. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass ein Ausschuss von Wirtschaftswissenschaftlern des National Bureau of Economic Research den Zeitpunkt von US-Rezessionen festlegt. Für eine ausgewachsene Rezession bräuchte es einen großflächigen Konjunkturrückgang, der länger als ein paar Monate anhält. So weit sind wir jedoch eindeutig noch nicht. Tatsächlich gibt es kaum Anzeichen für die finanziellen Verwerfungen, die normalerweise eine Rezession ankündigen, und sowohl die Privat- als auch die Unternehmensbilanzen sind in guter Verfassung. Angesichts der bescheidenen Verbraucherausgaben rechne ich zwar mit einer Verlangsamung in den USA, aber das wäre nur ein leichter Rückgang und keine Rezession.
Fraglich sind jedoch auch die Arbeitslosenzahlen selbst: Ein Großteil der neuen Arbeitslosen ist schlechten Witterungsbedingungen oder vorübergehenden Entlassungen geschuldet, und der Trend dürfte sich schnell wieder umkehren. Ein weiterer Faktor ist der massive Zustrom unerlaubter Einwanderer in die USA, die in der Regel nach einigen Monaten arbeitsberechtigt sind, aber eine höhere Arbeitslosenquote aufweisen. Darüber hinaus stammen die Daten aus einer Haushaltsbefragung mit einer rückläufigen Antwortquote. Dadurch sind die Zahlen weniger genau. Auch im Vereinigten Königreich gingen die Antwortquoten in größerem Umfang zurück – was die Statistikbehörde veranlasst hat, die Erhebung einzustellen.
Wir zögern, zu sagen: „Diesmal ist es anders“, wenn eine Regel in der Vergangenheit so gut funktioniert hat. Die Daten könnten einen breiteren und tieferen Abwärtstrend aufweisen. Aber unsere beste Vermutung ist, dass es sich um einen Fehlalarm handelt. Schließlich sagt selbst die Erfinderin der Regel und nun Bloomberg-Ökonomin Claudia Sahm, dass sie nicht an eine bevorstehende Rezession glaube.
Märkte werden sich stabilisieren
Was bedeutet das alles? Erstens waren die großen Marktbewegungen nicht ausschließlich auf die schwachen US-Daten zurückzuführen. Wegen der Auflösung des riesigen Yen-Carry-Trades fanden die größten Bewegungen in Japan statt, und im August sind diese oft überzogen. Falls wir richtig liegen und die Konjunkturabschwächung in den USA nicht in eine Rezession mündet, dürften sich die Märkte stabilisieren und erholen.
Einen stärkeren Eindruck könnte das Ganze dagegen auf die US-Notenbank haben. Diese ist stark in die Kritik geraten und wird die Zinssätze wahrscheinlich schneller senken, als sie es zuvor getan hätte. Für Anleger wäre dies eine Gelegenheit, Aktien zu kaufen und bei Anleihen Gewinne mitzunehmen.
Von Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments
Den original Video-Kommentar von Steven Bell sehen Sie hier.